unter die Sterne versetzt
Bendikt XVI.

Nun hat er sich auf jene Reise gemacht, welche bis unter die Sterne führt und hinter denen gemäß der Hymnen Schillers ein „Guter Vater” wohnen muss. Benedikt XVI. - ein richtiger Papst, der die Kirche geliebt hat und noch mehr ihre Theologie. Wir verdanken ihm vollendete Bücher, wichtige Entscheidungen und ehrliche Reden nicht nur in Regensburg und im Berliner Bundestag. Ob ihn dort freilich alle haben verstehen wollen - oder können - ist an dieser Stelle zweitrangig. Wichtig war, dass wenigstens einer sagte, was die Wahrheit ist. Und zwar nicht nur die Wahrheit von heute, sondern die Wahrheit von gestern und deshalb auch von morgen. Das ist das Amt des Bischofs von Rom, der das Joch der Einheit der Weltkirche schleppen muss, ähnlich wie Jesus das Kreuz.

Benedikts großes Jesusbuch geht im ersten Band mit der Frage an: „WOHER BIST DU?” Bücherschreiben ist die Fortsetzung des Glücks mit anderen Mitteln.  Die Welt, die Gott einst geschaffen hatte, im Buche nach zu komponieren, das ist wahrlich ein Vergnügen. Benedikt wusste viel zu schreiben. Noch mehr wusste er auch, dass um jenes alles, was wir sehen und beschreiben können und fühlen müssen - woran unser Körper schließlich sich irgendwann „zu Grunde beugen muss”, eine Welt guter Mächte webt und atmet, die uns bergen wollen und nach Hause bringen möchten. Für dieses „Zu Hause” nutzen wir gern das Bild des Horizonts. Dahinter vermuten und glauben wir ein Mehr und ein Weiteres, welches zugleich das völlig und ganz Andere ist.

Joseph Ratzinger wurde am 16. April 1927 geboren. Das war ein Samstag wie der heutige, an dem er den Staub dieser allzuirdisch gewordenen Welt von seinen Sandalen abgeschüttelt und sich nach dahin aufgemacht hat, wo die Lieder nicht mehr falsch klingen und auch die schlimmsten Dinge einmal werden zurecht gebracht worden sein. Gerade als hier jenseits der unsere Konfessionswelten trennenden Alpen das Sonnenrad aus den Nebeln hervor rollte und die Temperaturen südlich anstiegen. Diese Gelegenheit hat er für den Wechsel genutzt: 

„Wohin sind die Tage Tobiae, da der Strahlendsten einer stand an der einfachen Haustür, zur Reise ein wenig verkleidet und schon nicht mehr furchtbar - Jüngling dem Jüngling - wie er neugierig hinaussah”  

dichtet Rilke in seiner zweiten Elegie und meint damit den Erzengel Raphael, der Tobias und alle weit reisenden jungen wie alten Knaben an ihr Ziel begleitet. Die Sonne war seit zwei Stunden unterwegs und in ihrem Schein verborgen standen die Abend- bzw. Morgensterne Merkur und Venus am Aszendenten. Den Himmelszenit ganz oben bedeckte das Bild des Schützen - Zeichen der Priester und Philosophen - Benedikt war beides.

1927 am Karsamstag geboren - geht er nun am letzten Tag des Jahres 2022 in die Welt, aus der er kam. Beide Tage sind Schaltstellen in den Rechnungsbüchern der Menschen. Einmal für die Heilsgeschichte zwischen Karfreitag und Ostersonntag. Zum anderen jener seltsame Augenblick zwischen zwei willkürlich gezählten Sonnenumläufen. „WOHER KOMMST DU?“ So fragten die Jünger ihren Meister. Und an anderer Stelle fragten sie auch: „WOHIN GEHST DU?” Wir fragen nicht. Denn wir wissen, dass Benedikt aus der Welt des Wissens zu uns kam und in seiner Kirche deshalb lange und ganz zurecht eine zentrale Aufgabe wahrgenommen hat - die Lehre dieser Kirche intellektuell zu verantworten. Wohin er geht - das wissen wir auch. Uns trennen nur Zeit und Ort. In der inhaltlichen „Welt des Sinns von allem Sinn“ bleiben wir fröhlich miteinander verbunden.

Autor:

Matthias Schollmeyer

Webseite von Matthias Schollmeyer
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