Predigttext
Trotz Mangel alles gegeben

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"Und viele Reiche legten viel ein."
Markus 12, Vers 41a

Unvorstellbar heutzutage, wie solch ein Tempelbetrieb funktioniert. Mit einem Mix aus Steuern und Spenden wird ein komplexes Unternehmen finanziert, das Gottesdienste – in der Regel Opferfeiern – ausrichtet, den religiösen Markt bedient, einen hohen Personalbestand alimentiert, Bedürftigen unter die Arme greift. Und absichtsvoll das Kulturzentrum einer über die halbe Welt verstreuten Nation markiert.
Jesus dürfte zu den Skeptikern gehört haben, die dem Tempelbetrieb in Jerusalem kritisch bis ablehnend gegenüberstanden. Darum diskutiert er mit seinen Jüngern auch nicht, mit welchem Recht dieser Betrieb so finanziert ist. Dass eine auf Versorgung angewiesene Frau ohne familiäre Absicherung ihren „Mangel“ hier restlos abliefert – in der Szene erscheint es als freiwillige, also ehrenwerte Abgabe, die Dürftigkeit ihres Betrages war aber durchaus problematisch –, ist ihm von grundlegender Bedeutung.
Das „Amen“, mit dem er seinen Lehrsatz einleitet, unterstreicht die unausweichliche Relevanz des Geschehens. Und die, mit denen er spricht, ahnen, worum es geht: Was sie ihr Eigen nannten, haben sie seinetwegen mehr oder weniger aufgegeben. Jetzt sehen sie, welchen Rang das hat: keinen. Die Witwe kann mit ihrer Selbstaufgabe am Tempelkasten nämlich kaum punkten. Dort werden gewöhnlich ganz andere Summen bewegt.
So auch die Jünger. Sie haben dem, dem sie nachfolgen, alles gegeben, und es bleibt, gemessen am Fundraising-Erfolg anderer am Spendenmarkt, doch nur dürftig. Die Zeiten, in denen noch ganz andere „Tempel“, also Institutionen, Kirchen und christliche Weltreiche ihre Tribute einfordern werden, stehen ja erst noch bevor. Für diesen kurzen Moment aber wird die leere Hand zur alles vermögenden Ressource. Es erscheint auf den ersten Blick absurd und legt sich quer zur Logik des umsatzstarken Tempelbetriebs: ein Zuschuss aus leerer Hand. In den Augen Jesu der einzige, der ernst zu nehmen ist.
Wir werden uns an solche „Barmherzigkeit der leeren Hand“ erst wieder gewöhnen müssen. Und es ist nicht garantiert, dass es dafür ein wirklich schlagkräftiges Konzept in nächster Zukunft geben wird. Aber in der verlängerten Perspektive des Evangeliums bleibt gar keine andere Wahl: Sie, die aus ihrem Mangel alles gegeben hat, ist die einzig tragfähige Zukunftsoption christlicher Verantwortung.

Christoph Carstens, Pfarrer in Quedlinburg | Foto: Foto: Elmar Egner
Autor:

Online-Redaktion

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