ECCLESIA TRIUMPHANS
Worte aus dem Elfenbeinturm

Glasperlenspiel

Der Meister des Glasperlenspiels Joseph Knecht übersetzt in Hermann Hesses gleichnamigem Roman folgenden von Albertus Secundus stammen sollenden kleinen lateinischen Text:

„Denn mögen auch ... für leichtfertige Menschen die nicht existierenden Dinge ... verantwortungsloser durch Worte darzustellen sein als die seienden, so ist es doch für den gewissenhaften Geschichtsschreiber gerade umgekehrt: Nichts entzieht sich der Darstellung durch Worte so sehr und nichts ist doch notwendiger, den Menschen vor Augen zu stellen, als gewisse Dinge, deren Existenz weder beweisbar noch wahrscheinlich ist, welche aber eben dadurch, dass ... gewissenhafte Menschen sie als seiende Dinge behandeln, dem Sein und der Möglichkeit des Geborenwerdens um einen Schritt näher geführt werden.“

Zugegeben, - Hesses Roman „Das Glasperlenspiel“ wartet mit Herausforderungen auf. Eine davon ist „Durchhalten“. Man darf die Flinte nicht ins Korn werfen. Gerade das aber geschieht leider so häufig auch dort, wo der Kirche Verantwortung für die nichtsichtbaren Dinge aufgetragen worden ist. Die Präzision im Denken, die Beharrlichkeit und Mühe, gerade über das zu reden, was nicht gleich von allen sofort kapiert wird und nicht zuletzt der stoische Mut angesichts der leider zu konstatierenden Dummheit der Vielen, die sich immer sofort abwenden, wenn es schwierig wird - diese drei Tugenden haben sich auch im Raum der Kirche rar gemacht. Weil die Leute es angeblich nicht verstünden (oder nicht verstehen dürfen!), fing man nun so an zu reden, dass sie es angeblich gleich begreifen können müssten. Auf diese Weise wurde den Zuhörern aber schließlich nichts Neues mehr bekannt gemacht - und in Folge dessen sank das Niveau, verkam ein großer Teil der theologischen Begriffswelt und Begründungskunst - und mutierte schließlich die einstige ECCLESIA TRIUMPHANS in einen jener nur weiteren Vereine, die ihre Aufgabe hauptsächlich darin sehen, irgendwas für irgendwelche benachteiligten Menschen irgendwie und irgendwo zu unternehmen. Eine schleichende Infantilisierung der Botschaft ging damit Hand in Hand.

Bei diesem verheerenden inneren Aushöhlungsprozess spielte das Sich-Anbiedern gerade bei den Kritikern der ewigen Dinge - bei den sogenannten Agnostikern - eine große Rolle. Der Agnostiker ist bekanntlich der Zyniker in der Welt der Gedanken. Er geht immer noch ein Stückchen weiter als der Fuchs in der bekannten Äsopschen Fabel von den Trauben. Während der Fuchs behauptete, die Trauben (welche er durch Hochspringen nicht erreichen konnte) wären zu sauer - und deshalb wolle er sie gar nicht haben, behaupten die Agnostiker, die Trauben seien gar nicht vorhanden. Und springen gar nicht. Faule Füchse.

Wie nun aber Hesse seinen Helden Joseph Knecht sagen lässt, geht es beim Denken! immer gerade darum, die nichtexistierenden Dinge w i e existierende Dinge zu beschreiben, um sie ihrem Geboren-Werden im Geiste des sich mühenden Menschen anzunähern. Genau darum geht es im Roman und im wirklichen „Glasperlenspiel“. Der Romantitel wird von Leuten, die gedanklich nur kurz springen wollen, als Hohn- und Schimpfwort benutzt. Genauso wie der Begriff des Elfenbeinturms. „Das ist nur ein Glasperlenspiel” maulen sie. Und „wir leben doch nicht im Elfenbeinturm!“ Jedoch - die Elfenbeinturmbewohner und Glasperlenspieler hüten das Geheimnis des Göttlichen, - um davon (auch anderen) zu berichten. Sie lassen sich vom Gemoser aktivistischer Paniker draußen am Fuße des Turmes nicht beleidigen. Denn sie wissen von etwas, das n i c h t niedrigschwellig sein darf, weil es auf dieser fatalen Stufe elendiglich verenden würde.

