Gründonnerstags
VON SECHS BIS SIEBEN

- hochgeladen von Matthias Schollmeyer
Wahrheit will nicht besitzen, sondern berühren. Und darum flieht sie oft ins Kleine – dorthin, wo das Große nichts Besonderes vermutet. Heute in ein paar Tropfen Wein und in ein rundes Stücklein Brot.
Jesus sagt: „Das - mein Leib, das - mein Blut.” Kein Text, der viel erklären will. Ein Doppel-Wort, das in sich ruht. Das ist selten. Passt in jede herrliche Basilika und in jeden schäbigen Betsaal. Passt in die Nacht. Stimmt zu einer Kirche, die noch spürt, was Eucharistie ist, selbst wenn sie es nicht mehr erklären kann.
Jesus hat den Ton für etwas gefunden, was wir Heutigen „Sakrament” nennen. Und wir müssen selber nichts hinzufügen. Nur lassen. Stehen. Wirken lassen. Ja - manchmal steht alles still. Nicht äußerlich – die Welt läuft ja weiter, Uhren ticken, Autos fahren, die Glocken schlagen. Aber innerlich: Es gibt diese eine Stunde, in der nichts verrückt werden sollte. Nichts soll übergangen werden. Keine eigene Entscheidung, keine Flucht, keine Veränderung. Nur Gegenwart. Nur Hingabe. Nur Jetzt. Dies ist eine solche Stunde.
Wir sind hier. Und wir spüren vielleicht: Da liegt etwas in der Luft, das größer ist als sonst. Nicht laut. Nicht dramatisch. Aber recht deutlich … Etwas hält uns fest (fast) … Etwas ruft uns lautlos zu: „Was hier geschieht, ist nicht üblich. Was du gleich in die Hand nimmst, ist nicht wie sonst. Und wer neben dir sitzt, ist mehr als ein Nachbar.“ Das dauert etwa eine Stunde - und ist mit einer Schale. Die fängt auf. Und verliert nie wieder ganz.
„Als sie aber aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und brach’s und gab’s den Jüngern und sprach: Nehmet, esset - mein Leib. Und er nahm den Kelch und dankte, gab ihnen den und sprach: „Nehmt alle davon an - einen neuen Bund stark wie Blut, das vergossen wird zur Vergebung der Sünden.“
Er sagt das nicht nebenbei. Er sagt es nicht beiläufig. Er sagt es in dieser einen Stunde, in der sich nichts bewegt, außer das Herz. Er sagt es – und alles wird verwandelt. Nicht nur das Brot. Nicht nur der Wein. Auch die Zeit. Diese Stunde wird ausgesondert um zu bleiben. Sie ist nicht wie an anderen Tagen. Sie ist gebremst, gestreckt, geweitet. Wie ein Fenster, das sich von selbst öffnet – hinaus in die Himmel, wo das ist, was uns hält - unsere Namen.
Und in dieser Weite: Da werden Worte plötzlich zu Körpern. Da wird Geben zu Geschehen. Da wird Nähe zu heilender Ferne und verankert sich fest in den Körpern. Jesus? Sitzt nicht einfach mit ihnen am Tisch. Er überlässt sich ihnen. Und ihnen - das sind auch wir. Er bietet sich an – nicht symbolisch, nicht psychologisch, sondern: wirklich. Und das Brot, das in der Hand liegt, ist nicht mehr nur Brot. Es ist Bindung an ihn. Es ist Bündnis mit ihm.
Zum Beispiel: Sieh dir diese kleine Unreinheit in deiner Hostie an. Ein winziger schwarzer Punkt im Weiß des Brotes – und auf einmal steht die Frage im Raum: Ist es trotzdem der Leib? Ja, denn die Reinheit war nicht verletzt – sie wurde nur tiefer. Wahrheit flieht oft ins Kleine – dorthin, wo das Große nichts Besonderes vermutet
Diese Stunde verrinnt nie. Auch nicht, wenn wir nach Hause gehen. Und wenn die Kirche wieder leer ist. Denn das, was sich heute ergeben hat, ist nicht mehr zu trennen von uns. Wer das spürt, der wird nicht frommer. Der wird nicht besser. Der wird leiser. Das ist ein erlebtes Amen. Und genug. Es ist gegeben ...
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