Brüsewitz - vor 47 Jahren
Ballade von der Auffahrt im Feuer

Vogel Phoinix
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Als Gott, der HERR, die Engel eingeladen,
naht sich auch jener, der die Welt verklagte:
Fürst ekler Fliegen und geblähter Maden -

stand frech am Thron des Ewigen. Und wagte,
die Stirn dem Alten darzubieten. Dann
- die Schar der Engel zittert, als er's sagte -

rief Satan: „Gib mir Antwort, Schöpfer! Wann
beendest du die Welt. In wieviel Jahren?“
Auf seinem Sitze Gott sich kurz besann:

„Willst töricht du erneut mit mir verfahren?“
Für seine Engel aber stellt er klar:
“Ich darf ihm die Blamage nicht ersparen -

er war und bleibt für alle Zeit Barbar.
Die Welt jedoch ist gut - ich schwör darauf.
Mein Wort wirkt Trost auf Erden - immerdar.“

Doch Satan warf sich auf zu neuem Lauf:
Der Böse ruft „Nicht einen einzgen Tag.
Vergessen lungert es zum Ausverkauf.“

„Du irrst“ spricht zu ihm Gott. „Ein jeder mag
mein Lebenswort, erschaffen nur aus Freude.
Kennst meinen Knecht du, dem bisher oblag,

dafür zu sorgen, dass mir fromm die Leute?
Kennst du den Prediger im Zeitzer Lande?
Nie sah ich einen wackern Mann bis heute,

ihn schreckt nicht einmal Stalins böse Bande.“
Laut lachte Satan da und mit Grimassen:
„Er wird dich bringen, wette ich, in Schande!“

Und Gott zu Satan sprach - wer kann es fassen:
„So sei mein Oskar dein. Für Nächt‘ und Tage,
ich will den Glauben an ihn nimmer lassen,

und stell den Mann in Hiobs alte Sage:
Reiss bei den Haaren ihn, streu Diamanten:
Doch steh' am Ende ehrlich an der Waage:

Hat Oskar dann bei siebzig Konfirmanden,
fahr du für alle Zeit hinab zur Hölle,
wo je die Bösen ihre Walstatt fanden

und ohne Widerspruch gleich auf die Schnelle.”
Da bot der Herr der Fliegen seine Pranke
dem Pantokrator keck und auf der Stelle.

Und grunzt: „Die Wette gilt!“ Es bebt die Planke
der Himmelsfeste seines Grunzens wegen.
Auch Gott reicht seine Rechte durch die Schranke

und schwor: „Es sei! Bei meines Namens Segen
will ich in deine meine Hand hier legen.

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Einst, als die Leugner Gottes
und tückischen Bürokraten
Hand anzulegen begannen,
ostdeutsch unschuldige Kindlein
mit Hass gen Westen zu lenken
im Unterricht ihrer Schulen,
gab es nicht wenige, die das bedrückte.

Flugblätter wurden gemalt,
Plakate hat man gestaltet
und manche Aktionen ersonnen:
In Kirchen und Betsälen fanden
sich ein, die dem Staat widerstanden,
- dem gottlos gewordenen Moloch -
durch mutigen Glauben an Christus, den HERRN.

Unter ihnen auch Oskar
- Pfarrherr ward er erst später -
als Schuster, wie Böhme in Görlitz,
verdiente er früher sein Brot.
Die Botschaft von Christus, dem Gotte,
dem freundlichen Mann auf Sandalen,
berührt ihn im Grund seiner kindlichen Seele.

Oskars Vater - wer kannt ihn?
Brüsewitz heißen die Ahnen.
Wie auch schon Jesus, für den er
- Oskar - zeitlebens stürmte,
auch keinen Vater benannte,
schweigen beharrlich die Akten
zum Vorfahrn des Schuhmachermeisters aus Zeitz.

Im Memelland wird er geboren
am Ende des Monats, der Blüten
und Blumen in Fülle hervorbringt.
Donnerstag war es und Gott
ging grad im Garten spazieren.
Neunzehnundneunundzwanzig
zeigt der Kalender dem forschenden Blick.

Ach, – mit dem Vaterland geht es
bergab. Und die Schmach von Verdun
belastet die Seele des Landes.
Ein schlimmerer Krieg bald wird wüten -
länger noch, als der erste.
Schon rückt es heran, noch eben
war doch die Feier der Konfirmation?

Das liebliche Fest für die alles
erwartende Jugend. Weißblau
gekleidet schritten sie folgsam
dort aus der Kirche ins Licht
des Morgens am Flüsschens zum Meer hin.
Der Knabe, flieht vor dem Kriege;
gefangen wird er und dient kurz im Heer.

Desertiert, wird verhaftet - und kommt
wieder frei. Wie vielen geht’s ähnlich
und viele verderben im Kriege.
Doch Oskar darf leben. Die Hände
ein Gott wohl hielt über ihn,
denn später soll er Prophet sein.
Elia - zum Himmel in feuriger Flamme.

Er dient seinem Gott, studierte
in Büchern und sitzt beim Katheder.
Er predigt und lehrt und er tauft.
Vermählt und beerdigt, verwaltet.
Besucht und baut an der Kirche,
Er geißelt das Böse. Bis er
verzweifelt an sich, an den Menschen. Und Gott?

Dann kommt ein Tag wohl im Monat
August. Mit Jupiter wechselt
Selene das Zeichen - und schwenkte
ein in das nämliche, das auch
den Schiffsbug schmückte, als Paulus
zur Reise aufbrach nach Malta.
Oskars Reise langt weiter. Sie führt ihn -

bis hinter die Sterne! Saturn steht
im Löwen, Geselle der Sonne.
Alles ist vorbereitet.
Zwei Kannen trägt der Erwählte.
Sonst bergen sie nährenden Milchtrank,
gereift in den Eutern der Rinder,
lebenserhaltend für Kinder und Greise.

