am 26. September 1905
120 Jahre Relativitätstheorie


Die Zeit … Da schreibt ein noch ganz unscheinbarer Mann im Berner Patentamt einen Artikel, der die Weltgeschichte in zwei Hälften teilt. Vorher glaubte man, Zeit sei ein gleichmäßig tickendes Metronom, dessen Takt für alle immer in gleicher Weise gilt. Aber nach dem 26. September 1905 wusste man: Die Uhr schlägt für jeden anders. Albert Einstein, dieser unschuldig dreinblickende Mann mit der Wuschelkopffrisur, hat uns die Selbstverständlichkeiten der Zeit mit seinen 11 Seiten Relativitätstheorie aus dem Kopfe getan. Aus und vorbei. Zeit? Ist relativ.

Die Sache ist eigentlich brutal einfach: Bewegst du dich schnell, dann geht deine Uhr langsamer. Punkt. Kein Zauber, sondern Mathematik. Für den Bauern, der mit seinem Ochsenkarren übers Feld ruckelt, ist die Zeit natürlich nahezu dieselbe wie für seinen Nachbarn, der in die andere Richtung pflügt. Für die Astronautin in ihrem Raumschiff aber, das mit annähernder Lichtgeschwindigkeit dahin rast, verrinnen die Sekunden wie Sirup im Winter. Die gute Frau kommt nach zehn Wochen Reise zurück – ist selber noch fit und schön wie das Morgenrot, aber findet bereits den Bauern unter einem Grabstein auf dem Gottesacker, seine Kinder als Greise im Heim und deren Enkel sind ihr gänzlich unbekannte Leute. Nicht, weil die Astronautin im Raumschiff zu lange gefeiert hätte, sondern weil ihre Zeit wirklich langsamer geflossen ist im Vergleich zu der Zeit auf dem Erdball.

Was ist das Geniale? Einstein dreht eine uralte Frage um: Nicht „Wann ist es?“ fragt er, sondern „Für wen ist es wann?“ So wurde Zeit persönlich. Sie ist wie eine Gummiplane, die sich dehnt und zieht, je nachdem, wie schnell man durch den Raum heizt, den sie begrenzt. Raum und Zeit sind nicht mehr zwei Schubladen im Universum, sondern wie ein Teppich aus elastischem Material: Die Raumzeit. Alles das, was Masse hat – Sterne, Planeten – drückt Dellen in diesen Teppich. Lichtstrahlen biegen sich um die entstehenden Kurven, als seien sie höfliche Spaziergänger, die einem Elefanten Platz machen. Und die Zeit dehnt sich hier - und verkürzt sich dort.

Einstein hat damit die Kulissen auf der Bühne des allgemeinen Geschehens - vielleicht sogar die Bühne selbst - komplett verschoben. Vor Newton war die Welt ein Billardtisch: gerade Linien, klare Kanten, absolute Zeit. Mit Einstein wird daraus ein Trampolin: Alles federt, alles hängt zusammen, alles ist relativ. Es ist, als hätte jemand der Wirklichkeit das Korsett geöffnet, und plötzlich fing die Dame im Korsett damit an, befreit zu atmen.

Warum ist das so schwer zu kapieren? Weil wir es nicht merken. Unser Alltag ist langsam, fast schneckengleich. Die beschriebene Relativität zeigt ihr Gesicht erst, wenn Geschwindigkeiten sich der enormen des Lichts annähern. Die Alltagsuhren indessen bleiben brav. Aber die Wahrheit ist: Hinter der Fassade der Pünktlichkeit regiert ein unheimliches Gesetz, das die Uhren verrückt spielen lassen könnte - wenn sich dies oder das beschleunigt.

Und was heißt das für uns, die wir nicht mit Lichtgeschwindigkeit reisen? Es heißt: Verlass dich nicht auf die angebliche Ewigkeit des langweiligen Alltags. Zeit ist kein toter Gott, in ihr wabert das Mysterium der Geheimnisse vor dem ersten Schöpfungswort Gottes. Zeit ist biegsam, verletzlich, verwandelbar. Dein Leben kommt nicht im eiserner Takt daher, sondern ist eine Naht in beweglichem Gewebe. Das war Einsteins Skandal. Elf Seiten - mit denen ein einzelner großer Geist der Menschheit den Grund unter allen Vorstellungen darüber wegriss, was man vorher als Zeit verstanden hatte. Allerdings - Juden und Christen wussten schon immer das „Meine Zeit steht”, wie die Bibel (Psalm 31,16) sagt. „In seinen Händen” steht sie. Und fließt daraus hervor …

Autor:

Matthias Schollmeyer

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