Sagt Drei
Gedanken zur Trinitatiszeit

- hochgeladen von Matthias Schollmeyer
„Sagt nicht: Drei“ – so mahnt der Koran in Sure 4,171. Und in dieser Mahnung schon liegt das große Missverständnis, durch das die christliche Lehre mindestens an der wichtigen Stelle ihres Theoriengebäudes vollkommen verfehlt wird. Denn die Kirche sagte nie: Drei Götter, sondern sagte immer: Ein Gott – in dreifacher Weise gegenwärtig. Und die Theologie als Gedächtnis der Kirche hat den Begriff der Dreieinigkeit Gottes nie quantitativ, sondern ontologisch-relational entfaltet, vergleichbar einer sich entfaltenden Blüte, die zur Frucht reift. Warum ist die Trinität Gottes, der wir an den kommenden zwanzig Sonntagen in verschiedenster Hinsicht gedenken, mehr als ein theologisches Zahlenspiel? Die Antwort reicht tief – bis an den Grund allen Seins.
Wenn Gott nur einsam gedacht werden würde, ganz ohne interne Differenzierung, wie im Gegensatz dazu die Trinitätslehre genau das zu denken wagt, wenn Gott also nur ein isoliertes, autarkes Prinzip bliebe, dann wäre er für uns letztlich stumm – selber nur bewegungsloser Erstbeweger, aber nach außen hin ohne denkbare Reaktionen, in denen er sich preisgeben könnte. Wäre ohne ein Gegenüber, dem er sich mitteilt.
Gerade die Gedankenfigur der Trinität aber führt aus: Gott ist in sich selbst (intrinsisch) Beziehung. Gott ist seinem innersten Wesen nach das, was wir mit dem Begriff „Liebe“ zu beschreiben versuchen. Als „Vater“ erzeugt er das Wort als einzigartigen „Sohn“ - und als Geist ist Gott die lebendige Einheit zwischen diesen beiden Polen heilig.
Ein Bild aus der Natur mag uns zu verstehen helfen: Denken wir an das Licht. Es ist durchsichtig – und doch birgt es die Farben des Regenbogens. Im Prisma wird sichtbar, was immer schon enthalten war: Vielfalt in Einheit. So auch Gott: Einer – in sich dadurch die Fülle der Drei (Hegel wird solches später mit den Begriffen Thesis, Antithesis und Synthesis beschreiben).
Nun geschieht das Unerhörte: Der intrinsischen Struktur des innerörtlichen Lebens entspricht ihr Handeln nach Außen. Denn als erhellendes göttliches Licht meldet sich dieses ewige Wort in unserer Geschichte an und wählt sich in dieselbe ein. In Jesus aus Nazareth nimmt Christus als Sohn Gottes und Wort des ewigen Vaters die Gestalt eines einfachen Menschen an. Der unendliche Gott hat sich auf diese Weise unserer begrenzten menschlichen Sprache anheim gegeben –, um die Struktur seiner ewig inneren Mysterien uns mitzuteilen. In diesem Jesus haben die internen Gedanken Gottes für uns Externe ein Gesicht gewonnen. So erklärt die Trinitätslehre, wie Gott in die nichtgöttliche Welt wirken kann, ohne dabei die Göttlichkeit zu verlieren bzw. die Welt zu vergöttlichen. Das interne göttliche Leben ermöglicht dem Menschen aber, vermittels der möglichen Strukturentsprechung an ihm teilzuhaben.
Wer nämlich im selber gewollten Glauben das Wort Gottes hören will und hörend bei sich aufnimmt wie einen Obdach suchenden Gast, der durch die Zeiten irrt, der ist hineingenommen in das interne göttliche Leben, das zwischen den drei trinitarischen Personen innerhalb Gottes „stattfindet“. Der Heilige Geist, der als dritte göttliche Person zu denken wäre, öffnet dem Glaubenden Herz, Sinn und Verstand, so dass man in diesem Fall nicht bloß Hörer des Wortes bleibt, sondern Mitdenker desselben wird, weil Vater und Sohn bei einem solchen ihr Zelt aufschlagen
Die frühen Väter der Kirche nannten diesen Zusammenhang Gnosis (geistliche Erkenntnis) als Teilnahme am Wissen Gottes um sich selbst. Diese berechtigte Form der Gnosis ist die geheiligte Neugier des Glaubens.
Nein, das Denken Gottes ist also keine Bedrohung für unseren schlichten Kinder-Glauben, sondern ja - dieses Denken ist eigentlich seine Erfüllung. Und wer denkt, wie gedacht wird, dass sich Gott in sich selbst denke, der liebt auch ähnlich, wie Gott liebt.
Die Trinitätslehre ist also keine alberne theologische Rechenaufgabe bzw. autoritäre Rechthaberei, sondern sie versucht, die Struktur einer inneren Lebensform zu beschreiben, die sich nach Außen wenden kann, weil sie es will: Der Vater ruft. Der Sohn spricht. Der Geist vollendet.
Sagen wir also nicht: „Drei“ – als quantitative Zählung. Reden wir von der inneren Qualitas Trinitatis Dei – einer inneren Qualität als Geheimnis göttlicher Selbstbeziehung. Und freuen wir uns daran, wie dadurch seine Zuwendung nach außen in Richtung seiner Schöpfung hin - ein wenig mehr in den Fokus der spekulativ möglichen Denkbarkeit gerät, kraft derer wir erkennen, dass wir wegen der Gnade eines Unbekannten leben ...
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