Ehrendoktorwürde für eine Versöhnerin

Eine Ehre: Prof. Pumla Gobodo-Madikizela mit Uni-Präsident Prof. Walter Rosenthal (li.) und dem Dekan der Theologischen Fakultät Prof. Manuel Vogel (re.) bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde. | Foto: Doris Weilandt
  • Eine Ehre: Prof. Pumla Gobodo-Madikizela mit Uni-Präsident Prof. Walter Rosenthal (li.) und dem Dekan der Theologischen Fakultät Prof. Manuel Vogel (re.) bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde.
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Pumla Gobodo-Madikizela hat am eigenen Leib erfahren, was Apartheid bedeutet.


Blickwechsel von Doris Weilandt

Die südafrikanische Psychologin wuchs in einem schwarzen Viertel in Kapstadt auf, dem Langa Township. Dieser Stadtteil war das erste Ghetto in der Millionenmetropole, das nur für die schwarze Bevölkerung geplant wurde mit der Absicht, dort alles leicht kontrollieren zu können. Diskriminierende Passgesetze und andere Einschränkungen folgten. Ab 1960 gab es dagegen Aufstände, die brutal niedergeschlagen wurden. Am Fuße des Tafelbergs nahm die Apartheid mörderische Züge an.
Für Pumla Gobodo-Madikizela war es nicht möglich, eine Schule der weißen Bevölkerungsminderheit zu besuchen. An einer privaten Schule für schwarze Mädchen konnte sie dennoch eine Schulbildung erhalten, die ihr Weiterkommen ermöglichte. Sie studierte an der Universität von Ford Hare, der einzigen Hochschule für schwarze Afrikaner in Südafrika. Dort hatte bereits Nelson Mandela ein Studium absolviert. Mit einer Ausnahmegenehmigung konnte sie ihren Master als Klinische Psychologin an der Weißen vorbehaltenen Rhodes University abschließen. Die schweren Konflikte in ihrer Heimat Südafrika, die scheinbar unversöhnlichen Gegensätze zwischen Schwarz und Weiß gaben den Ausschlag für ihre wissenschaftlichen Forschungen.
Unter Erzbischof Desmond Tutu wurde Pumla Gobodo-Madikizela 1994 in die Wahrheits- und Versöhnungskommission berufen, um den Dialog zwischen Tätern und Opfern in Gang zu bringen. Sie interviewte den Chef der als Todesschwadron bezeichneten geheimen Einsatzgruppe C 1, Eugene de Kock. Das Ausmaß an Verbrechen, das dabei zutage trat, schockierte die Weltöffentlichkeit. Seine Aussagen bildeten die Grundlage des Buches »Das Erbe der Apartheid. Trauma, Erinnerung und Versöhnung«, das 2006 auf Deutsch erschien. Die Psychologin beschreibt darin, wie aus einem normalen Bürger mit hohem moralischem Anspruch ein Massenmörder wird, der skrupellos Menschen abschlachtet.
Im »Interesse der Staatsbildung und Versöhnung« wurde de Kock 2015 vorzeitig aus der Haft entlassen. Statt zweimal Lebenslänglich kam er nach 20 Jahren auf Bewährung frei. Lernen aus begangenen Verbrechen, das ist für Pumla Gobodo-Madikizela der einzige Weg, Frieden und Freiheit zurückzuerlangen.
Pumla Gobodo-Madikizela ist die erste Frau, der die Theologische Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena die Ehrendoktorwürde verleiht. Ihr Beitrag für die Versöhnung und das Verzeihen zwischen Tätern und Opfern gab den Ausschlag für diese Entscheidung. Durch die Erfahrungen, die sie in der Wahrheitskommission sammeln konnte, war sie auch in anderen politischen Konfliktsituationen eine gefragte Expertin. So wurde sie bei den Versöhnungsgesprächen zwischen Protestanten und Katholiken in Nordirland als Beraterin hinzugezogen.
Mit dem Jenaer Zentrum für Versöhnungsforschung (Jena Center for Reconciliation Studies) besteht seit Längerem eine produktive Verbindung. Sie soll sich durch die Ehrenpromotion weiter vertiefen und um neue Forschungsschwerpunkte wie die Aufarbeitung von Diktatur- und Unrechtserfahrungen erweitern. Pumla Gobodo-Madikizela lehrt nach Professuren in den USA, Südafrika und Schweden seit 2016 in Stellenbosch (Südafrika).

Autor:

Kirchenzeitungsredaktion EKM Süd

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