»Schön, dass ihr wieder da seid«

Bier-Sonderedition: Wer sie kauft, unterstützt das Kloster. Dafür werben (v. li.) Pater Kilian, Pater Simeon, Brauereibesitzer Helmut Fritsche, Schwester Teresita vom Bonifatiuswerk, Junior-Chef Stefan Fritsche, Pater Philemon. | Foto: Benjamin Lassiwe
  • Bier-Sonderedition: Wer sie kauft, unterstützt das Kloster. Dafür werben (v. li.) Pater Kilian, Pater Simeon, Brauereibesitzer Helmut Fritsche, Schwester Teresita vom Bonifatiuswerk, Junior-Chef Stefan Fritsche, Pater Philemon.
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Das Zisterzienserkloster Neuzelle wurde 1817 säkularisiert. Nun sind wieder Mönche hierhergekommen, in eine Region, in der Christen in der Diaspora leben.

Von Benjamin Lassiwe

Ein altes Ruderboot versinkt langsam in dem mit Seerosen bewachsenen Teich. An seinem Rand führt eine kopfsteingepflasterte Allee mit sorgsam beschnittenen Bäumen hinauf zur Klosterpforte, die vom weithin sichtbaren, gelben Kirchturm überragt wird. Die barocke Klosteranlage von Neuzelle, im Osten Brandenburgs auf einer Anhöhe über dem Odertal gelegen, ist die perfekte Idylle. Kurz vor zwölf Uhr mittags biegen vier Mönche um die Ecke. Sie tragen das schwarz-weiße Habit des Zisterzienserordens, jener Mönchsgemeinschaft, die vor fast 750 Jahren das Kloster begründete.
Doch dass Pater Simeon, Pater Kilian, Pater Philemon und Bruder Aloysius Maria nun mehrfach am Tag wieder die lateinischen Stundengebete in der Brandenburger Klosterkirche anstimmen, ist nichts weniger als eine kirchenhistorische Sensation. Denn 1817 hatte der preußische Staat das Kloster Neuzelle säkularisiert.
Seine Gebäude gehören heute dem Land Brandenburg – die beiden großen Kirchen, die die Klosterkirche und die ebenfalls zum Gelände gehörende Pfarrkirche heute für ihre Ortsgemeinden nutzen, sind nur Untermieter. Was den katholischen Bischof des Bistums Görlitz, Wolfgang Ipolt, freilich nicht davon abhielt, Anfang des Jahres einen verwegenen Plan zu fassen: Zum 750-jährigen Jubiläum Neuzelles im kommenden Jahr sollen in Neuzelle wieder Mönche leben. Er bat das
als durchaus konservativ geltende, österreichische Stift Heiligenkreuz um die Entsendung von Mönchen
an die Oder.
Sie kamen – in eine Region, in der die Christen in der absoluten Diaspora sind: Das katholische Bistum Görlitz ist zwar mit einer Fläche von 9 700 Qua­dratkilometern fast 50 Prozent größer als das Erzbistum Köln, trotzdem gehören ihm nur ungefähr 30 000 Katholiken an. Im Bundesland Brandenburg sind rund 15 Prozent der Einwohner evangelisch, rund drei Prozent katholisch.
Wenn in dieser Gegend ein Mönch mit Ordenshabit seinen Einkaufswagen durch den Supermarkt schiebt, fällt das durchaus auf, sagt Frater Aloysius Maria. »Ich erlebe alles – vom Atheisten, der mich zwar freundlich grüßt, mir dann aber sagt, dass ihm Marx wichtiger sei, als unsere Kirche, bis zum älteren Mann, der fast heimlich seinen Wagen stoppt und mir zuraunt: Schön, dass ihr wieder da seid.«
Beim Einzug der Mönche in das Kloster kam sogar der Bürgermeister, Dietmar Baesler (FDP), und brachte Brot und Salz. Doch als die Zisterzienser im Frühjahr das allererste Mal nach Brandenburg kamen, wurden sie sogar gefragt, zu welchem Maskenball sie denn gerade unterwegs seien.
