Frauen, Töchter und Mütter

Frauen in drei Lebensphasen, gehalten von Gottes Hand: Das Wandrelief der Bild­hauerin Christine Rammelt-
Hadelich ziert seit 2005 den Eingangsbereich des Marienheims in Dessau, einem Altenpflegeheim der Anhaltischen Diakonissenanstalt: | Foto: Lutz Sebastian
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  • Frauen in drei Lebensphasen, gehalten von Gottes Hand: Das Wandrelief der Bild­hauerin Christine Rammelt-
    Hadelich ziert seit 2005 den Eingangsbereich des Marienheims in Dessau, einem Altenpflegeheim der Anhaltischen Diakonissenanstalt:
  • Foto: Lutz Sebastian
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Generationen im Gespräch: Am 2. März ist Weltgebetstag der Frauen, am 8. März Internationaler Frauentag. Wie wachsen Mädchen heute auf? Wie prägen Mütter ihre Töchter? Hanna (66), Anna (45) und Paula Manser (16) stellten sich diesen Fragen.

Frau Manser, Sie sind Jahrgang 1952. Mit welchem Frauenbild sind Sie aufgewachsen?
Hanna:
Wir waren vier Mädchen. Meine Mutter, Jahrgang 1913, hat sich sehr für Literatur interessiert und war gern Lehrerin. Ihren Beruf hat sie bei der Geburt meiner ältesten Schwester aufgegeben und dann nie wieder beruflich gearbeitet. Manchmal flüsterte sie mir ins Ohr: »Denk dran: immer schön lieb, leise und lächeln!« Obwohl sie sich selbst nicht so angepasst benommen hat.
Sie gewährte mir viele Freiheiten: Ich durfte mit 17 Jahren nach Ungarn trampen. Ihre nonverbale Botschaft war: »Macht was aus eurem Leben.« Unsere Mutter war innerlich rebellischer, als sie das gelebt hat.

Ihr Vater war Pfarrer, war Ihre Mutter eine klassische Pfarrfrau?
Hanna:
Nicht in dem Sinne, dass der Satz fiel: »Ich halte meinem Mann den Rücken frei.« Ich erinnere mich an Streitgespräche. Meine Mutter wollte es nicht, dass sie beim Abendmahl knien sollte. Außerdem quälte es sie, dass unser Religionslehrer den Nationalsozialismus durch seine Kindheit
so verinnerlicht hatte. Sie fand, wir sollten zu diesem Mann lieber nicht zur Christenlehre gehen. Das konnte sich mein Vater als Pfarrer natürlich nicht leisten.
Sie hat uns zu nichts genötigt. Die Stärkung und den Freiheitsdrang durch den Glauben, das habe ich von meiner Mutter.

Anna, Sie sind Jahrgang 1973. Mit welchem Frauenbild sind Sie groß geworden?
Anna:
Meine Mutter hat das Thema viel kämpferischer behandelt als wir. Aber aus ihrer Sicht und ihrer Historie verstehe ich das – ihr Vater war schon patriarchalisch.
Die Gleichberechtigung, Mutsch, war dir so wichtig, die hast du manchmal auf Biegen und Brechen durch-setzen wollen. Und ich habe es eher als was Selbstverständliches übernommen, als etwas Natürliches. Vielleicht hast du uns den Weg etwas ebener
gemacht.

Was wollte sie auf Biegen und Brechen durchsetzen?
Anna:
In Beruf und Erziehung wolltet ihr beide einen möglichst gleichwertigen Raum bekommen. Vater hat voll gearbeitet, du halb …
Hanna: Wir haben uns abgewechselt. Ich habe streckenweise voll gearbeitet.
Anna: Ich habe noch im Ohr, wie ihr im Gespräch wart: »Wenn du, dann ich auch.« Das hieß nicht, dass du nichts mit uns Kindern zu tun haben wolltest, aber es sollte nicht auf Kosten deines Berufs gehen. Das hat mich geprägt. Ich weiß nicht, wie ich wäre ohne diese Wurzeln, du bist wie eine Löwin aufgesprungen für die Rechte der Frauen.

Paula, als Schwester unter zwei Brüdern: Wie ist das Gefüge in Ihrer Familie?
Paula:
Meine Mama hat mir schon gerne Kleider angezogen und ich hatte viele Puppen. Das schon. Aber im Spiel mit meinen Brüdern gab es keine Geschlechterunterschiede.
Anna: Eher war es eine Ehre, ein Mädchen zu sein. Erinnerst du dich an deinen Spruch auf dem Anrufbeantworter: »Marc Manser, Anna Manser, Viktor Manser, Heinrich Manser, Paula Mädchen«?

