Andacht Weihnachten
Liebe, die die Welt verändert. Josef und Maria.

Liebe Mitmenschen!

Josef erwägt Maria eigentlich in aller Stille zu verlassen. Im Schlaf ereignet sich dann für Josef eine Lebenswende. Ihm erscheint ein Engel im Traum. „Josef, fürchte dich nicht, deine Frau Maria, zu dir zu nehmen, denn was sie empfangen hat, ist vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Jesus geben.“ Als Josef vom Schlaf erwacht, macht er es genauso, wie es ihm der Engel befohlen hat.

Vor zwei Wochen diskutieren wir in einer kleinen Gruppe über diesen Josef. Jemand meint: Das hätte es heute nicht gegeben. Der Josef von heute, wäre vielleicht wirklich still und heimlich verschwunden. Vielleicht hätte er den Engel gar nicht hören wollen. Oder sich gesagt: So was lass ich mir nicht unterjubeln. Soll sie doch sehen wie sie klarkommt. [Was wäre wohl mit Maria geschehen, hätte sich Josef anders entschieden?  Frauen in Marias Lage wären wohl zur damaligen Zeit gesteinigt worden. Es hätte also auch ihren sicheren Tod bedeutet.]

Josef ist ein Mann, der Verantwortung für zwei Leben übernimmt. Zunächst für Maria und dann für ein Kind. Ein Kind, von dem er schon zu Beginn weiß, dass es nicht sein Eigenes ist. Gern wird Josef als der Träumer in der Weihnachtsgeschichte bezeichnet. Ich finde er ist der, der den Mut hat auf Gottes Stimme – besser: die Stimme seiner Boten – zu hören. Er ist der, der sich und seine Ansichten in Frage stellen lässt, all seine Pläne über den Haufen wirft und Gottes Plan folgt. Josef ist bereit, Vater zu sein, für ein Kind, das nicht seines ist, mit aller Liebe und allen Konsequenzen. Heute würden wir wohl von einer Patchworkfamilie sprechen.

Eine andere Frau aus unserer Runde sagt: Dieser Josef gibt Maria, die in der 1. Reihe in der Weihnachtsgeschichte steht, den Rückhalt. Und tatsächlich haben die Künstler aus verschiedenen Zeiten Josef meist als ganz praktisch Handelnden dargestellt, der im Hintergrund durch das Bild huscht. Josef, der in dem Stall das Licht hält. Josef, der den Eierkorb trägt. Josef, der durch sein Zimmermannshandwerk den Lebensunterhalt für die kleine Familie verdient. Josef, der mit Hobel, Wasserwage, Zange und Schraubenzieher gut umgehen kann. Dieser Josef lässt sich auf seinem Weg, von einem Engel im Traum leiten. Ein lebenskluger Mensch, der nicht so viel Aufhebens um sich selbst macht. In unserer kleinen Runde überlegen wir: Wie geht es mir eigentlich selbst, wenn ich in der 2. Reihe stehe? Im Leben, in der Familie, auf der Arbeit.

Vielleicht sagen sie sich jetzt: Das kommt ganz auf die Situation an? Oder sie denken: Das kann ich gar nicht leiden? Ich will gesehen werden. Mir ist wichtig, dass meine Stimme Gehör findet. Unsere erste Reaktion auf die Frage kann ganz unterschiedlich ausfallen. Je nachdem, wie wir aufgewachsen sind, wie wir in unserem Elternhaus geprägt wurden und was für ein Temperament wir ins Leben mitbringen.

Für mich, die ich im Gottesdienst meistens hier vorn allein in der ersten Reihe stehe, ist das auch eine spannende Frage und ich lerne von den Frauen, die sich mit mir in der Adventszeit auf die Reise zu dieser Frage machen. Die zweite Reihe ist gar nicht so schlecht, sagen manche. Da kommt nicht alles so nah an einen ran. Die Verantwortung tragen andere. Fehler fallen nicht so auf. Ich kann so gut bei mir sein. Wieder andere sagen: Nein, bloß nicht die 2. Reihe. Da kann man nichts gestalten. Da wird man übersehen. Das wäre gar nichts für mich. Und eine Dame sagt nachdenklich: Mir reicht es, wenn ich in der 2. Reihe trotzdem das Gefühl bekomme, wahrgenommen zu werden. Sie meint von einem Menschen. Spannend finde ich den Gedanken, von Gott gesehen zu sein. Egal was außen auch ist.

Bei all diesen Überlegungen wünsche ich uns allen an diesem Weihnachtsabend, dass wir offen bleiben für die Stimme des Engels in unserem Leben. Wie Josef. Wo hat Gott vielleicht einen anderen Plan für mich? Wie würde ich das überhaupt erkennen? Wäre mir das wichtig, oder mache ich einfach mein Ding? Gibt es Räume in meinem Leben, in denen ich entspannt, schlafen und träumen kann, wie Josef?

