Luther geht immer

Wandern auf Luthers Spuren: Unter diesem Motto treffen sich vom 26. bis 31. Juli in der Wartburgregion mehr als 30 000 Wanderer aus ganz Deutschland. Mit dem Reformator hat der 117. Deutsche Wandertag aber wenig am Hut.

Von Mirjam Petermann

Über 20 Kilometer lang ist die Strecke, die Luther bei seiner Entführung auf die Wartburg gegangen sein soll. »Ob es genau auf diesem Weg war, sei mal dahingestellt«, sagt Wanderführer Andreas Matz. Aber denkbar wäre es in jedem Fall. Die Strecke ist die längste der 95 Wanderrouten, die zum Deutschen Wandertag zur Auswahl stehen – die Zahl erinnert nicht zufällig an die 95 Thesen.
Von Schweina führt sie über Steinbach zum Luthergrund, dem vermeintlichen Ausgangspunkt der Entführung. Durch den Nordwesten des Thüringer Waldes geht es weiter zur Wartburg. Andreas Matz ist einer von 270 Wanderführern, die das Großevent Wandertag ermöglichen. Er führt sechs der insgesamt 292 Touren, darunter zwei Mal die Strecke von Luthers Entführung. »Man wird nicht umhinkommen, Luther zu erwähnen«, sagt er. Aber: »Es geht vor allem um das Wandern.«
Dem stimmt auch der Superintendent des Kirchenkreises Eisenach-Gerstungen, Ralf-Peter Fuchs, zu. Das Motto bot sich an, »weil in diesem Jahr alles mit Luther sein muss«, meint er. Viele der Touren folgen tatsächlich den Spuren des Reformators, beispielsweise auf verschiedenen Etappen entlang des Lutherwegs. Von Eisenach nach Möhra, dem Heimatort von Luthers Vater etwa, oder eine kulturgeschichtliche Wanderung von Hörschel zum Eisenacher Lutherhaus. Doch die Mehrzahl der Wanderungen verbindet nicht viel mit dem Reformator.
Eisenach ist nach 1888 und 1936 zum dritten Mal Gastgeber des Deutschen Wandertages. Für die Veranstaltung übernahm die ehemalige Thüringer Ministerpräsidentin und Präsidentin des Thüringer Verbandes der Gebirgs- und Wandervereine, Christine Lieberknecht, die Schirmherrschaft. Obwohl der Titel der Veranstaltung durchaus einen christlichen Bezug vermuten lässt, fehlt der im Grußwort der Theologin im Programmheft. Nicht einmal um »Gottes Segen« für diese sechs Tage wird gebeten.
Apropos Segen: Den haben die Kirchen vor Ort angeboten. Doch ein solcher Wandersegen zu Beginn der Touren wurde abgelehnt. »Damit konnten sie nichts anfangen«, sagt Superintendent Ralf-Peter Fuchs. Im über 200-seitigen Veranstaltungsheft fällt der Abschnitt der Kirchenveranstaltungen mit knapp drei Seiten recht dünn aus. Umso überraschender ist der Verweis auf das Buddhistische Dharmazentrum Möhra an dieser Stelle. Einige, seitens der Gemeinden rechtzeitig gemeldete Veranstaltungen fehlen dagegen. Darunter auch der speziell angebotene Abendsegen für Wanderer, Mittwoch bis
Freitag um 19 Uhr in der Annenkirche.
Inhaltliche Akzente will Fuchs vor allem in den zwei ökumenischen Gottesdiensten, am Samstag im Kurpark in Bad Liebenstein und am Sonntag in Eisenach auf dem Elisabethplan, setzen. »Wenn die Wanderer einen inhaltlichen Bezug wollen, werden sie diese Veranstaltungen aufsuchen«, sagt Fuchs. »Und die werden gut«, ist er sich sicher.
Der Superintendent räumt ein, dass im Vorfeld nicht alles ideal lief. Er selbst kam erst nach Eisenach, als fast alle Planungen abgeschlossen waren. Auch für die Kirchengemeinden sei es schwer, über ein Jahr im Voraus zu planen – zudem noch für einen Termin in den Ferien. Deshalb war es Stephan Köhler, Pfarrer der Eisenacher Georgenkirche, wichtig, während der Wandertage auf die Angebote hinzuweisen, die sowieso schon bestehen. Die täglichen Marktkonzerte um 11 Uhr in der Georgenkirche und das anschließende Mittagsgebet um 12 Uhr beispielsweise.
Doch daraus folgt, dass deutliche Spuren lutherischer Theologie und Luthers Wirken für die Wanderer allenfalls in den Museen oder dem Musical »Luther! Rebell wider Willen« des Eisenacher Landestheaters zu finden sein werden.

Autor:

Adrienne Uebbing

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