Der Görlitzer Bischof Ipolt wiederum hofft, dass es den Männern gelingt, das bislang vor allem als kulturellen Ort wahrgenommene Stift auch geistlich neu zu profilieren. »Ich denke, dass von den Mönchen eine Bereicherung des kirchlichen Lebens in unserem Bistum und der ganzen Region ausgehen kann.« Immerhin ist Neuzelle schon heute einer der wichtigsten Wallfahrtsorte der ostdeutschen Katholiken. Als es nach 1945 nicht mehr möglich war, die traditionellen schlesischen Ma­rienwallfahrtsorte aufzusuchen, begann man in Sachsen und Brandenburg, in den westlich der Neiße gelegenen Teilen Schlesiens und den Dörfern der katholischen Sorben und Wenden der Oberlausitz, nach Neuzelle zu pilgern. Sogar ein eigenes Neuzeller Wallfahrtslied wurde gedichtet, das in jeder Zeile den Geist der Nachkriegszeit verströmt: »Maria, Mutter Friedenshort, wir kommen zu dir in bedrängten Tagen …«
Begeistert von der Ankunft der Zisterzienser ist der Unternehmer Helmut Fritsche. Gleich nach der Wiedervereinigung hat er in Neuzelle eine alte Brauerei erworben, das »Neuzeller Kloster-Bräu« ist mittlerweile über die Brandenburger Landesgrenzen hinaus ein Begriff. »Für uns ist das wie ein Geschenk Gottes, dass wir hier wieder Mönche haben«, sagt Fritsche. Der Unternehmer will die Neugründung des Klosters unterstützen. Seit Anfang September gibt es eine Sonderedition seines Bieres. Wer sie kauft, spendet zugleich 20 Cent an das katholische Bonifatiuswerk. Dieses unterstützt damit die Neugründung des Neuzeller Zisterzienserklosters. Dabei gehört Fritsche selbst nicht der katholischen Kirche an. »Aber als Brauerei sind wir ein integraler Bestandteil des Klosterensembles«, sagt er. »Da fühlen auch wir uns den Mönchen und ihrer Tradition verpflichtet.«
Doch auch, wenn im November noch ein fünfter Mönch zur vierköpfigen Vorhut von Neuzelle stoßen soll: Noch ist die Wiederbesiedlung des Klosters nicht endgültig besiegelt. Denn im Moment wohnen die vier Mönche zusammen mit Ortspfarrer Ansgar Florian im katholischen Pfarrhaus. Alle übrigen Gebäude des Klosterstifts sind vermietet – an ein privates Gymnasium zum Beispiel. Oder sie werden von der staatlichen Stiftung für die Verwaltung der Forsten und Ländereien genutzt. Auf Dauer ist das Pfarrhaus schlicht zu klein. Ob es dem Bischof und den Ordensbrüdern gelingt, etwa das ehemalige Kanzleigebäude des Klosters für das Neugründungsprojekt zu nutzen, und was dann mit den übrigen Mietern passiert, ist noch unklar. Im November soll es dazu weitere Gespräche geben. »Natürlich ist das für alle Beteiligten erst einmal sehr herausfordernd, dass hier wieder Mönche leben«, sagt Pater Simeon.
Brandenburgs Kultusministerin Martina Münch (SPD), die auch Vorsitzende des Stiftungsrates der staatlichen Klosterstiftung und selbst praktizierende Katholikin ist, unterstützt das Vorhaben. Im Frühjahr war sie mit ihrem ganzen Büro nach Heiligenkreuz gereist, um das Mutterkloster der Zisterzienser selbst in Augenschein zu nehmen. » Wir haben zwei Tage lang das Klosterleben erlebt – von der ersten Andacht um 5.15 Uhr morgens über die Heilige Messe noch vor dem Frühstück bis zum Abendgebet«, sagte sie anschließend in einem Interview. »Wir waren alle gleichermaßen fasziniert: Wenn man morgens aufsteht, in die dunkle Kirche kommt, und das erste Morgenlicht durch die farbigen Fenster fällt, ist das ein wirklich erhebendes Erlebnis.« Man könne dann verstehen, warum sich Menschen heute dafür entscheiden, ins Kloster zu gehen.
Einstweilen jedenfalls sind alle Beteiligten hoffnungsvoll, dass es in absehbarer Zeit zu einer Lösung der Probleme kommt. Sowohl Ministerin Münch als auch der Görlitzer Bischof Ipolt betonen, mit Hochdruck an einer Lösung der Probleme zu arbeiten. Auch der Zisterzienserpater Simeon, der im nächsten Jahr erster Prior des Klosters werden soll, ist optimistisch. »Wir denken doch, dass Gott uns hierher gesandt hat«, sagt Pater Simeon. »Da kann ich mir nur schwer vorstellen, dass Gott jetzt nächstes Jahr sagt: Ätsch, das war jetzt nichts.«

Autor:

Kirchenzeitungsredaktion EKM Nord

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