Psalm 139
Über den Wolken. Konfirmation in der Waldkapelle.

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Liebe Marie, liebe Festgemeinschaft!

„Spräche ich: Finsternis möge mich decken und Nacht statt Licht um mich sein -, so wäre auch Finsternis nicht finster bei dir, und die Nacht leuchtete wie der Tag.“ Ps 139, 11f.

Über den Wolken. Der Sonne entgegen " … da muss die Freiheit wohl grenzenlos sein. Alle Ängste, alle Sorgen, sagt man blieben darunter verborgen … " singt Reinhardt Mey 1974. Freiheit, Angst und Sorge, das sind machtvolle Worte, die in diesem Volkslied federleicht daherkommen. Du hast es dir für diesen besonderen Moment und Ort gewünscht. Über den Wolken – wer schon einmal geflogen ist – kennt den Blick aus dem Seitenfenster und die so völlig andere Perspektive. Die Wolken sieht man plötzlich von oben, die Erde mit ihren Städten und Dörfern wirkt kleiner, übersichtlicher, und das Licht da oben ist anders. Über den Wolken … schweben, fliegen, gleiten, schauen … das sind weiche Worte. Da oben ist alles in Bewegung, die Wolken, die Luft, das Licht, der Mensch und so gibt es auch keine Perspektive, die sich festhalten lässt, nichts, was wir Menschen auf Dauer einfangen könnten. Da ist unfassbares Staunen in mir, über die Größe und Schönheit dieser Welt und meinem Platz in ihr. Mit federleichtem Gefühl, der Sonne entgegen. Junge Menschen, wie du Marie, suchen ihren eigenen Weg, treffen wichtige Entscheidungen. Die Schule fertig machen, einen Beruf erlernen, sich verlieben, leben, es genießen in der Sonne zu stehen, als Erwachsene eigene Schritte ins Leben wagen. Menschen treffen Entscheidungen und finden im besten Fall ein Ja, zum eigenen Wachsen und Reifen. Ein Ja, zur Veränderung für unser ICH, für unsere Perspektive auf die Welt, auf die Menschen um uns herum, und auf Gott. Jeden Augenblick wieder neu.

„Spräche ich: Finsternis möge mich decken und Nacht statt Licht um mich sein -, so wäre auch Finsternis nicht finster bei dir, und die Nacht leuchtete wie der Tag.“ Ps 139, 11f.

Liebe Marie!

Es ist ein Wort aus dem 139 Psalm. Du hast Vers 11 und 12 daraus als deinen Konfirmationsspruch gewählt. Er gehört für mich mit zu den schönsten Psalmen der Bibel. Der Beter dieser Worte hat vermutlich Schweres erlebt, bittere Vereinsamung, Isolation und innere Haltlosigkeit, die Hinterhältigkeit von Feinden. Nun wird er sich seiner brennenden Sehnsucht nach dem ewig präsenten und ewig bleibenden Gott bewusst. „Herr, du hast mich erforscht und kennst mich. Du durchschaust meine Gedanken von ferne. Ob ich gehe oder ruhe, du hast es gemessen. Du bist vertraut mit all meinen Wegen.“. Hier steht ein Mensch mit einem neuen Bewusstsein vor Gott in einer neuen Gegenwartskraft des lebendigen und belebenden Gottes. Er ruft mit überschäumender Dankbarkeit und Herzensfreude allen, die ihn hören sein neues Gefühl von Schutz und Geborgenheit zu. Hier spricht kein kühler Rationalist, kein rational konzipierender Denker Gottes, der den vernünftigen Gottesbeweis braucht. „Zu uns spricht ein in seinem suchenden Herzen Gott gefunden – haben – der Freund Gottes mit allem Glück, mit der überbordenden Freude von diesem Gott intuitiv geführt zu werden.“ (Vgl. Yuval Lapide, Die schönsten Psalmen der Bibel neu entdeckt, 2020, S. 176ff)