Ist Emanzipation für die junge Generation ein Thema?
Paula:
Eigentlich nicht. Ein Beispiel aus dem Sportunterricht: Die Jungen haben gerade einen Kraftkreis, die Mädchen tanzen. Wir können aber wechseln, kein Problem. Ich spiele Fußball, früher auch in Jungsmannschaften.
Anna: Das höre ich zum ersten Mal mit dem Kraftkreis. Das finde ich stark. Uns sind in der Schule die Unterschiede deutlich gemacht worden. Auch was Kleidung und Spielzeug betrifft, Rosa für Mädchen, Blau für Jungs, und dass man Jungen keine Puppe schenkt.
Hanna: Mein eindrücklichstes Erlebnis ist die unterschiedliche Einschätzung des Leistungsvermögens. Mutter wollte, dass wir studieren. Vater brachte den Satz: »Ach, Krankenschwester reicht doch auch.« Und später im Studium merkte ich, Frauen werden viel mehr alsMänner über ihr Äußeres eingeschätzt.

Paula: Unter uns Mädchen gibt es diese Bewertungen nicht, zumindest nicht in meinem Freundeskreis. Aber bei Jungs fragt man sich schon, ob es jetzt an Äußerlichkeiten liegt, dass die eine oder andere beliebter ist …

Anna, Sie arbeiten in einer Führungsposition. Was halten Sie von der Frauenquote?
Anna:
In unserem Team sind viele Frauen. Eine Freundin arbeitet als Gleichstellungsbeauftragte und sie spricht von starken Auffälligkeiten, die eine Quote vielleicht lösen würde. Bis zur Promotion ist das Verhältnis der Bewerber pari-pari. Bei Habilitationen viele Männer. Frauen fehlt durch das Kinderkriegen z. B. oft die Auslandserfahrung, die wichtige Publikation etc.

Kinder verändern alles. Was verändern sie in einer Partnerschaft?
Anna:
Im Gegensatz zu meinen Eltern sind wir viel lockerer (mit der Aufgabenverteilung) rangegangen. Wir haben eine viel klassischere Rollenverteilung. Es war aber immer klar, dass ich wieder arbeiten gehe. Mein Mann war sehr stolz, als ich die Leitungsfunktion annahm. Wir haben das Abholen der Kinder am Nachmittag aufgeteilt.Manchmal ist mein Mann, nach meinem Empfinden, zu spät zum Kindergarten gefahren. Aber wir konnten uns immer aufeinander verlassen.
Ich war auch mal drei Wochen zur Kur, allein, ohne die Kinder. Das hat mir mein Mann nie vorgehalten.

Du lachst, Paula?
Paula:
Ja, uns kam es wie drei Jahre vor. Unter drei Männern war es nicht einfach. Ich erinnere mich, dass ich einmal vor Wut und Verzweiflung gebrüllt habe: »Papa kennt sich gar nicht mit kleinen Mädchen aus!«

War es in Ihrer Ehe auch klar, dass beide arbeiten, Hanna?
Hanna:
Ja, das war selbstverständlich. Zu DDR-Zeiten bekam mein Mann einmal eine verlockende Stelle an der Uni Jena angeboten und er fragte, ob es für seine Frau auch eine Stelle gäbe. Da war nichts. Und dann hat er das Angebot abgelehnt. Unsere beiden ältesten Kinder kamen zur Welt, als wir noch studierten. Mit dem Eintritt in die Gemeinde mussten wir aushandeln, wer wann für die Kinder da ist.

Sie haben sich von dem Frauenbild Ihres Vaters emanzipiert, haben studiert, leben in einer gleichberechtigten Partnerschaft, übten einen Beruf aus, der lange Männern vorbehalten war. Dass es auch anders geht, haben Sie als Leitende Pfarrerin bei den Evangelischen Frauen in Mitteldeutschland erfahren, oder?
Hanna:
Ich habe in der Seelsorge oft diesen Fall erlebt: Die Frau ist Katechetin oder Sprechstundenhilfe, der Mann Pfarrer oder Arzt. Solange die Partnerschaft funktioniert, ist das kein Problem. Kommt es zur Trennung, offenbart sich ein Ungleichgewicht: Diese Frauen haben wenig verdient, waren oft nur in Teilzeit angestellt, sie sind im Alter nicht gut versorgt.
Ein Meilenstein in unserer Kirche war das Mentoring-Programm. Dort wurden Frauen begleitet und unterstützt, wenn sie Führungsaufgaben übernehmen wollten. Diese jungen Frauen haben das unglaublich dankbar angenommen. Frauen wachsen an Frauenbeziehungen.

