Mitten im Leben ein Ort zum Sterben

So soll es aussehen: Eingebettet im Grünen und in eine belebte Nachbarschaft gestaltete ein Architekturbüro aus Dortmund seine Vorstellung vom zukünftigen Hospiz in Jena. Der Entwurf konnte sich bei einem Wettbewerb durchsetzen. In einem Jahr soll die Einrichtung eröffnet werden. | Foto: Entwurf: Gerber Architekten/jenawohnen
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  • So soll es aussehen: Eingebettet im Grünen und in eine belebte Nachbarschaft gestaltete ein Architekturbüro aus Dortmund seine Vorstellung vom zukünftigen Hospiz in Jena. Der Entwurf konnte sich bei einem Wettbewerb durchsetzen. In einem Jahr soll die Einrichtung eröffnet werden.
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Gemeinschaftsprojekt: In Jena beginnt in Kürze der Bau eines Hospizes, das von großen Teilen der Bevölkerung mitgetragen wird.

Von Doris Weilandt

Vom »Wohnzimmer« der Palliativstation des Universitätsklinikums Jena (UKJ) geht der Blick zur nahen Lobdeburg. Direkt vor dem Fenster leuchten Bäume und Hartriegelsträucher in Gelb und Rot. 2009 wurde dieser Komplex eröffnet, der sich als einzelnes Gebäude an das Ende der Magistrale anlehnt. Hierher kommen Menschen, die Linderung für ihre Leiden suchen. Heilung ist nicht mehr möglich. Dr. Ulrich Wedding hat diese interdisziplinäre Einrichtung mit einem Team von Internisten, Schmerztherapeuten, Psychologen, Seelsorgern und Pflegekräften aufgebaut. Die Betreuung ist komplex und schließt Angehörige mit ein.
Für den engagierten Arzt wird mit dem Bau des Hospizes nun eine Lücke in der Betreuung gefüllt, die eine Palliativstation nicht leisten kann. »Wenn es Menschen nicht möglich ist, in der häuslichen Umgebung zu sein, möchten wir einen Ort anbieten, wo sie sich zu Hause fühlen können. Es wird ihnen hier ermöglicht, sie selbst zu bleiben«, erklärt Ulrich Wedding.
Um das Projekt Hospiz auf den Weg zu bringen, hat sich am Nikolaustag 2014 eine Hospiz- und Palliativstiftung gegründet. Ihr gehören neben Sozialträgern wie der Diakonie, den Johannitern, der AWO, dem DRK und Reha aktiv 2000 auch die Kirchenstiftung St. Michael, die jenawohnen GmbH und zahlreiche Privatpersonen an.
Ein erster Spendenaufruf stieß auf breite Resonanz. Monat für Monat gehen Spenden ein, die jüngste mit einem fünfstelligen Betrag von der Heimstätten Genossenschaft. Die Idee, das Projekt auf breiten Schultern zu tragen, ist aufgegangen. »Wir haben versucht, ganz offen zu kommunizieren und die Nachbarschaft einzubeziehen«, sagt Ulrich Wedding, Vorstand der Stiftung.
Der Stadtrat hat 200 000 Euro Anschubfinanzierung bewilligt – einstimmig. Die Stiftung braucht eine halbe Million Euro für die Innenausstattung der 14 Zimmer; 12 sind für Patienten vorgesehen, zwei für Angehörige. Den Bau bewerkstelligt die Stadtwerke-Tochter jenawohnen, die das Objekt nach seiner Fertigstellung an den Mieter Hospiz übergibt.
In Würde sterben, dafür engagiert sich seit Jahren auch Claudia Koppe, die ihren Freund auf der Palliativstation begleitet hat. Sie erlebte in der schweren Zeit Hilfe durch die Mitarbeiter der Palliativstation, die sich intensiv kümmerten. Sie sah aber auch, dass Geld fehlte für jemanden, der außerhalb der stationären Versorgung individuelle Wünsche wie Vorlesen oder Besorgungen erfüllen kann. Der von ihr mitbegründete Verein »Leben heißt auch Sterben« organisierte inzwischen die zweite große Wohltätigkeitsveranstaltung, mit der das Thema in die Bevölkerung getragen wurde.
Die Beträge, die dabei eingespielt werden konnten, kamen der Palliativstation für diese zusätzliche Betreuung zugute. »Die Bewahrung der Individualität ist ganz wichtig. Die Betroffenen brauchen Zeit für die Umstellung auf die Krankheit. Deshalb haben wir die ›gute Seele‹ mitfinanziert. Aktuell sind wir gerade dabei, Friseure zu suchen. Denn das Aussehen spielt für die Würde eine große Rolle«, erzählt Claudia Koppe. Drei Friseure haben sich bereits gemeldet, die ehrenamtlich helfen wollen. Der Verein hat auch schon das Mitarbeiterteam zum Konzert eingeladen – als Anerkennung für die hervorragende Arbeit, die geleistet wird.
Als Claudia Koppes Freund auf der Palliativstation lag und es sich abzeichnete, dass er nicht mehr nach Hause kann, blieb das Hospiz in Bad Berka als einzige Möglichkeit. Sie ist froh, dass jetzt so eine Einrichtung in Jena entsteht: »Ich finde den Standort mitten im Wohngebiet genau richtig. Das Thema Sterben ist in unserer Gesellschaft so ausgegrenzt.«
Das Hospiz wird in Lobeda in unmittelbarer Nähe zur Lobdeburgschule und zu Wohnhäusern gebaut. »Ich persönlich finde das gut«, sagt Barbara Wrede, Leiterin der Einrichtung mit Grund-, Regel- und Gymnasialausbildung. »Es bringt einen anderen Ansatz zum Nachdenken über das Leben.« Als sie vor Jahren im Ethikunterricht das Sterben thematisierte, haben sich ein paar Schülerinnen dafür bedankt. Mit Kindern, die zu Besuch auf die Palliativstation kamen, hat Ulrich Wedding schon gute Erfahrungen gemacht.
Um das Gebäude wird ein grüner Gürtel geschaffen, der bis in die Innenhöfe hineinreicht. So können bewegungseingeschränkte Menschen noch die Außenwelt wahrnehmen.
Für die Betroffenen ist es ein Spagat zwischen Hoffnung und Verzweiflung. »Was mehr Gewicht hat, ist individuell sehr unterschiedlich. Manchen gelingt es, eine Gelassenheit zu entwickeln oder auf Gottvertrauen zu setzen«, erzählt Wedding. Zum Nikolaustag 2018 soll das Hospiz im Jenaer Stadtteil Lobeda eröffnet werden.

www.hospiz-jena.de

So soll es aussehen: Eingebettet im Grünen und in eine belebte Nachbarschaft gestaltete ein Architekturbüro aus Dortmund seine Vorstellung vom zukünftigen Hospiz in Jena. Der Entwurf konnte sich bei einem Wettbewerb durchsetzen. In einem Jahr soll die Einrichtung eröffnet werden. | Foto: Entwurf: Gerber Architekten/jenawohnen
Vorstand der Hospiz- und Palliativstiftung Jena: Dr. Ulrich Wedding | Foto: Doris Weilandt
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Kirchenzeitungsredaktion EKM Süd

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