die Rede Luthers vom Dach des Weltgebäudes herab
AN DIE OBRIGKEIT (Schluss der Tierbriefe)

Nicht länger, Freunde, wartet auf den Fuchs. Er ist bei mir im Himmel hier. Ganz dicht an meiner Seite, denn - an eine Leine habe ich den Schelm gelegt.

Ich aber bin nicht in der Hölle - wie die Maus berichtete. Zwar  w a r  ich dort, doch nur bei fünfzig Jahren. Und hab ich in Ordnung noch gebracht all die Bekenntnisschriften - und auch den kleinen Katechismus hier und da verändert. Nun sind die Dinge, die man heute nicht mehr mag, aus meinem Werk getilgt. Darauf ward mir der Rest der Fegefeuerstrafe bald erlassen, aus Gnade - nicht der Leistung wegen, die ich mit großer Kraft dort unten bei den tausend Teufeln mir erwarb. Ich ward empor geführt durch einen starken Wettersturm - direkt bis an’s Elysium. Es geht mir gut, macht Euch nicht Sorgen über den Verbleib von Martin Luther, den besten Lehrer aller Christenheit.

Wie ich nun hin und her gegangen bin und eben überlege, was denn die nächsten Jahre ich beginnen könnt’, sah ich den Fuchs dort ob der Wiesen schnüren. Er trug im Täschlein das von Nobel ausgefüllte Schreiben, dass er auch Lampen, jenen Kuschelhasen, zum Königsthof geleiten dürfe, damit der Säumige ein Lutherbrieflein liefre ab, wie ihr ein solches schon geschrieben habt um meinetwillen und des Großgeburtstags wegen. Schon stand der Fuchs vor jenem Hasenhaus, schon rief er laut und gibt mit streng gebietender und harter Stimme jenes Hausherrn harte Botschaft kund. Die Häslein zitterten in arger Angst hinter der Tür, sie waren ja allein, denn Lampe war grad in die Stadt gegangen, um seinen Kleinen zu dem Namenstag was Leckres einzukaufen.

Ich sah das Unglück kommen und ermahne ihn, den schlimmen Fuchs. Vom Himmel hoch ruf ich ihm zu „O fuge, alopex, damnatus es!“ Der Kerl kann kein Latein und will die Tür zum Hasenhaus zerbrechen. Noch einmal rufe ich, diesmal in Deutsch: „Verzieh dich, Bursche, und hau ab!“ Doch wieder keine Reaktion. Schließlich, der Fuchs ist schon im Haus der Armen Häslein angekommen, mahn ich zum dritten Mal den Bösewicht: „Weich ab, du Satan, tu den Kindern nichts!“ Er lacht zum Himmel drauf und zeigt den Mittelfinger mir. Da reißt mir endlich ab der Faden der Geduld. Ich schmettere den Blitz, den man hier oben zur Verfügung hat, und treff’ ihn zwischen beide Augen haargenau in seine schlimme rote Fratze. Sofort lässt er die Kleinen geh´n und fällt auf seinen Rücken tot. Die Beine zucken kurz, er dreht die Augen so, dass nur das Weiße noch zu sehen ist - und gibt den Geist auf, haucht sein Leben aus. Die Häslein kommen mit dem Schrecken wohl davon und bergen zitternd sich tief unter Bett und Stuhl, wie wir es aus den Märchen kennen. Die Seele aber Reineckens stieg auf zu mir, der Fürsprach wegen, die ich noch um seinetwillen an Herrn Petrus hab gewandt. Nun muss das Füchslein immer um mich sein, und ich belehre es von früh bis spat, was wohl erlaubt und was verboten ist. Ja und - gelehrig ist er schon … Das Vaterunser hat er schnell gelernt. Nun bin ich mit ihm im Gespräch über Gebot und das Gesetz, bei Euch in Eurer Welt des Irdischen. Dann kommt noch das Bekenntnis unsers Glaubens dran, wie es gesprochen wird seit Hunderten von Jahren. Drauf will ich ihn, traun, eine Bibelübersetzung machen lassen. Die für die Füchse und die Wölfe, Bären, Löwen - alles Raubzeug in der Welt zum Maßstab werde.

Nun denn. Ihr sollt auch wissen, dass ich einen dieser Blitze noch besitze. Nicht, dass ich ihn vertuen muss für jemand unter Euch? Drum wandelt, wie es sich gebührt und wie es recht ist. Anders nicht!

Und grüßt den Löwen Nobel ganz besonders streng von mir. Die Obrigkeit hab immer ich geschätzt. Sie sollte, wenn es geht, mich aber auch nicht ganz vergessen haben. Gedenkt des Blitzes hier in meiner starken Hand!

M. Luther

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Autor:

Matthias Schollmeyer

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