Hinaufsteigen – Fliegen – Sprechen. „Wohin soll ich gehen vor deinem Geist? Vor deinem Angesicht. Wenn ich hinaufsteige zum Himmel – dort bist du; wenn ich mich lagerte in der Unterwelt – siehe, da bist du. Nähme ich die Flügel der Morgenröte, ließe ich mich nieder am Ende des Meeres, auch dort würde deine Hand mich leiten und deine Rechte mich ergreifen. Würde ich sagen: Finsternis soll mich verschlingen und das Licht um mich soll Nacht sein! Auch Finsternis ist nicht finster vor dir, die Nacht leuchtet wie der Tag, wie das Licht wird die Finsternis. “ Die Übersetzung vom jüdischen Theologen Yuval Lapide bringt etwas Klares in die Sprache hinein … „würde ich sagen Finsternis soll mich verschlingen und das Licht um mich soll Nacht sein!“ Durch diese Worte wird klar, ja, ein Mensch kann sich aus Schmerz, aus Hilflosigkeit heraus, aus Angst …. für die Finsternis in sich entscheiden. Ich kann die Rollläden herunterlassen und nie wieder aufmachen. Ich kann hassen und wütend sein, mich distanzieren, manchmal in meiner Wut auch anderen schaden. Ja, ich würde leiden, allein sein, es wäre kalt und freudlos. Wie gut ist es von diesem Beter über Gott zu hören: Selbst Finsternis wäre nicht finster bei Gott. Denn in meiner Dunkelheit wäre diese eine Kraft, Gott der Schöpfer, der der mich besser kennt als ich mich selbst, immer an meiner Seite.

Das wir das in den schweren Momenten kaum spüren können, ist menschlich und doch wie intensiv und ob wir das Licht in aller Finsternis entdecken können, ist etwas Übung. Es ist die Übung mit diesem schöpferischen Ursprung und Urheber des Universums in Kontakt zu sein. Im Gebet, im Gesang, durch Musik, in der Stille, Schweigen, mit Gemeinschaft, im Abendmahl, in Spaziergängen durch die Natur oder ein Gespräch mit einer Freundin, die plötzlich einen meiner Gedanken in einem völlig anderen Licht erscheinen lässt. Diesem Gott mit Dankbarkeit und Staunen zu begegnen, braucht alltägliche Übung.

„Christus spricht: Ich bin das Licht der Welt, wer mir nachfolgt wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ So hören wir es Jesus im Neuen Testament sagen. Das Wort, es passt zu unserem Konfirmationsgeschenk für Dich, Marie.

Es ist ein „Sonnenglas“ entwickelt aus den Townships von Johannesburg in Afrika. Heute stellen 65 Menschen dort das Glas weitgehend in Handarbeit her. Ursprünglich wurde es für Dörfer entwickelt, in denen es keinen Strom gibt. Während des Tages laden die Solarzellen die eingebauten Akkus im Deckel auf. Nachts spendet das Sonnenglas warmes Licht. Das Glas kannst du mit den Erinnerungen, Gegenständen und vielleicht auch Gerüchen befüllen, die du gern ins Licht stellen möchtest. Du entscheidest, was du ins Licht stellen möchtest. Dieses Licht kannst du überall mit hinnehmen. Das Glas selbst erzählt Lichtgeschichten.

"Hi, ich bin Yvonne", sagt die 23-jährige Frau lächelnd in die Kamera. Sie war 2011 eine der ersten Mitarbeiterinnen in der Sonnenglas Produktion. Gute Arbeit zu finden ist in Afrika schwer. Meistens haben besonders die Frauen keine Ausbildung und damit noch seltener eine Perspektive auf ein gutes Leben. Yvonne sagt: „Durch diese Arbeit haben sich meine Träume erfüllt.“ Das ist ein wunderbarer Satz für eine junge Frau. Besonders in Afrika aber natürlich auch für junge Menschen heute in Deutschland.

Du wirst heute Nacht schon sehen, auch mit einem so kleinen Licht an deiner Seite, lassen sich die Wege in der Nacht gut finden. Stell dich immer wieder in Gottes Licht. Gottes Segen enthält ein unverwechselbares Strahlen. Warm. Ruhig. Sanft. Stehen wir in Gottes Licht, wird es ein bisschen so … wie „über den Wolken“. Wir können davon ablassen Falsches vor ihm zu verbergen. Wir können aufhören uns vor uns selbst zu verstecken. Mancher Schmerz lässt plötzlich nach. Manche Wunde heilt. Entscheiden wir uns für ihn und das Licht, dann wird die Freiheit für uns grenzenlos sein und in seinem Licht sehen wir das Licht. Denn bei Dir, Gott, ist die Quelle unseres Lebens.

Gottes Friede sei mit uns!

Es grüßt Sie herzlich Pfarrerin Denise Scheel

Autor:

Denise Scheel

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