PASSIONSGESCHICHTEN (10)
de mysterio liquorum

PASSIONIS ORDO LIQUORUM

Blut und Wasser, Wein und Essig. Myrrhe, Aloe und Tränen. Innerhalb der Passionsberichte tauchen diese Sieben an einigen  Stellen auf. Substanzen, die den Weg Jesu begleiten. Wollte man eine Ordnung unter ihre geheimnisvollen Säfte mischen, müsste sicher bei jener Wasser-Taufe begonnen werden, der Jesus sich im Flusslauf des Jordans oberhalb des Toten Meeres unterzog. Dann wäre sofort auch der salzigen Tränen Marias zu gedenken, als sie merkte, wie es mit dem Sohn - den sie mit Gott teilen musste - gefährliche Dinge auf sich haben würde. Und die großen Sünderin darf nicht vergessen werden, weil sie Jesu Füße mit ihren Tränen wusch -  wie Jesus mit Wasser die Füße seiner Jünger …

Eigentlich geht es aber immer um den Wein. Maria bittet Jesus - und der verwandelt das ehrliche alte Wasser aus Brunnentiefen in das köstliche Hochzeitsgetränk. Nie wieder wird er dann aufhören, vom Weinstock zu reden, vom Winzer und vom Weingärtner, vom Weinberg - auch heiliger Zorn packt ihn, wenn er dabei zusehen muss, dass der Weinberg seines HERRN nur saure Trauben hervor bringt.

Myrrhe schließlich, jene bittere Tinktur, die die Heliaden als Tränen vergossen haben sollen, als der Bruder Phaeton vom Himmel gestürzt wurde, weil ihm die Versuchung zu groß gewesen war, wie Gottvater zu sein und das Weltsonnenrad zu lenken. Auch jene Myrrhe ist es, die der Morgenlandfahrer geschenkt, als man sich im Stall traf, bei den heiligen Tieren - ein König mit schwarzem Gesicht.

Dann noch Aloe. Ein zweiter Pflanzensaft. Nikodemus mischt ihn mit Myrrhe und sicher sind auch Tränen mit darein geflossen. Den toten Körper des gestorbenen Gottes wollten sie nicht der Verwesung anheim fallen lassen. Aloe - Eva durfte diese heilpflegende Pflanze am sechsten Tag aus dem Garten mit hinaustragen in die Distelwüste.

Erschrecken wir nicht - es geht auch immer um’s Blut. Das von Abel, den der Bruder Kain erschlug. Das von Jesus - am Kreuz geflossen. Und der Essig wartet abgestanden am Fuße des Kreuzes in einem Fass. Er ist einmal Wein gewesen - und hat nun seine verwandelnde Wirkung verloren. Wenn Wein lange an der Luft steht, wird Essig draus. Acidum aceticum, nur noch Säure, nicht mehr Trunk. Samuel Hahnemann reichte es ihn hoher Potenz denen, die sich auf den letzten Weg machen müssen ...

Jede dieser sieben Tinkturen hat eine Beziehung zu jeder anderen - und ihre vielfältigsten Mischungen erleben wir als unser Leben. In der Mitte aber jenes Getränk, welches -  wenn wir es genießen - an das ferne Reich Gottes erinnert. Wo Christus den Becher segnen wird. Schon jetzt, denn es ist mitten unter uns ...

Autor:

Matthias Schollmeyer

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