So hören und singen wir von ihm:
„Heiliger Josef, wir singen für dich. Du bist ein besonderer Mann. Heiliger Josef, wir ehren dich. Du zeigst uns, wie Liebe die Welt verändern kann, du zeigst uns, wie Liebe die Welt verändern kann....“

Josefs Liebe verändert sein Leben, das Leben der Menschen um sich herum und sogar das Leben der Welt. Beide Elternteile hören Engelsworte und folgen ihnen. "Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir!" Maria sagt Ja, zu Gottes Plan und dann erst geschieht es. Sie wird schwanger und gebiert einen Sohn. Maria, die Mutter, sie wiegt das Kind in ihren Armen. Sie beschützt und behütete es. Nährt es. Sorgt sich. Wischt Tränen fort. Lacht. Kocht. Putzt. Sucht einen sicheren Ort. Steht so ungeschützt im Stall und damit auch nicht gerade in der ersten Reihe des Lebens. Jedes Jahr wieder sehe ich in Maria und ihrem Kind, eine wärmende Hoffnung. Da ist Frieden, Liebe und Fürsorge, Vertrauen und Nächstenliebe. Alles Werte, die mir in unserer Zeit besonders nötig erscheinen. Aus Gesprächen in diesem Jahr weiß ich, dass viele von uns sich das für sich selbst genauso wünschen. Doch wie schaffen wir es diese Werte als Gemeinschaft zu leben? In den Familien, Dörfern, Städten, Kirchen und als gesamte Gesellschaft.

Am Anfang  der Weihnachtsgeschichte steht das Wahrnehmen: Was will ich? Was brauche ich? Josef meint das für sich gut zu wissen. Dann ist da der Engel. Maria und Josef begegnen ihm. Sie geben ihm Raum um zu hören und zu sortieren: Was will Gott für mich? Kann ich das? Diese beiden entscheiden sich für eine größere Sache als nur für ihre zwei menschlichen Perspektiven. Ich mag das an der Weihnachtsgeschichte. Vielleicht überlebt Maria nur so? Vielleicht wird dieses Kind nur deshalb geboren. Weil ein Mann und eine Frau fähig sind, ihre eigenen Egos zu besänftigen.

Dann denke ich an Lieselotte. Wir haben sie vor einer Woche beerdigt. Persönlich habe ich sie nicht kennengelernt. Aber ihre Lebensgeschichte hat mich berührt. Sie wurde 95 Jahre alt. Lange Zeit ihres Lebens hat sie ihrem Mann den Rücken freigehalten. Manche haben sie als „graue Maus“ wahrgenommen, als eine Frau, die im Schatten ihres Mannes steht. Beide Kriegsflüchtlinge, die aus Dresden kommend in den alten Bundesländern neu anfangen. Er ist Sportlehrer, im Ort sehr bekannt und sogar eine Sporthalle wird man mal nach ihm benennen. Sie besorgt den Haushalt, kümmert sich um die gemeinsame Tochter und organisiert den Alltag. Alles mehr im Hintergrund. Ihre eigenen Bedürfnisse entdeckt sie später. Nach dem Tod  ihres Mannes wird sie die Seniorenuni besuchen, in Kaffees schlendern und das tun, was ihr Freude macht. 

Dann sehe ich den Schwippbogen mit dem Motiv der Dresdner Frauenkirche in ihrem Fenster stehen. Die letzten zwei Jahre ihres Lebens wollte Sie, dass dieses Licht, Tag und Nacht, leuchtet. Niemand durfte ihn wegräumen. 10 Kerzen, die keiner löschen durfte. Bis zu ihrer Sterbestunde. Und sie schreibt ein paar Liedzeilen auf, die ihr wichtig geworden sind: „In wieviel Not, hat nicht der gnädige Gott, über mir Flügel gebreitet.“ So glaube ich: Lieselotte hat ihren Platz im Leben gefunden über fast ein ganzes Jahrhundert hinweg. Sie hat Gott offenbar als ihr Gegenüber erlebt und ihm einen Raum in sich geschenkt. Aus dieser Kraft hat Lieselotte, haben viele Menschen dieser Generation gelebt. In der Nachkriegszeit konnten nicht alle Bedürfnisse erfüllt werden. Heute glaube ich: Es ist gut, die eigenen Bedürfnisse zu kennen und sie gut aussprechen zu vermögen. Ich wünsche uns heute die Kraft dieser Generation, ihre Zuversicht und Verankerung in Gott. Ich wünsche uns ein gutes Gehör, Gespür und stille Momente, um Gottes Engeln auf unserem Lebensweg zu begegnen. Manchmal kommen sie in menschlicher Gestalt, mal in der Stille, mal im Traum, wie bei Josef, mal im Licht und mal in einem Lied … seien wir aufmerksam! Ich wünsche Ihnen allen: Frohe Weihnachten und ein gesegnetes Jahr 2024!

Zu diesen Gedanken gehört abschließend noch folgendes Lied:

„Mit dir, Maria, singen wir von Gottes Heil in unserer Zeit. Uns trägt die Hoffnung, die du trugst -- es kommt der Tag, der uns befreit. Hell strahlt dein Lied durch jede Nacht: Ich preise Gott, Magnificat. Himmel und Erd hat er gemacht, mein Gott, der mich erhoben hat. Du weißt um Tränen, Kreuz und Leid, du weißt, was Menschen beugt und biegt. Doch du besingst den, der befreit, weißt, das das Leben letztlich siegt. Mit dir, Maria, singen wir von Gottes Heilin unserer Zeit. Uns trägt die Hoffnung, die du trugst - es kommt der Tag, der uns befreit. “

Gottes Friede sei mit uns!

Es grüßt Sie Pfarrerin Denise Scheel

Autor:

Denise Scheel

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