Jetzt aber sind diese Kannen
gefüllt mit schwärzlicherm Safte
gemolken aus Gaias Höhle,
mesopotamischer Urkluft.
Früher - ganz früher - erhob sich 
ein Garten hier, von wo vier Ströme
nach draußen zur Welt sich belebend ergossen.

Schnell ist ein Brief noch geschrieben,
und scheu überreicht mit der Bitte,
zu öffnen den Umschlag am Abend,
wenn alles vorüber … der Inhalt?
Ist knapp und erklärt uns die Reise -
nach Zeitz in die Stadt auf den Marktplatz:
„Honneckers Frevel an Kirche und Kindern!”

Ein Streichholz glimmt auf und es rennt
die Sekunde, es eilt die Minute.
Hoch himmelwärts lecken die Flammen.
Der Pfarrer brennt. Und er schreit.
Zum Hochfest Mariens dann endlich
stirbt Oskar. Bewacht von den Ärzten,
von Spitzeln, Engeln. Und von Gebeten.

Myriaden von Engeln
tragen Oskarn die Schleppe.
Den schwarzen Talar Friedrich Wilhelms.
Des Preußenkönigs Edikt
befahl achtzehnelf die Rabbiner,
Pfarrer und Richter in Kittel,
wenn sie dem Volke verkünden das Wort.

Verkohlt ist das Kleid. Und ein Duft
von MINOL erfüllet die Hallen,
die himmlischen, wo wir nun stehen.
Alle atmen tief durch.
Denn das hier roch man nur selten -
Honig, Ambrosia, Würzwein
und Weihrauch fächeln den Schleimhäuten sonst.

Dann langt er an, der Verbrannte.
Grünende Blätter in Händen
stehen zehntausen Millionen
verklärt und erlöst froher Seelen.
Sie bilden Spalier und begrüßen
den Kömmling. Und leise verströmt sich
Gesang. Palästrina aus Kehlen von Knaben.

„Gott sagt dazu nichts! Auch Luthern
lobte er nie!“ raunt dein Engel
dir leise ans Ohr. An der Schulter
die silbergeflochtenen Achseln
mit goldenen Sternchen und flüstert
Latein. Du fragst ihn erstaunt:
„Gott sagt dazu nichts?“

Da wispert der Engel: „Nie kannte
er Zorn. Doch verbeißt sich das Lachen!“
Bebend kniet Brüsewitz nieder.
Empfängt nun die Krone des Lebens.
Gott wischt den Ruß und die Tränen
ab von den Wangen des Siegers.
Mit eigener Hand, wie die Schrift es bezeugt hat.

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Am Tag, als Oskar Brüsewitz verstorben,
trat neu vor Gott ein jeder Himmelssohn.
Stolz trug die Harfen man, im Laub von Lorben

begrüßt ihr Jubelklang mit frischemTon
ihn, der - geleitet her von Engelscharen -
dem Antichrist entrann, trotz Spott und Hohn.

Seht her, wie alle angetreten waren:
Tertúllian, Montanus und die beiden
Priscilla und Felicitas als Laren,

und solche, die bei Tieren mussten scheiden,
Märtyrer, die von Wägen überfahren,
in des Theaters Rund vor wilden Heiden.

Mauritius und Barbara vom Turme,
und dann in Kleidern, wunderbar goldseiden,
Elisabeth und Margret mit dem Wurme.

Nicht fehlt Maximilianus, der Confessor,
wir sehen Polycarp aus schlimmstem Sturme,
und Michael Servet (in Genf Professor),

Phillip Melanchthon, Luther sind zugegen.
Mutter Theresa lächelt aus dem Tuch -
das seien keine Märtyrer? Von wegen!

Hier wird erlaubt nur Besten der Besuch.
So, wie die Jünger Jesu Kleider breiten
auf grauer Straße vor des Esels Huf,

streun alle Leut’ für Oskarn Köstlichkeiten
und rote Rosen aus zu frohem Zweck -
dann sieht zum Throne man denselben schreiten.

Der Böse ist schon da. In einer Eck
hockt er und fürchtet sich - das ist kein Witz.
Gott ruft: „Tritt vor! Verlasse dein Versteck.”

Und zwingt ihn mit dem abgesandtem Blitz.
Noch trotzt der Satan, doch geschleppt zur Bühne,
steht er beschämt im Glanze Gottes. Itzt …

… beugt Michael das Haupt ihm tief zur Sühne.
Und Gott erläutert laut sein Endgericht:
„Es sind nicht siebzig Konfirmanden kühne,

Vielhunderttausend zähl, du Bösewicht.“
Hart schlägt die große Zahl ihm an die Ohren:
Vielhunderttausendmal in’s Angesicht.

„Du hast die Wette abermals verloren,
wie schon bei Hiob, den mit List du mir,
wegführen wolltest von den Himmelstoren -

Lucifer, heb dich fort von meiner Tür -
ich werd den Brüsewitz statt deiner wählen
zum ernsten Fackelträger für und für.

Den Mann soll keiner mir in Zukunft quälen
Ach, - gäb’ es mehr von diesen treuen Seelen …”

Vogel Phoinix
Oskar Brüsewitz (* 30. Mai 1929 in Willkischken, Memelland; † 22. August 1976 in Halle an der Saale)
Autor:

Matthias Schollmeyer

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