Im Notfall die soziale Isolation

Foto: epd-bild

Ex-Bürgermeister über seine veränderte Sichtweise im Umgang mit Rechtsextremisten

Von Susann Salzmann

Zu oft sei er zu »weich« gewesen. Zu lange habe er in den Menschen das Gute gesucht. Zu lange habe Markus Nierth versucht, Menschen auf einen Weg jenseits des rechten Gedankengutes zu führen. Nierth, der Ex-Bürgermeister von Tröglitz (Kirchenkreis Naumburg-Zeitz), der im Zuge der Eskalation des Fremdenhasses in seinem Heimatort den Posten des Ortschefs abgegeben hat, ist studierter Theologe und arbeitet jahrelang bereits als hauptamtlicher Trauerredner.
Bedingt durch seine Tätigkeit habe der in Schraplau (Kirchenkreis Merseburg) aufgewachsene Mann zahlreiche Lebensläufe kennengelernt. Nierths Credo und persönlicher Antrieb dabei: In jedem Menschen die positiven Seiten zu sehen, zu suchen und/oder denjenigen von der »schiefen Bahn« durch menschlich-emotionale Zuwendung wieder auf die richtige Bahn zu lenken. So dachte und verhielt sich der Tröglitzer auch in seiner letzten Zeit als Bürgermeister, als er sich verstärkt mit rechtspopulistischen Gedanken in den Köpfen der Menschen um ihn herum konfrontiert sah. Zugehen statt links liegen lassen, lautete noch 2015 seine Maxime, die sich inzwischen ins Gegenteil verkehrt hat. Die »Rechten«, wie er formuliert, sollten mit ihren eigenen Waffen geschlagen werden: Einerseits sollte an das »Böse« erinnert werden, das die Rechte zu verantworten habe. Andererseits sollten Mitglieder ignoriert werden. Soziale Ausgrenzung als »Strafe«. Was für manchen nach einer Überreaktion klingt, hat sich Markus Nierth reiflich überlegt. Seine Devise der sozialen Isolation gelte lediglich für diejenigen, »die sich längst für das Böse und damit gegen die Demokratie entschieden haben«, sagt er. Seine resolute Reaktion gilt den Unbelehrbaren, deren radikalen Ansichten sich weder durch noch so viele einfühlsame Gespräche, Faktenargumente und Aufbringen von Verständnis für bestehende Ängste auflösen lassen.
»Ich musste auch erst lernen und begreifen, dass man bei einigen mit Verständnis und Zureden nicht weiter kommt, sondern es Fälle gibt, bei denen es nur hilft, hart Kante zu zeigen«, blickt er zurück. Hart Kante zeigen, sei insbesondere gegenüber einer von drei, von ihm klassifizierten Persönlichkeitstypen notwendig: Nämlich bei den aus Selbsthass gesteuerten Ungehemmten. »Das sind die, die nichts mehr zu verlieren haben«, setzt er erklärend hinzu. Mit seiner anfänglichen Meinung, verhärtete Ideologien durch Zuwendung aufzulösen, kam er hier nicht mehr an, erinnert er sich zurück. Der ehemalige Tröglitzer Bürgermeister unterteilt daneben noch zwischen den hartherzigen Selbstgerechten und den nichtintegrierten deutschen Außenseitern. Gespräche, politische Diskurse jedoch halte er grundsätzlich für lohnenswert.
Bei Kindern sollte immer das Gespräch gesucht werden, um vermeintlichen Klischees den Garaus zu machen. »Und ansonsten lohnt sich das Gespräch mit jedem, der Fragen stellt«, konstatiert er. Hoffnung für jeden, dessen radikale Meinung noch nicht vollkommen unverrückbar ist. Herauszufinden, wann dies der Fall ist, wird zweifelsohne eine Herausforderung sein. Grundsätzliches Ziel müsse die Erziehung des Nachwuchses zu mündigen Bürgern sein, die neben einem genügendem Maß an politischer Bildung auch eine gut ausgeprägte Persönlichkeitsstruktur besitzen.
Trotz seines Rücktrittes im Zusammenhang mit den hochgekochten Konflikten über die geplante Flüchtlingsunterkunft in seinem Heimatort, hat er dem »teuflischen Geist«, wie er rechtspopulistische und rechtsradikale Ansichten benennt, auch weiterhin den Kampf angesagt. Zugleich betont er noch einmal, dass er im Frühjahr 2015 nicht aus Angst vor den Rechten seinen Bürgermeisterposten geräumt habe. Ihm habe – gerade bei den Protestmärschen seitens fremdenfeindlichen Bürgern und NPD-Mitgliedern, die zuletzt auch an seinem Haus vorbeiführten – die Unterstützung durch seine Bürger gefehlt. Nierth selbst spricht vom »emotionalen Schutzraum«, der bedeutender für die aktiven Ehrenamtlichen sei, als allgemeinhin gedacht.

Brandgefährlich – Lesung und Gespräch mit Markus und Susanna Nierth, Stadtbibliothek Zeitz, Michaeliskirchhof 8, Freitag, 8. Dezember, 18 Uhr

Autor:

Adrienne Uebbing

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