Spätestens als die Kirche zu mutmaßen begann, die Leute bedürften irgendeiner Art Niedrigschwelligkeit, hat sie die Botschaft der Kirche (oft nur aus Feigheit) verraten. Sie hat die Flinte ins Korn geworfen, um nicht als Kriegerin für andere Welten erkennbar und bekämpft zu werden. Eine Kirche, die damit aufgehört hat, Glasperlenspielerin sein zu wollen und die nicht mehr gern von unsagbaren Dingen redet (ohne dabei zu vergessen, dass dieselben eigentlich unsagbar sind und rechterdings nur gefeiert werden können), eine solche „Kirche“ wird der Volkssolidarität immer ähnlicher und sich eines Tages auch nicht mehr von den Giordano-Bruno-Leuten unterscheiden lassen. Die Menschen wollen gar nicht nur Niedrigschwelliges, sondern - im Gegenteil: Sie wollen, dass es das Höhere gibt, und dass sich genau dafür! jemand verantwortlich fühlt und sie selber davon nicht prinzipiell ausgeschlossen bleiben, bei Bedarf im Elfenbeinturm niederzuknien, mit Glasperlen zu spielen - um Magister Ludi zu werden, wie Joseph Knecht.

Aber auch durch die angesichts des langsam aber sicher sich vollziehenden inneren Zerstörungsprozesses sogar noch stolz brüstenden Kirche - ich meine die von ihr in den letzten Jahrhunderten gewachsene Akzeptanz im Blick auf die entzauberte Welt - und mit der Anbiederung an eine gedankenlose Irgendwie-Modernität wurde das Kind bereits mit dem Bade ausgegossen. Der durchaus nicht unkomplizierte Zusammenhang des Profanen mit dem Heiligen wurde kurzerhand aufgekündigt, weil man sich des Heiligen zu schämen begonnen hatte. Nun, - die Welt hat sich zu helfen gewusst und ist mit ihrer unbestimmten Glasperlenspiel-Sehnsucht aus den Kirchenbüchern in die Kinderbücher ausgewichen. Ein Blick in die entsprechenden Regale der Buchhandlungen belehrt rasch: Dort gibt es kaum noch etwas Zeitgenössisches, was nicht mit magischen Hexen, Elfen, Zauberei, sprechenden Tieren und dergleichen daher kommt!

Sonderbar ist - sobald die Kirche anfängt, von derlei Dingen ernsthaft zu erzählen (wie es in den ersten 1800 Jahren ihrer Geschichte selbstverständlich gewesen war), rümpfen die Leute die Nase. Woher das kommt? Ich vermute, weil man irgendwie merkt, dass die Kirche ihrem eigenen Theorierahmen mehr misstraut als ihn schätzt, ihn inhaltlich nicht mehr füllen kann und deshalb nicht mehr zu füllen wagt - stattdessen aber lieber irgendwelche Alltagspolitik bekämpft oder unterstützt (je nachdem), was aber beides genuin eigentlich nicht ihre Aufgabe ist. Wer das „Perlenspiel mit ewigen Dingen” als zu gering ansieht und sich seines Platzes im Elfenbeinturm schämt, der verfällt der Unart, auch anderen die Armseligkeit des Agnostizismus, zu dem man selber abgestürzt ist, als etwas Wertvolles verkaufen zu wollen.

Die Lösung? Anstatt immer zu fragen, „wie oder was müssen wir als Kirche tun, damit wir die Leute kriegen“ (diese Formulierung kann man leider nicht selten hören), sollten wir andersherum einmal fragen, „was müssten wir tun, damit die Leute nix mit uns zu tun haben wollen.“  Und genau das! müsste man dann unterlassen. Da wird viel Platz … Zum Beispiel die Lebenszeit, in der man andere politisch belehrte, moralisch diffamierte und in nicht mehr zu überbietender Maßlosigkeit um das Götzenvieh geschlechtergerechter und politisch korrekter Sprache kreiselte, - diese Zeit stünde dann wieder für anspruchsvolle Glasperlenspiele zur Verfügung.

„Nichts ist doch notwendiger, den Menschen vor Augen zu stellen, als gewisse Dinge, deren Existenz weder beweisbar noch wahrscheinlich ist, welche aber eben dadurch, dass ... gewissenhafte Menschen sie als seiende Dinge behandeln, dem Sein und der Möglichkeit des Geborenwerdens um einen Schritt näher geführt werden.“

Autor:

Matthias Schollmeyer

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