Sein und Schein
Müntzer-Ausstellung auf Schloss Allstedt

- Eine interaktive Schau zeigt den Reformator Thomas Müntzer als fanatischen Prediger.
- Foto: epd-Bild/Oliver Gierens
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Eine dezentrale Landesausstellung in Sachsen-Anhalt erinnert derzeit an 500 Jahre Bauernkrieg und an Thomas Müntzer. Eine neue Ausstellung auf Schloss Allstedt zeigt das Wirken des Reformators. Sie soll Besucher in das renovierte Schloss locken.
Allstedt (epd). Bauern, die mit Mistgabeln in den Kampf ziehen, rollende Köpfe, aufgespießte Körper: Die Szenen, die den Besuchern der neuen Müntzer-Ausstellung auf Schloss Allstedt geboten werden, sind zum Teil drastisch. Unter dem Titel „Sein und Schein“ zieht ein immersives Erlebnis die Besucher mitten hinein ins Geschehen des Deutschen Bauernkrieges 1524/25.
3D-Animation an einem historischen Ort
Mittels virtueller Realität und einer 3D-Darstellung sind die Besucher mittendrin, wenn der Reformator Thomas Müntzer (um 1489-1525) geradezu fanatische Predigten hält und schließlich bei Frankenhausen in die Schlacht zieht. Am Ende sieht man ihn geköpft und gepfählt auf dem Schlachtfeld. Müntzers Kampf ist verloren, doch die Reformation geht weiter.
Die Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, die das baufällige Schloss vor drei Jahren übernommen hat, zeigt die virtuelle Schau an einem geschichtsträchtigen Ort: Hier, in der Hofstube, hielt Müntzer vermutlich am 13. Juli 1524 seine berühmte „Fürstenpredigt“, in der er die Willkür der geistlichen und weltlichen Obrigkeit anprangerte. Seit dem 501. Jahrestag der Predigt haben Teile der Kernburg nach dreijähriger Schließzeit wieder geöffnet.
Dabei wurde nicht nur die Bausubstanz saniert, sondern auch die Müntzer-Ausstellung völlig neu gestaltet - weg vom Personenkult um den Reformator, der wegen seiner sozialen Forderungen zu DDR-Zeiten als frühbürgerlicher Revolutionär verklärt wurde. Schloss Allstedt will bewusst keine Müntzer-Gedenkstätte sein, erläutert Museumsdirektor Nico Schwerdt, sondern ein authentischer Ort, an dem Müntzer einst gewirkt hat.
"Doctor Lügner" und der "Teufel von Allstedt"
Nur ein Jahr wirkte er hier, doch es war die wichtigste Phase in seinem Leben. Er heiratete, wurde Vater und feierte den ersten Gottesdienst, der komplett in deutscher Sprache gehalten wurde. Seine Schriften ließ er in einer Druckerei auf dem Schloss vervielfältigen. Der erste Teil der Ausstellung zeigt die Lebensgeschichte Müntzers im Zusammenhang mit Schloss und Amt Allstedt. Zu sehen sind etwa polemische Flugblätter, auf denen die „Altgläubigen“ verspottet werden. So kriechen etwa Mönche und Nonnen aus dem Hinterteil des Teufels.
Die Schau ist multimedial und interaktiv angelegt. So können Besucher mit einem Schiebeelement wie in einem Geschichtsmagazin zu verschiedenen Stationen in Müntzers Leben springen. Zu sehen ist auch eine große Truhe, die möglicherweise als „Tetzelkasten“ genutzt wurde: Der Ablasshandel, also der Kauf von Ablassbriefen, mit denen sich Gläubige von Sündenstrafen „freikaufen“ konnten, war ein wesentlicher Antrieb für den Augustinermönch Martin Luther (1483-1546), die Reformation auszurufen.
Doch Müntzer und Luther waren untereinander tief zerstritten. Davon zeugt der zweite Teil der Schau. Vor allem Müntzers Forderungen nach Sozialreformen und die Unterstützung der aufständischen Bauern stießen bei Luther auf Ablehnung. In einer akustischen Collage ist zu hören, wie sich beide auf übelste Weise beschimpfen, etwa als „geistesgestört“ oder „betrunken“. Vom „Doctor Lügner“ ist da ebenso die Rede wie vom „Satan von Allstedt“.
Der Mann vom Fünfmarkschein
Nach Müntzers Tod sorgten seine Gegner dafür, dass er als Negativbeispiel in Erinnerung blieb. Wie Jan Scheunemann, Mitkurator der Ausstellung, erläutert, wurde der Reformator erst im Zuge der Befreiungsbewegungen im 19. Jahrhundert wiederentdeckt. Vor allem die DDR verklärte ihn zum Sozialrevolutionär, der die kommunistische Revolution vorweggenommen habe. Davon erzählt der dritte Teil der Ausstellung. So zierte Müntzers Kopf zu DDR-Zeiten den Fünfmarkschein, der hier in Großaufnahme zu sehen ist.
Die neue Schau soll künftig wieder Besucher in die Kleinstadt im Süden Sachsen-Anhalts locken. Seit 2022 wurden laut Kulturstiftung unter anderem Mauerwerk und Dachbereiche des Schlosses gesichert, historische Bausubstanz dokumentiert sowie Museumsbestände erfasst. Doch bleibt laut Museumsdirektor Schwerdt weiterhin viel zu tun: Rund neun Millionen Euro sollen bis 2032 verbaut werden, um den Bestand des Schlosses zu erhalten.
Autor:Oliver Gierens |
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