Tetzel – Ablass – Fegefeuer

Ansteigende Rampe zum Kreuz: Die Ausstellung in Jüterbog macht auch durch ihre äußere Konzeption die Frömmigkeit im Vorfeld der Reformation erfahrbar. | Foto: Thomas Marin
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Die Ausstellung »Tetzel – Ablass – Fegefeuer« in Jüterbog nimmt die Frömmigkeit und Ablasspraxis am Vorabend der Reformation in den Blick. Der Ablassprediger Johann Tetzel wird dabei von einer verzerrenden Überlieferung befreit.

Von Thomas Marin

Ausstellungen zum Reformationsjubiläum gibt es an beinahe allen Stätten, die mit den konfessionellen Umwälzungen des 16. Jahrhunderts verbunden sind. Dabei scheint mancherorts der Andenkenvertrieb bis hin zum Lutherkitsch die Beschäftigung mit dem Ereignis vor 500 Jahren zu überlagern. Die Jüterboger Ausstellung hebt sich von derlei Rummel wohltuend ab. Im Mönchenkloster, ehemals Heimat des bedeutenden Franziskanerkonvents, und der Nikolaikirche, im April 1517 Predigtort Tetzels, wird die spätmittelalterliche Frömmigkeit sowie die Theologie und Praxis der Ablassverkündigungen dargestellt. Der historisch greifbare Johann Tetzel wird ebenso vermittelt wie die Entstehungsgeschichte der Legenden, die diesen Dominikaner bis heute entstellen.
Die Ausstellung wie auch der lohnende Begleitband setzen die Entwicklung der kirchlichen Bußpraxis von der öffentlichen zur privaten Beichte und die im Hochmittelalter entstandene Vorstellung vom Fegefeuer voraus. Anders als in der traditionellen Überlieferung der Reformationsgeschichte war nicht der Petersablass zum Bau des Petersdoms in Rom der Auslöser der Ablassbewegung, gegen die sich Luther auflehnte.
Nachdem in Rom bereits im Jahr 1300 das erste Heilige Jahr begangen wurde, propagierte zweihundert Jahre später Kardinal Raimund Peraudi als päpstlicher Ablasskommissar den Jubiläumsablass in Deutschland und Nord-
europa. Zuvor hatte es bereits Ablasskampagnen gegeben, deren Erlös vor allem der Abwehr der Türken im Mittelmeerraum diente.
Tetzel, der dem Leipziger Dominikanerkonvent angehörte und über eine gediegene theologische und juristische Bildung verfügte, war ab 1502 als Ablasskommissar tätig. Vor der Ablassverkündigung hatte ein solcher Kommissar die nötigen Vorbereitungen zu treffen. Dazu gehörten Verhandlungen mit den jeweiligen Obrigkeiten über deren Anteil an den Einnahmen und die Abrechnung der Gelder. Kern derartiger Kampagnen war aber immer das religiöse Bedürfnis der Gläubigen nach Befreiung von den Folgen der eigenen Verfehlungen.
Bußpredigt und Beichte gehörten ebenso zum Gesamtkonzept eines solchen lokalen Jubiläumsablasses wie der Besuch festgelegter Pilgerkirchen nach dem Vorbild der römischen Hauptkirchen. Das finanzielle Opfer, quittiert durch die später berüchtigten Ablassbriefe, war nach dem Einkommen der Gläubigen in Tarife gestaffelt. Übertreibungen in Predigt wie Organisation hat es dabei zweifellos gegeben, wobei der Hintergrund für Luthers Widerspruch weniger in der nur wenige Kilometer von Wittenberg entfernten Jüterboger Ablasskampagne von 1517, als in seinem theologischen Konzept von der Rechtfertigung allein aus Gnade und Glauben zu finden ist.
Der in Pirna geborene Johann Tetzel war Luthers Gegenspieler, nicht zuletzt durch Gegenthesen, die er 1518 mit dem Rektor der Universität Frankfurt an der Oder, Konrad Wimpina, verfasste. Das große Gegenbild zum Reformator entstand aber erst nach Tetzels Tod durch Legendenbildungen, die sich bis zur Dämonisierung Tetzels steigerten. Hatte der Reformator dem Dominikaner noch kurz vor seinem Tod einen Trostbrief geschrieben, wurde er in Luthers letzten Lebensjahren zunehmend negativ ausgeschmückt. Ein Jahrhundert nach der Reformation war aus Johann Tetzel ein dummer und gewissenloser Schreihals, Betrüger und Ehebrecher geworden.
Die Jüterboger Ausstellung gibt einen spannenden Einblick in die Mentalität und Frömmigkeit der Reformationszeit. Der Begleitband ordnet die Ablasspraxis und die Person Tetzels in die Kirchen- und Landesgeschichte ein, zeigt die Nutzung von Kunst und Drucktechnik für die seelsorglichen wie wirtschaftlichen Wirkungen der Ablasskampagnen auf und wirft mit diversen neuen Forschungsergebnissen ein spannendes Licht auf Leben und Legende Johann Tetzels.

Bis 26. November im Mönchenkloster und in der Nikolaikirche in Jüterbog, täglich 10 bis 18 Uhr (Fr. u. Sa. bis 19 Uhr), Eintritt 7 Euro

H. Kühne, E. Bünz, P. Wiegand: »Johann Tetzel und der Ablass«, Lukas-Verlag, 427 S., ISBN 978-3-86732-262-1, 29,80 Euro

Bezug über den Buchhandel oder den Bestellservice Ihrer Kirchen­zeitung: Telefon (0 36 43) 24 61 61

Ansteigende Rampe zum Kreuz: Die Ausstellung in Jüterbog macht auch durch ihre äußere Konzeption die Frömmigkeit im Vorfeld der Reformation erfahrbar. | Foto: Thomas Marin
»Tetzelkästen« zur Aufbewahrung der Ablassgelder sind Teil der Legendenbildung. Dieser steht in der Jüterboger Nikolaikirche. | Foto: Thomas Marin
Autor:

Adrienne Uebbing

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