zum Sonntag Jubilate
die Werke des Schöpfers

William Blake - der Weltschöpfer bei der Arbeit

"Am ersten Tag rief er das Licht ins Leuchten,
am zweiten die Idee vom Unterschied.
Am dritten Tage wollte er befeuchten

die trockne Erde, dass sie fürder mied
den Prall der Wogen und die feuchten Fluten -
und Ufer bilde gegen Moor und Ried.

Zum Vierten zündet er der Sterne Gluten
samt allem, was am Sphärenhimmel wohnt.
Zwei große Lichter, als man nennt die guten

und jedes Kindlein kennt als Sonn’ und Mond.
Zum Fünften spendet Gott für Meer und Lüfte
das Ei der Null, des Zahlenwert kaum lohnt.

Und doch entstammt aus seiner leeren Hüfte
das Vogelküken und der nasse Fisch.
Wo dieser taucht in Höhlen ab und Grüfte,

singt jener uns vom grünen Zweige frisch.
Die Fische drunten und die Vögel oben -
hier stilles Lob, dort Lieder - welch Gemisch!

So ward der Tiefe Höhe unterschoben,
und Schweigen einer Melodie verwoben …

Dass er am Ziele selber noch erscheine,
bereitete sich Gott ein Ebenbild.
Nicht aber kam der Mensch von ganz alleine,

erst trat hervor das Tier, friedfertig - wild.
Aus Oceanos dunkel tiefen Gründen
erkämpft es tapfer sich das Erdgefild.

Wurm, Assel, Krebs, die Biene in den Linden,
die Maus, die Ratte, Iltis, Marder, Hund,
Rind, Reh, Schaf, Hirsch und Ziegen wirst du finden,

Schwein, Löwe, Tiger und der Wölfe Bund.
Den Weg ins Leben nimmt die Käferbande -
ein jegliches nach eigner Art und Stund.

Dann, bei des sechsten Tages rotem Rande,
haucht Gott dem Lehmkloß eignen Atem ein -
so kam das kluge Tier, der Mensch, zustande.

‚Vermehre dich! Mein Gärtner sollst du sein!‘
So sprach er stolz, dann trat er aus dem Wege -
damit im Menschenkind sein Bild erschein.

Dass dieses nun die Schöpfung weiter hege,
nahm Gott sein Werk betrachtend jetzt in Pflege:

Der siebte Tag drang auf - ein neuer Morgen.
Die Pracht der Welt erglänzt in frischem Tau.
Der Schöpfer sprach zum Menschen: ‚Ohne Sorgen

entfalte euch die Welt sich gleich dem Pfau:
Von seiner Farben Prangen dürft ihr nehmen -
Rot, Lila, Gelb, Orange, Grün und Blau.

Spielt mir im Garten, ohne euch zu schämen!
Und breitet eure Arme aus im Licht -
kein Kummer möge euch die Sinne lähmen,

da ihr mir wendet zu das Angesicht.
Als Gottesbilder fanget an zu wandeln,
wenn meine Sonn' das Grau der Wolken bricht.’

Der Sabbat“, sprach mein Engel, „soll verwandeln
die Mühe eurer Jahre in ein Spiel.
Die Arbeit soll den Festtag nicht verschandeln,

Betrachtung sei der Feier höchstes Ziel.
Im Garten wandelt Gott - spricht mit den Tieren
und jeder Frucht, die aus den Bäumen fiel.

Weil euch sein Fest erhob von allen Vieren,
geht nun im Garten aufrecht und spazieren.“

Autor:

Matthias Schollmeyer

Webseite von Matthias Schollmeyer
following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

15 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.