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Stefan George zum 155.
Geburtstag

Stefan George (1868 - 1933)

12. Juli - Stefan George hat Geburtstag. Man mag ihn und seinen Kreis mögen oder nicht - auf jeden Fall ist das Gedicht „DER FÜRST DES GEZIEFERS” aus dem Jahr 1907 immer wieder einer nachdenklichen Betrachtung wert. Bei der Beurteilung sich oft aufgeklärt, stolz und postmodern gebender Gesellschafts(de)konstruktion, die so oder so mit allerlei Heils- bzw. Unheilsversprechen um die Ecke kommen, ist der konservative George wirklich hilfreich. Auch Dietrich Bonhoeffer soll das Gedicht vom „Widerchristen” gekannt und in seinen theologischen Überlegungen zu seinem geplanten Ethikbuch verwandt haben. George geht es darum zu entdecken, wie auf den ausgeleerten Thron des wahren Christus sich diffuse Kräfte mogeln, die unter dem Anschein, der Auferstandene zu sein, viel Volk lachend in die Katastrophe laufen lassen. Das ist ja auch der Sinn des archaischen Bildes vom Anti- oder Widerchrist und damit zugleich auch die Warnung vor ihm. Wer sind aber denn die, welche Freude an der Zerstörung der guten Schöpfungsordnungen haben? Zuerst das Gedicht1, dann ein wenig Interpretation:

Dort kommt er vom Berge • dort steht er im Hain!
Wir sahen es selber • er wandelt in Wein
das Wasser und spricht mit den Toten:

„O könntet ihr hören mein Lachen bei Nacht:
Nun schlug meine Stunde • nun füllt sich das Garn •
Nun strömen die Fische zum Hamen.

Die Weisen, die Toren - toll wälzt sich das Volk •
Entwurzelt die Bäume • zerklittert das Korn •
Macht Bahn für den Zug des Erstandnen.

Kein Werk ist des Himmels, das ich euch nicht tu.
Ein Haarbreit nur fehlt • und ihr merkt nicht den Trug
mit euren geschlagenen Sinnen.

Ich schaff euch für alles, was selten und schwer,
das Leichte • ein Ding das wie Gold ist aus Lehm •
Wie Duft ist und Saft ist und Würze -

Und was sich der grosse Prophet nicht getraut:
Die Kunst ohne Roden und Säen und Baun
zu saugen gespeicherte Kräfte.

Der Fürst des Geziefers verbreitet sein Reich •
Kein Schatz der ihm mangelt • kein Glück das ihm weicht -
zu Grund mit dem Rest der Empörer!

Ihr jauchzet • entzückt von dem teuflischen Schein •
Verprasset was blieb von dem früheren Seim.
Und fühlt erst die Not vor dem Ende.

Dann hängt ihr die Zunge am trocknenden Trog •
Irrt ratlos wie Vieh durch den brennenden Hof…
Und schrecklich erschallt die Posaune.”

Jetzt die Interpretation. Beziehungsweise - was muss man klare Dichterworte noch weiter verdeutlichen? Sie erklären sich ja fast von selbst. Vor 116 Jahren geschrieben, zeigt sich relativ klar, wie die Initialzündung dafür, dass das Säkulare damit begonnen hatte, die Sphäre des Religiösen für sich zu gebrauchen, zu verbrauchen und damit zu missbrauchen, bereits lange Jahre zurückliegt. Die Masse der Menschen wird mit dem Bild der Fische beschrieben, die unweigerlich ins Netz treiben, weil ihr Schwarm es so will. Unvermeidlich folgt darauf auch die bekannte Analogie von der Herde - hier sogar der Viehherde, die auf dem brennenden Hof nicht mehr ein und aus weiß - weil sie sich hat verführen lassen. Es sind immer die Vielen, die irgendjemandem ins Netz gehen. Und es sind die wenig Einzelnen, die das Verhängnis zu benennen sich getrauen. Und sie zahlen einen hohen Preis dafür. Danke ...

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1)die Schreibweise Georges in Kleinbuchsatebn wurde nicht beibehalten

Autor:

Matthias Schollmeyer

Webseite von Matthias Schollmeyer
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