Der Glaube an die Auferstehung
Der Glaube an die Widerkunft Christi

Wie verhält es sich mit unserem Glauben, der uns Feste an das Kommen Christi in die Welt zu Weihnachten, an sein Kreuz und seine Auferstehung zu Ostern und an sein mit der Zusage der Geistverleihung verbundenes Gehen aus der Welt zu Himmelfahrt und Pfingsten begehen lässt? Inwiefern ist er noch aktuell? Vergleichen wir diese zentralen Feste unseres christlichen Glaubens mit Ereignissen, die Gegenstand eines berühmt gewordenen Gedankenexperiments von Einstein sind . Wir beziehen uns hier auf das im Zusammenhang mit der Relativitätstheorie verwendete Bild eines an einem Bahndamm vorbeifahrenden Zuges. Deuten wir das Bild für unseren Vergleich. Zu diesen Ereignissen, die das Bild vom Bahnhof vermittelt und woran man bei ihm immer denkt, gehören natürlich die Ankunft und Abfahrt von Zügen. Da sind wir beim Feiern von Weihnachten und Christi Himmelfahrt.  Das Bild fordert, den mit dem technischen Fortschritt, als dessen Symbol ja der Eisenbahnzug anzusehen ist, tragisch verbundenen Tatbestand, dass Züge entgleisen können, nicht zu verschweigen, und zwingt dazu, von den aufopferungsvollen Bergungs- und Rettungsarbeiten zu sprechen, die auf dem leidvollen Technikversagen folgen. Da sind wir bei dem allein unter dem Gedenken des Karfreitags stehenden Feiern von Ostern. Weiterhin enthält das Bild auch den Gedanken einer Rückkehr von Zügen. Da sind wir beim Feiern der Verheißung der Wiederkunft Christi.
Bahnhöfe werden von Menschen jeglicher Art, hochgestellten wie ganz gewöhnlichen, benutzt. Welche Aussage verbindet sich mit unserem Bild für uns als in der Nachfolge Jesu stehende ganz gewöhnliche Menschen? Unser Glaube lebt von der eine Wiederkunft nach sich ziehenden Auferstehung Christi. In ihm wird die Gewissheit der eigenen Auferstehung gewonnen. Wie verhält es sich mit dieser Glaubensgewissheit? Auf diese Frage haben zwar die ersten Christen schon eine klare Antwort erhalten. Sie wurden wegen ihres Glaubens an die Auferstehung eines Gekreuzigten verspottet. Trotzdem soll zu ihr, weil entwicklungsbedingt jede Zeit und jede Generation eine ihr gemäße Formulierung erfordert, etwas dazu ausgeführt werden. Wir erkennen heute vielleicht, dass der Glaube der ersten Christen, obwohl sie mit ihrem Glauben an den Rand der Gesellschaft gedrückt wurden, eine allgemeinmenschliche Basis hatte. Das neutestamentliche Zeugnis macht klar, dass er kein Hirngespinst.war. Er steht zweifellos mit einem Wissen in Zusammenhang. Eine heute in Dialog mit der Philosophie stehende Theologie führt, um diesem Zusammenhang gerecht zu werden, den von ersterer entwickelten Begriff des Bewusstseins in ihre Rede ein. Sie könnte in Bezug auf das Glaubenszeugnis also von einem von Bewusstsein bestimmten geistigen Vorgang sprechen. Indem heute so vom Bewusstseinsbegriff ausgegangen wird, soll auf einen interessanten Zusammenhang aufmerksam gemacht werden. Man kommt in der Philosophie zu der erstaunlichen Erkenntnis, dass Wachheit und Traum in gleicher Weise Zustandsformen eines einheitlichen Bewusstseins sind1. Plötzlich ist da für den Träumenden eine Welt aus dem Nichts (quasi creatio ex nihilo), die mit der Vergangenheit durch Erinnerung verbunden ist, geschaffen. Der Traum fußt aber dabei zugleich auf einem vom Bewusstsein verliehenen Wissen und besteht daher in einer untrüglichen Sicherheit. Er steht also in Bezug auf die Wahrheitsfrage an Überzeugungskraft der Wirklichkeit in nichts nach. Das hat Bedeutung bei der Betrachtung folgender Situation. Wie in jeder Generation, stehen auch die heutigen Menschen in vielen