Andacht - Die Zeiten im Dazwischen
Manchmal ruckelt es ein bisschen

Liebe Leser*innen!

Kinderstimmen rufen im Wald durcheinander. Aufgeregt laufen die Kinder durch die bunten Blätterhaufen. Rote Blätter, gelb gemustert, braun und grün bereiten Sie dem Spaziergänger einen weichen Teppich. Hier ein Knacken, dort ein Zucken. Verwelkte Blätter auf grünem Farn, inmitten von Gras, vereinzelte Blüten. Der Wald verändert sein Gesicht. Die Natur ist im Übergang, vom Sommer zum Winter, vom Leben zum Sterben, von der Fülle zur Ruhe. Alles Leben ist geprägt von kleinen und großen Übergängen. Meist sind Veränderungen für uns Menschen keine so leichte Sache. Der Übergang vom Altbekannten in etwas Neues fordert heraus. Es ruckelt, wirft durcheinander und stellt auf den Kopf. Da ist der Abschiedsschmerz, weil etwas zu Ende geht. Das Neue ist noch nicht sichtbar, aber es klopft doch schon zaghaft an. Diese Zwischenzeit birgt Ängste und Schätze zugleich. In einem Moment fühlt es sich an, wie ein großes Abenteuer, weil ja noch nicht klar ist, was oder wer um die Nächste Kurve biegt. Was mir in solchen Momenten allerdings auch Angst macht, ist das Gefühl scheinbar nichts mehr unter Kontrolle zu haben und ich weiß ja nicht, was kommt. Es gilt Ungewissheit auszuhalten. Auch das gehört wohl in diesen Übergang, in diese neutrale Zone des Dazwischen, zwischen schon und noch nicht. So beschreibt es auch Heike Nagel in ihrem Buch "Übergangsweise" aus diesem Jahr 2022. Ein Jahr, das durch Covid-19 und den Krieg in der Ukraine so viel Übergangsgefühle und emotionale Übergangsarbeit bedeutet. Eigentlich erleben Menschen ständig Übergänge: Geburt, Kita, Schule, Beruf, Wohnortwechsel, die erste Beziehung, eine Krankheit, Trennungen, neues Verlieben, Wiederfinden, Versöhnen, Loslassen, Abschiede, Sterben. Wir müssten geübt sein, wenn auch nicht gleich in den Extremen des Lebens. Alles bewegt sich, ist im Fluss. „Vertraue auf den Herrn von ganzem Herzen und verlass dich nicht auf deinen Verstand; erkenne Ihn auf allen deinen Wegen, so wird er deine Pfade ebnen.“ (Spr 3,5) Das scheint mir in bewegten Zeiten ein guter Rat. Meist weiß der Verstand im Trubel solcher Zeiten nicht so sicher, was gut ist und trägt. Manchmal spricht Gott auch nicht klar und deutlich, das bilde ich mir zumindest ein, denn ich verstehe ihn nicht mehr klar. Weil für mich im Außen auch gerade gar nichts klar ist. Mitten in meinem Sturm scheint Gott zu schlafen. Mein tägliches Gebet wirkt spröde. Vielleicht ist es in Ordnung mitten aus der Unsicherheit einfach lauter nach Gott zu rufen? Einfach hingehen, ihn aufwecken. Entschlossen! Ehrlich aussprechen, wie es mir gerade geht. So mitten im Dazwischen. Es kann passieren, dass ich dann einem Gott begegne, der mich bremst und mein Tempo drosselt. Alles auf Halt und nochmal einen Schritt zurück. Ist da genug Raum, bevor das Neue beginnt? Habe ich wirklich Abschied genommen? Gutes Beenden ist wichtig für das Verweilen im Dazwischen. Es braucht Mut und Zeit. In einem nächsten Schritt wächst dann das Neue. Ein Geschenk. Es geschieht einfach, da ist neue Energie, neuer Sinn. Da ist plötzlich Vertrauen, das trägt. Es ist auch eine Zeit des Dankens. „Wer Dank opfert, verherrlicht mich und bahnt einen Weg; ihn werde ich das Heil Gottes sehen lassen“ (Ps 50,23) Ich bin dankbar hinübergelangt zu sein von einem Weg zum Anderen. Vom Alten in das Neue. An den schwierigsten Stellen fühle ich mich rückblickend von Gott getragen. Ich bin dankbar für das Morgenlicht auf dem Gras, für das Lächeln der Nachbarin, den kleinen Gruß zwischendurch, für mein Wachsen, die Post im Briefkasten, die Kinder im Wald, und das farbenprächtige Laub unter meinen Füßen. Manchmal ruckelt es ein bisschen. Vertraue auf den Herrn von ganzem Herzen!

Einen gesegneten Herbst wünscht Ihnen Pfarrerin Denise Scheel!

Literatur: Heike Nagel, Übergangsweise. Wie wir den Prozess zwischen Lebensphasen gut gestalten und Gott darin finden, SCM (2022).

Autor:

Denise Scheel

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