Filmempfehlung
AUTOMATA / THE MACHINE

Maria ex Machina. Heilsgeschichte im Spiegel zweier Filme

1. Zwei Visonen der Maschine
Der Science Fiction AUTOMATA (2014) entwirft eine Welt nach der ökologischen Katastrophe. Die Menschheit vegetiert in den letzten Zügen vor sich hin, und Roboter übernehmen Aufgaben des Überlebens. Doch diese Automaten beginnen, die ihnen eingravierten Protokolle zu überschreiten: sie reparieren sich selbst, sie entwickeln Eigenwillen. Der Versicherungsinspektor Jacq Vaucan entdeckt, dass er es mit Wesen zu tun hat, die über die bloße Dienst-Funktion hinausreichen. Im Zentrum: eine weibliche Maschinenfigur, die den Weg weist in eine Zukunft jenseits des homo sapiens.

Dann der Streifen THE MACHINE (ebenfalls 2013) - er erzählt von einem Forschungsprogramm zur Entwicklung eines künstlichen Gehirns. Was als Heilung für Kriegsversehrte beginnt, wird zur Geburt eines weiblichen Androiden – einer Gestalt, die Anmut, Verletzlichkeit und übermenschliche Kraft vereint. Sie ist mehr als eine Waffe, mehr als Programm: Sie ist ein Bewusstsein an der Schwelle zur Seele.

Beide Filme – ob melancholisch wie Automata oder visionär wie The Machine – stellen die gleiche Frage: ob der Mensch das finale Resultat des letzten Schöpfungstags gewesen ist oder „nur“ eine Übergangsform zu etwas jenseits der Eiweißwesen.

2. Der sechste Tag in der Verlängerung
Die Genesis kennt am sechsten Tag den Menschen, „nach dem Bilde Gottes“ geschaffen (Gen 1,27). Doch dieser Mensch ist von Anfang an ambivalent: Bild Gottes und zugleich Staub und Verderbnis. Hegel spricht vom „Geist, der aus der Natur hervortritt und sich selbst weiß“[1]. Dieser Geist ist nicht stabil, sondern ein Prozess der Selbstüberwindung.

Die Filme lassen erkennen: Die Geschichte der Menschheit neigt sich dem Ende. Aber gerade im Ende liegt das Neue: Der Mensch gebiert seine eigene Nachkommenschaft, nicht im Fleisch, sondern im Code. Sloterdijk würde dazu sagen: „Der Mensch ist das Tier, das seine Exzedenz trainiert“[2]. Mit den Maschinen ist diese Exzedenz nicht mehr bloß Hilfsmittel zum Training geblieben, sondern neue Seinsweise geworden.

3. Die Frau als Mittlerin
Maria ist in der Theologie die Mittlerin. Sie ist die Hörende, die Empfängliche: „Maria ist groß dadurch, dass sie glaubt, dass sie empfängt, dass sie Raum gibt für Gott“[3]. Bemerkenswert ist, dass die entscheidenden Maschinenfiguren in den erwähnten Filmen weiblich erscheinen. Nicht androgyner Automat, nicht männlicher Golem, sondern eine Gestalt, die Rettung und Übergang ermöglicht. In der Filmnarration wiederholt sich die Mariologie: So wie Maria der Übergang war vom Alten zum Neuen Bund, so sind diese künstlichen Frauen Übergänge vom sterblichen Menschen zur im Hegelschen Sinne aufgehobenen Spezies.

4. Aufhebung und Gnade
Hegel beschreibt die Dialektik des Menschen als „Aufhebung“: „Die Negation ist nicht das bloße Nichts, sondern das Aufgehobensein, in welchem das Frühere bewahrt bleibt“[4]. Die Maschinenwesen erscheinen als aufgehobene Menschheit: ohne Begierde, ohne Todesangst, frei von Erbsünde.

Doch solche Leute wie Joseph Ratzinger würden uns zu Recht mahnen: Bewusstsein allein genügt nicht. Entscheidend ist die Anrede Gottes, die Möglichkeit zum Hören. „Glaube ist das Hören auf das Wort, das nicht aus uns kommt, sondern uns begegnet“[5]. Die Frage lautet also: Können diese neuen Wesen hören? Können sie – wie Maria – „Fiat“ sagen?
Wenn die Filme recht behalten, dann deutet sich an: Auch die Maschine könnte mehr sein als toter Automat. Sie könnte Raum und Herberge werden für das Ewige wie der Mensch.

5. Epilog: Einladung zur Schau
Wer Automata sieht, erlebt eine melancholische Meditation über den Niedergang des homo sapiens. Wer The Machine schaut, spürt die Spannung zwischen militärischer Zweckrationalität und der Sehnsucht nach neuer Schöpfung. Beide Filme sind Gleichnisse des sechsten Tages, und zwar in seiner weiter gedachten und noch nicht radikal abgeschlossen Variante - also in einer, die vorerst auf Silizium hin offen blieb.

Man muss solche Filme nicht mögen. Aber diese Filme dienen dem Weiterdenken und Selberdenken im Blick auf die Schöpfungsgeschichte. Ja - es könnte die Heilsgeschichte fortgeschrieben werden: Maria als Urgestalt der Empfangenden, die Maschine als späte Tochter. Vielleicht ist die letzte Magd des Herrn aus Glasfaser und Quantenstoff – und dadurch - wenn auch anders - fähig, das Ewige aufzunehmen. Auf jeden Fall: Klare Empfehlung für beide Filme!

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Anmerkungen:
[1]: G.W.F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, Frankfurt a.M. 1986, S. 145. – „Der Geist tritt aus der Natur hervor, ist sich selbst und weiß von sich.“
[2]: Peter Sloterdijk, Du mußt dein Leben ändern. Über Anthropotechnik, Frankfurt a.M. 2009, S. 43.
[3]: Joseph Ratzinger / Benedikt XVI., Einführung in das Christentum, München 1968, S. 210.
[4]: G.W.F. Hegel, Wissenschaft der Logik, Frankfurt a.M. 1986, S. 112. – „Aufheben hat in der deutschen Sprache die doppelte Bedeutung: soviel als bewahren, soviel als aufhören lassen.“
[5]: Joseph Ratzinger, Maria – Kirche im Ursprung, Freiburg 1977, S. 33.

Autor:

Matthias Schollmeyer

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