natürlichen und selbstgemachten Beziehungen durch ein Kommen und Gehen zueinander. Der Traum lässt ihre Erinnerung an einen nahe stehenden, lieben Mitmenschen, der weggegangen ist, wach werden. Sie machen im Traum das Erlebnis seiner Gemeinschaft. Dieses Erlebnis ist für sie ganz untrüglich. Wie stehen diese auf allgemeinmenschlicher Basis beruhenden im Traum gemachten Erfahrungen, die viele Fragen aufwerfen, in Beziehung zur Praktizierung unseres Christseins? Sie dürfen für uns Christen keineswegs in Konkurrenz zu den neutestamentlichen Erfahrungsberichten von der Auferstehung Jesu und zu der im Abendmahl verheißenen Gemeinschaft mit ihm treten. Vielmehr sind sie für uns eine Bestätigung deren uneingeschränkten Anspruchs auf Wahrheit. Sie beruhen für uns nicht auf dem Geltungmachen psychischer Phänomene, sondern sind Widerfahrnisse, die ihren Grund in dem Widerfahrnis des Glaubens an die Auferstehung Jesu haben. Aber indem sie sich so verstehen, stützen sie wiederum in seiner Wahrheit den Glauben an die Auferstehung Christi. Behalten wir diese Traumerlebnisse darum nicht für uns, sondern teilen sie einander mit. Die vertretene Glaubensgewissheit ist darum nicht davon befreit, deswegen verspottet zu werden. Aber die Gegensätze heben sich wohl klarer voneinander ab. Mit der Erlangung dieses Ergebnisses aktualisieren sie die Verheißung der Wiederkunft Christi und stärken untereinander den christlichen Glauben.
Bei der Deutung des Bildes vom Bahndamm mit seinem Zugverkehr, bei dem die auf ihm stattfindenden Ereignisse verglichen wurden mit den Höhepunkten der Praktizierung unseres christlichen Lebens, spielte für uns zu Pfingsten die Anführung des Aspekts, der von der Wiederkunft Christi reden lässt, eine besondere Rolle. Der Glaube an sie hat Realitätsbezug. Mit der Entwicklung der Relativitätstheorie ist der neutestamentliche Vorstellungshorizont der Wiederkunft Christi in seiner kosmischen Ausrichtung in den Bereich der Möglichkeit der Erfahrung gerückt. Zugleich mit dem Gewinn, dass die einzelnen Punkte der der Theorie zugrundeliegenden Raumzeit nicht mehr als für sich bestehende Objekte, sondern als Ereignisse eines beobachtenden Subjekts verstanden werden. Setzen wir bei obigem Gedankenexperiment an die Stelle eines Zuges ein Raumschiff mit annähernder Lichtgeschwindigkeit. Mit all den physikalischen Effekten der Zeit- und Raumveränderung schließt der Vorgang einer solchen relativistischen Reise die Rückkehr in unsere Welt ein. Die sich aus der Theorie ergebenden Zusammenhänge lassen aufmerken. Sicher verleiten sie uns auch, sich der Gefahr der Spekulation auszusetzen. Das Entstehen der vielen Literatur beweist es. Aber hilft ihr wissenschaftliches Verständnis uns nicht doch bei der Interpretation neutestamentlicher Inhalte wie dem Ereignis von Christi Himmelfahrt weiter? Lassen wir uns bei seiner Interpretation daher zu neuen Fragen anstoßen. Handelt es sich vielleicht, wenn wir das technische Bild in die Ökonomie des Kirchenjahres und letztlich in die Ökonomie Gottes übersetzen, bei ihm um das Antreten einer Reise, zu deren Plan das Zurückkommen gehört? Man beachte, dass dieses zur Diskussion stehende Verreisen in Jesu Gleichnissen ein Bild für Gottes Handeln ist (Matth. 21, 33-41). Die neben den vielen anderen dabei zu stellende Frage aber, wie sich letztlich die Erfahrung der Wiederkunft Christi mit einem Wahrheitsanspruch verbinden lässt, ob im Traum oder in der Wirklichkeit, scheint von größter Wichtigkeit. Sie wird nur vom pfingstlichen Geist entschieden werden können.

Autor:

Christoph Müller

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