Erik Satie, Novalis
und des Abenmahles göttliche Bedeutung

Der Armenier Alain Antiglou hat Erik Saties nüchterne aber nichts desto trotz weithin bekannte Klavier-Gymnopedie No. 1 in eine romantisch anmutende Orchesterfassung gebracht, die sich sehr, sehr gut anfühlt. Indessen - schon die ursprünglich so absolut auf's Wesentliche reduzierte Pianovariante ist eigentlich unüberbietbar - genauso wie ihr Komponist, dessen o.g. Werk  jetzt vor einhundertfünfunddreißig Jahren fertig gestellt worden war. WIKIPEDIA meldet über Erik Saties wechselhaftes Leben:

"Saties Weg war begleitet von Geldsorgen und den milieubedingten Gefährdungen eines Unterhaltungskünstlers in Cafés und Kabaretts, wo nicht selten die Gage in flüssiger Form „gezahlt“ wurde. Satie starb 1925 an den Folgen des jahrelangen Alkoholmissbrauchs."

Eigene Regieanweisungen für seine Kompositionen lesen sich manchmal drollig: Etwa „wie eine Nachtigall mit Zahnschmerzen“ oder „beinahe unsichtbar“ bzw. „sehr christlich.“ Mit das Bekannteste aber ist eben Gymnopedie No. 1, die ich bewusst zum ersten Mal im Jahr 1992 von einer der drei Orgeln in Saint-Paul zu Straßburg während einer Eucharistiefeier erlebt habe. Inzwischen hört man das Stück manchmal auch in Fahrstühlen - oder in nachdenklich machenden Filmen. Die Gymnopedie No. 1 transzendiert nämlich alles nach wenigen Sekunden sofort und verwandelt beim Hören Raum in Zeit - und Zeit zu Raum. Damit erzeugt sie aus Wenigem irgendwie die Unendlichkeit des Sinns - und genau das passt zu jener Transmutation, welche die Feier der Eucharistie oder des Abendmahles intendiert. Das ruhige Schreiten der Zelebranten im Kreis der Wartenden und das ruhige Warten der Kommunikanten auf Korb und Kelch in einem großen Zirkel, der sich um den Altar versammelt hat.

Es ist ja eine interessante und nach wie vor gar nicht zu beantwortende Frage, ob während der Austeilung der Elemente Stille zu hören sein soll - oder irgendeine Musik. Die Gymnopedie No. 1 ist beides. Wer die hört, ist sowohl noch hier, als bereits auch schon wieder in der Zeit der Antike, an welche Epoche Satie diese Komposition anzulehnen gedachte. Eine besondere Musik, von der der Komponist behauptete, sie sei gar keine, sondern sei eigentlich "nur" wie ein Möbel, das sich in einen bestimmten Raum harmonisch einpasse (eben wie ein gut ausgesuchtes Möbelstück sich so verhält). Die Gymnopedie No. 1 ist beides: Stille und Wohllaut. Sie  minimiert das Blutige des karfreitäglichen Opfermahls ins Unblutige - und potenziert das alltägliche Mahl bis hinauf zu einem gemeinsamen Symposium mit der Schar der unsichtbaren Diener Gottes, den Engeln.

Nun - eucharistische Frömmigkeit ist für gar nicht so wenige unter uns inzwischen von geringer werdender Bedeutung. Leider. Wie konnte es nur soweit kommen? Viele bevorzugen eher nur noch das lehr- und predigthafte Moment der Mutter Kirche, bzw. ihre politikkonformen Kampagnen oder niedrigschwelligen Angebote für alle und jeden, auf die manche heute so stolz sind - andere dagegen sich nur noch fremdschämen. Das Mysterium als Zentrum der Kirche lag bekanntlich immer in der Feier des Abendmahles - oder mit einem anderen Begriff gesprochen - der Eucharistie. Und genau dafür wirkt Erik Saties Stück wie ein fernes Echo vom Ur-Gottesdienst himmlischer Harmonien, die unsere Feiern abzubilden versuchen. Gar nicht so selten spüren wir auch, das es gelingen durfte.

Satie hat noch mehr sakrale Sachen geschrieben. Zum Beispiel eine Messe für arme Leute. Und wer Schwierigkeiten mit dem Sakrament des Altars hat, dem sei an dieser Stelle der Text von Novalis erinnert:

"Hätten die Nüchternen / Einmal gekostet, / Alles verließen sie, / Und setzten sich zu uns / An den Tisch der Sehnsucht, / Der nie leer wird. / Sie erkannten der Liebe / Unendliche Fülle, / Und priesen die Nahrung / Von Leib und Blut."

Fischer-Dieskau singt es unnachahmlich - hier ab Minute 4:48 ...

Autor:

Matthias Schollmeyer

Webseite von Matthias Schollmeyer
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