Paula, wissen Sie, was Sie einmal beruflich tun möchten?
Paula:
Ich habe einmal in einen Beruf reingeguckt, das war nichts für mich. Ich kann mir bislang auch nicht vorstellen, in einer Führungsposition zu arbeiten. Ich mag es lieber, wenn mir jemand sagt, was zu tun ist, und ich das abarbeiten kann. Ich leite zwar gerade eine Gruppe von jüngeren Konfis. Wir sind vier Kreisleiter und ich bin die, die den Spaß macht.
Anna: Jetzt verkaufst du dich unter Wert. Du leitest den Kreis auch allein, wenn die anderen einmal nicht da sind. Da machst du dir gar nichts draus,
du gehst los und machst es. Und das sage ich nicht nur aus Mutterstolz. Als junge Frau konnte ich mir es übrigens auch nicht vorstellen, ein Team zu
führen.

Mussten Sie gegen Widerstände kämpfen?
Anna:
Nein, aber von alleine wäre keiner auf mich gekommen. Ich glaube, Männern wird es eher angeboten, sie werden angeworben. Stünden Männer und Frauen alle in einer Reihe, würde kein Unterschied gemacht werden. Aber in der Reihe stehen eben viele Männer und wenige Frauen.
Weil ihnen wegen der Baby-Pausen einige Berufserfahrungen fehlen, weil sie keine Lust auf Gerangel und Spielchen haben.
Hanna: In den Gemeindekirchenräten sitzen übrigens mehr Frauen, da müssen wir auf eine Männerquote achten. Frauen sammeln meist die Kollekte, Männer übernehmen eher die Lesung.Was ich rate: Frauen, tut euch zusammen. Nicht in dem kämpferischen Sinn mit gereckter Faust. Sondern: Schaut aufeinander, lernt voneinander, ermutigt euch. Und seid nicht eifersüchtig.

Anna: Neid ist nichts Frauentypisches, auch wenn es bei Frauen Stutenbissigkeit heißt.
Paula: Unter Mädchen gibt es aber nicht diese Machtstreitigkeiten wie bei Jungs. Wer ist der Anführer, wer hat die meisten Muskeln, wer kann was am besten.

Was muss sich für die Frauen heute ändern?
Hanna:
Leider sind die typischen Frauenberufe noch immer weniger anerkannt und schlechter bezahlt. Frauen dürfen sich mehr zutrauen, mehr fordern, beruflich und in der Gemeinde.

An die beiden Älteren: Was geben Sie Ihrer Enkelin und Tochter mit auf ihren Weg?
Anna:
Ich hätte nie das Geschlecht wechseln wollen. Ich empfinde es als ein Glück, eine Frau zu sein.
Paula: In unserer Familie ist das nicht die schlechteste Wahl. (Alle lachen)
Hanna: Schwanger zu sein und Kinder zu gebären, ist ein Wunder. Das
Gespür, das ich dadurch bekommen habe, wie verletzlich und kostbar das Leben ist. Dass du das in aller Fülle erfährst, das wünsche ich mir für dich, Paula.

Die Fragen stellte Katja Schmidtke.

Frauen in drei Lebensphasen, gehalten von Gottes Hand: Das Wandrelief der Bild­hauerin Christine Rammelt-
Hadelich ziert seit 2005 den Eingangsbereich des Marienheims in Dessau, einem Altenpflegeheim der Anhaltischen Diakonissenanstalt: | Foto: Lutz Sebastian
Drei Generationen an einem Tisch: Die 16-jährige Paula Manser besucht die zehnte Klasse eines Gymnasiums 
in Halle, Diplom-Pädagogin Anna Manser leitet das Schirm-Projekt, eine soziale Einrichtung in Halle, und ist für 
60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verantwortlich, Pfarrerin i. R. Hanna Manser arbeitete als Gemeindepfarrerin, 
als Leitende Pfarrerin der Evangelischen Frauen in Mitteldeutschland und im Lothar-Kreyssig-Ökumenezentrum. | Foto: Katja Schmidtke
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