Umbau Augustinerkirche Erfurt
Zum Umbau der Augustinerkirche Erfurt

Visualisierung | Foto: Schoener und Partner

Alle, die für den Umbau streiten, sind aktiv im kirchlichen Leben und mit der Augustinerkirche verbunden und wünschen sich eine „lebendige“, helle und gut nutzbare Kirche. Und neigen deshalb dazu, den Bedenken der kritischen Fachleute entgegenzutreten als Versuch, den herbeigesehnten Umbau zu verhindern. Das erklärt vielleicht auch die Verhärtung, die meiner Beobachtung nach da schon eingetreten ist und auch schon polemische Artikel hervorgebracht hat.
Leider schütten sie dabei das Kind mit dem Bade aus. Die Ergebnisse des Umbaus der Kaufmännerkirche in Erfurt sollten ihnen eine Mahnung sein. Dort ist eine helle und nutzbare Kirche daraus geworden, aber die akustischen Probleme sind nur ganz schwer beherrschbar, die eingebaute Heizung erfüllt nicht die Erwartungen und verursacht hohe laufende Kosten.
Der Architekt Theo Kellner, von dem die jetzige Gestaltung der Kirche aus den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts stammt, hat einen sehr schlichten, fast spartanischen Raum geschaffen, der mittelalterlichen Geist atmet, aber natürlich nicht den Zustand zu Luthers Zeiten wiederherstellt. Der jetzige Zustand ist durchaus praktikabel, wenn auch verbesserungswürdig. Seine ideologische Vergangenheit muss wohl genauer untersucht werden, hat aber für den Wert der Gestaltung keine Bedeutung. Richard Wagners Werke werden ja auch immer wieder aufgeführt…
Das Architekturbüro Schoener und Panzer, Gewinner des 1. Preise im Wettbewerb, listet in seinen Referenzen zwar eine Reihe historischer Bauten auf, aber nur einen einzigen, nicht vergleichbaren Kirchenumbau. Bei den beiden aufgeführten Kirchenbauten handelt es sich um den Umbau einer 1935 erbauten mittelgroßen Kirche zu einem diakonischen Zentrum und dem Neubau eines Gemeindezentrums. Die akustischen, Licht- und Temperatur-Verhältnisse dieser Kirche sind mit denen der gotischen Augustinerkirche nicht vergleichbar. Die zum Wettbewerb eingereichten Visualisierungen (die auch noch immer auf ihrer Webseite und der des Augustinerklosters sind) lassen vermuten, dass sie sich damit nicht (ausreichend) befasst haben:
Die mittelalterlichen Chorfenster erscheinen als sehr helle lichtdurchflutete Flächen mit blasser Farb-Zeichnung, der ganze Raum ist in Licht getaucht. Tatsächlich haben die Buntglasfenster tagsüber bei Sonnenlicht eine tief ausgeprägte Farbigkeit und bei Dunkelheit sind es große schwarze Flächen.
Welche Auswirkungen auf Licht und vor allem Akustik der Einbau der nördlichen Seitenempore und die Abtrennungen unter der Empore mit ihren vorgeblendeten Scherengitter-Holzleisten haben wird, ist meiner Kenntnis nach nicht ausreichend durchdacht worden. Es ist jedenfalls abzusehen, dass die Kirche mit natürlichem Licht nicht mehr, sondern deutlich weniger hell wird. Denn die fünf mit einfachem Glas bestückten gotischen Spitzbogenfenster erhellen im Wesentlichen das Hauptschiff, die zwei Südfenster tragen durch die Südempore über dem Kreuzgang wenig bei. Das Hauptschiff wird sich durch die dämpfende Wirkung der Einbauten akustisch deutlich verändern. Und warum soll eigentlich eine Symmetrie, die nie vorhanden war, hergestellt werden, indem diese Scherengitter auch auf die Südseite angebracht werden?
Das bewegliche Chorpodest erfordert für Choraufführungen auch nicht unerheblichen Aufwand und steht die andere Zeit nur im Wege rum. Ist der Platz auf der Orgelempore, wie es ja oft praktiziert wird, und der zugegeben hohe Aufwand bei den wenigen großen Aufführungen, wo dieser Platz benötigt wird, mit dem vorhandenen Podest nicht auch erreichbar? Zumal man da mit dem Standort flexibel ist und Aufführungen auch vom Hohen Chor aus möglich sind.
Dazu kommen die Auswirkungen der Heizung auf die empfindlichen gotischen Chorfenster, die der bedeutendste bauliche Schatz der Augustinerkirche sind. Restauratoren warnen eindringlich vor den Gefahren, denn sie haben die Ergebnisse der stark gestiegenen Umweltbelastung und den Auswirkungen „zeitgemäßer“ Raumklimaveränderungen auf ihren Arbeitstischen.
Expertise in diesen Fragen ist beim Wettbewerbsgewinner jedenfalls nicht zu erkennen, und die irreführenden Visualisierungen machen mich sehr skeptisch.
Bringen die gut 5 Millionen Umbaukosten wirklich die erhofften Ergebnisse? Bleibt es dabei? Noch immer ist nicht abzusehen, wo sie herkommen sollen.
Auch wenn die Diskussion um den Umbau sich nun schon Jahre hinzieht, die klimatischen, lichttechnischen und akustischen Fragen müssen vorher sauber und mit Experten und ohne Polemik geklärt werden.
Und vielleicht bleibt ja im Ergebnis, dass mit einer Reihe von sinnvollen Veränderungen, aber mit wesentlich weniger Aufwand, ein Großteil der erwünschten Veränderungen erreicht werden kann. Dann haben viel mehr etwas von den 5 Millionen...

Autor:

Matthias Sengewald

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Video einbetten

Es können nur einzelne Videos der jeweiligen Plattformen eingebunden werden, nicht jedoch Playlists, Streams oder Übersichtsseiten.

Abbrechen

Karte einbetten

Abbrechen

Social-Media Link einfügen

Es können nur einzelne Beiträge der jeweiligen Plattformen eingebunden werden, nicht jedoch Übersichtsseiten.

Abbrechen

Code einbetten

Funktionalität des eingebetteten Codes ohne Gewähr. Bitte Einbettungen für Video, Social, Link und Maps mit dem vom System vorgesehenen Einbettungsfuntkionen vornehmen.
Abbrechen

Beitrag oder Bildergalerie einbetten

Abbrechen

Schnappschuss einbetten

Abbrechen

Veranstaltung oder Bildergalerie einbetten

Abbrechen

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.