Geschnitzte Herz- und Türöffner

Maria und Josef finden Herberge – auch bei Steffi Uhlig und Daniel Kliewe kehren die zwei Holzfiguren im Advent ein, sehr zur Freude von Söhnchen Mattis. | Foto: Katja Schmidtke
  • Maria und Josef finden Herberge – auch bei Steffi Uhlig und Daniel Kliewe kehren die zwei Holzfiguren im Advent ein, sehr zur Freude von Söhnchen Mattis.
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Weihnachtsgeschichten: In Hohenmölsen und Halle sind Maria und Josef im Advent unterwegs.

Von Katja Schmidtke

Advent heißt Warten. Vorbereiten, sich bereit machen. So wie eine Schwangere auf ihr Baby. Mühsam sind diese letzten Wochen – deshalb können Frauen in Deutschland heute sechs Wochen vor dem errechneten Geburtstermin in den Mutterschutz gehen. Es ist eine Zeit des Erwartens und Vorbereitens – da werden Kinderzimmer eingerichtet und Windeln gekauft, aber sicher keine langen Fußmärsche unternommen.
Maria hatte es schwerer. Sie war mit Josef von Nazareth Richtung Bethlehem unterwegs. Diesen Gedanken haben die ordinierten Gemeinde­pädagogen Friederike und Johannes Rohr aus Hohenmölsen (Kirchenkreis Naumburg-Zeitz) aufgegriffen. »Maria und Josef unterwegs« heißt ihre Initia­tive, die zum Vorbereiten auf Christi Geburt einlädt.
Das Prinzip: Zwei geschnitzte Holzfiguren – ein Josef und eine schwangere Maria – werden von Mensch zu Mensch weitergereicht. Jeweils für eine Nacht finden sie eine andere Herberge im Pfarrbereich. Wohin die Reise geht, steuert Gemeindepädagogin Friederike Rohr nicht, sie hat beim Beginn zum ersten Advent lediglich den Anfang gemacht, das Kästchen mit den Figuren dorthin gestellt, wo sonst die Krippe steht, und die Gemeinde aufgefordert, Josef und Maria mitzunehmen. »Die Idee ist, sich mit der Wanderschaft zu beschäftigen, über den Advent nachzudenken, auch wenn man nicht jeden Sonntag in die Kirche geht«, sagt Friederike Rohr.
Die 30-Jährige, die mit ihrem Mann und den beiden Kindern seit drei Jahren in Hohenmölsen lebt, hat die Anregung aus ihrem Vikariat mitgebracht. 2015 war Premiere für »Maria und Josef unterwegs«, dieses Jahr gab es ein zweites Figurenpaar für den Bereich Teuchern, der von Hohenmölsen durch die Bundesstraße 91 getrennt ist.
Über einen Laufzettel lässt sich am Heiligen Abend, wenn die beiden in die Kirche zurück- und an der Krippe ankommen, zurückverfolgen, wo sie Quartier bezogen haben. In einem Tagebuch konnten die Herbergswirte ihre Gedanken niederschreiben. So waren Maria und Josef im vergangenen Jahr Gäste im Kreißsaal, eine Hebamme hatte sie aufs Fensterbrett gestellt. Wie war das damals wohl für Maria? In dem kargen Stall, ohne fachkundige Hilfe? »Jeder hat so seinen eigenen Zugang gefunden«, sagt Friederike Rohr.
Einmal wurden die Figuren in einer Kirche vergessen, blieben dort eine Woche in Eiseskälte. Oft wurden sie zum Anlass genommen, Bekannte zu besuchen, an Türen zu klopfen, zusammenzukommen. »Wir waren erstaunt, dass die Aktion die Kerngemeinde nur streifte und stattdessen weite Bahnen zog. Auch zu Menschen, die nicht in der Kirche sind, aber zu unseren Kreisen kommen, etwa zur Krabbelgruppe«, erinnert sich Friederike Rohr.
So wie Steffi Uhlig und Daniel Kliewe. Er ist kirchlich sozialisiert, sie findet gerade ihren Weg zum Christentum. Zwei Kinder gehören zur Familie: der fast dreijährige Linus und Mattis, der noch nicht mal ein halbes Jahr alt ist. Jetzt mit den Kindern sei Weihnachten wichtiger. Nicht nur wegen der Geschenke, nein – auch wegen der Geschichte. Daniel Kliewe denkt dabei auch an Flucht. In ihrem gemütlichen Wohnzimmer waren nach dem Zweiten Weltkrieg Flüchtlinge untergebracht. Zimmer wurden geteilt, Familien lebten beengt. »Das macht nachdenklich«, sagt Daniel Kliewe.
Sich auf das Wichtige zu besinnen, auch im Alltag mit Baby und Kleinkind innezuhalten, dabei helfen »Maria und Josef unterwegs«. Das Kästchen mit den Figuren bekam die Familie von einer Nachbarin, weitergegeben hat sie es an Bekannte, die ein Kind erwarten.
Eine ganz ähnliche Aktion gibt es auch im Diakoniewerk Halle: Dort war ein Koffer mit Maria und Josef unterwegs. Auch dort suchten die beiden jede Nacht ein neues Obdach. »Die Reise ist ein Experiment, dessen Gelingen von jedem Einzelnen abhängt«, sagt Unternehmenssprecher Udo Israel. »So soll der Grundgedanke der Weihnacht, das Herz zu öffnen und sich zu besinnen, auch in der arbeitstechnisch anspruchsvollen Adventszeit im Dia­koniewerk Halle präsent sein.«

Autor:

Adrienne Uebbing

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