Magdeburg: Nach zehn Jahren wurde Landesbischöfin Ilse Junkermann entpflichtet
Abschied aus einem "Erprobungsraum"

Nach ihrer Predigt auf der Kanzel im Magdeburger Dom schließt Ilse Junkermann die Tür.  | Foto: Angela Stoye
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Nur das leise Klicken der Kameras war zu hören, als Ilse Junkermann vor den Altar trat. Für die Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) war am Mittag des 6. Juli im Magdeburger Dom die Minute der Verabschiedung gekommen. Mit dem Ablegen von Kette und Kreuz begann die Entpflichtung Junkermanns aus dem Amt, das sie zehn Jahre inne gehabt hatte. Christen aus der eigenen Gemeinde, aus der Landeskirche sowie Kollegen aus der EKD und der Ökumene segneten sie. Ilse Junkermann wechselt an die Universität Leipzig, wo sie ab September die Forschungsstelle „Kirchliche Praxis in der DDR. Kirche (sein) in Diktatur und Minderheit“ bis zu ihrem Eintritt in den Ruhestand im Sommer 2023 leiten wird.

Abschiedspredigt im Dom

In ihrer Predigt vor rund 500 Menschen sprach sie über den Gott, der sie seit ihrer Jugend fasziniert. Seine Verheißung, dass nichts bleiben müsse, wie es ist, habe ihr Kraft und Hoffnung gegeben. „So wie es ist, das ist noch nicht das Ende... es kommt die Zeit, in der die Träume sich erfüllen, die Träume von einer gerechten Welt, in der nicht alles sauer verdient werden muss von den einen, und die anderen den Profit einstreichen“, so die scheidende Landesbischöfin. Eine Welt, „in der die einen von den anderen profitieren, sie knechten und ausbeuten, ihr Land rauben und ihre Bodenschätze – für ein Leben in Luxus, in sinnloser Verschwendung, für ein Leben, so verschwenderisch, dass es krank macht, und die Luft verpestet und die Meere voller Müll“. Aus dieser Welt mit ihren scheinbar unerschütterlichen Gesetzmäßigkeiten und Regeln rufe Gott heraus. Er bürste ihre Logik gegen den Strich. Denn alle sollten das Notwendige zum Überleben haben. So sei der Glaube an Gott „kein rosaroter Zuckerguss auf die Verhältnisse, wie sie eben sind. Vielmehr: Radikal anders wird die Welt. Im Vertrauen auf Gott sollten Menschen nicht denen das letzte Wort lassen, „die auf Hass und Gewalt setzen, auf Sieg und Herrschaft first“.

In die Werkstatt statt ins „gemachte Nest“

Der Präses der EKM-Synode, Dieter Lomberg, würdigte den Mut Ilse Junkermanns, sich 2009 auf eine neue Landeskirche einzulassen, die sich gerade gegründet hatte und neu finden musste. Sie habe sich in kein „gemachtes Nest“ setzen können, sondern eher eine Werkstatt betreten oder „neukirchlich gesagt: einen Erprobungsraum“. Für die Gemeinden habe sie sich Zeit genommen, diese hätten es ihr gedankt. „Für die Landeskirche war es die Hefe, die geholfen hat, die von oben organisierte Fusion zu einem gestaltbaren Teig werden zu lassen, schließlich zu einem Brot, von dem wir alle in der EKM etwas haben“, sagte der Präses weiter. Aber einfach sei es bis heute nicht, „da ist immer noch viel ungleichzeitig, vieles unfertig“, aber es sei mehr da als vor zehn Jahren.
Ilse Junkermann habe von Anfang an Themen gesetzt und Defizite angesprochen, die diese neue Landeskirche geprägt haben. Für manche gelte die EKM gilt heute als innovativ. Die Landesbischöfin habe sich manchmal weit vorgewagt, für manche zu weit, so Lomberg weiter. Aber sie habe nie ihre theologische Erdung verlassen.

Gute Zusammenarbeit gewürdigt

Der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) bekräftigte am Sonnabend in Magdeburg seine Äußerungen vom Vortag. Ilse Junkermann habe als Mensch wie als Bischöfin dafür eingestanden, Trennendes zu überwinden und das Miteinander zu fördern. Er erinnerte auch an die gute Zusammenarbeit in der Vorbereitung des 500. Reformationsjubiläums 2017 und bedankte sich für das gute Miteinander.
Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm sagte, dass auch 30 Jahre nach 1989 die meisten Geschichten noch nicht erzählt worden seien: „Wir haben noch viel zu wenig zugehört.“ Ilse Junkermann habe sich in der EKD dafür eingesetzt, dass Ost-Stimmen und -Geschichten gehört werden.
Der bayrische Landesbischof würdigte die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland, die aus einer unierten und einer lutherischen Kirche hervorgegangen ist, als „Bindeglied zwischen den Konfessionsbünden“ der Lutheraner (VELKD) und der unierten Christen (UEK). Habe es vor fünf, sechs Jahren noch viel Misstrauen gegeben, herrsche heute ein anderes Klima. Die je eigene Konfession sei die Tür zu Christus, aber „Christus ist der Mittelpunkt“.
Angela Stoye

Autor:

Angela Stoye

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