Mahnmal: Erinnerung an Naziverbrechen und Schuld der Kirchen wachhalten
Bornstraße: Kollektive Verantwortung

Die Kreuzung Bornstraße, Johann-Sebastian-Bach-Straße, Am Ofenstein in Eisenach, nahe des ehemaligen „Ent-judungsinstituts“ | Foto: EKM
  • Die Kreuzung Bornstraße, Johann-Sebastian-Bach-Straße, Am Ofenstein in Eisenach, nahe des ehemaligen „Ent-judungsinstituts“
  • Foto: EKM
  • hochgeladen von Online-Redaktion

Das am 6. Mai 1939 gegründete „Entjudungsinstitut“ kam in der Eisenacher Bornstraße 11 unter, doch die Verhältnisse, die es dort vorfand, waren recht bescheiden. Die Mitarbeiter mussten mit dem Dachgeschoss vorlieb nehmen, die drei vollwertigen Stockwerke darunter waren während des Krieges an ein Krankenhaus vermietet worden. Auch zeitlich stellte die fünf Jahre dauernde Unterbringung des Instituts in dem kircheneigenen Haus nur eine relativ kurze Episode dar, gemessen an den mehr als sechzig Jahren seit 1930, in denen es als Predigerseminar und vor allem als Internat für Schüler diente, welchen die Thüringer Kirche die Möglichkeit erschlossen hatte, das staatliche Abitur mit den Altsprachen Griechisch und Latein abzulegen.
Wenn auch die Existenz des "Entjudungsinstituts" in der Eisenacher Bornstraße nicht gerade glänzend war, so rechtfertigt doch die Monstrosität seines Vorhabens, alles Jüdische aus dem deutschen Kirchenwesen zu tilgen, die Errichtung eines Mahnmals von der Art, wie es jetzt eingeweiht worden ist. Es tritt in eine bemerkenswerte Eisenacher Tradition ein, die Erinnerung an die Naziverbrechen wachzuhalten. Einen Höhepunkt bildeten darin 1986 drei Vorträge, die der Jerusalemer Religionswissenschaftler Shalom Ben-Chorin in der Wartburgstadt gehalten hat und in denen er eine befreiende, aber auch verpflichtende Botschaft brachte. In der voll besetzten Annenkirche wandte er sich an die jungen Menschen unter seiner Hörerschaft und sagte im Hinblick auf den Holocaust: „Sollten Sie ein Schuldgefühl haben für etwas, was Sie nicht getan haben? Das wäre eine unnatürliche Haltung. Sie sollen nicht sagen: Das geht uns nichts an! Sie sollen sagen: Wir setzen uns mit unserer ganzen jungen Existenz dafür ein, dass sich so etwas wie der Holocaust nie mehr wiederholen kann. Eine Kollektiv-Verantwortung ja, aber nicht eine Kollektivschuld!“
Eine Publikation des kirchlichen Wartburg Verlags trug diese Botschaft in die christlichen Gemeinden hinein. Im Jahr 2000 förderte das Thüringer Kultusministerium eine Neuauflage, die vor allem für den Religionsunterricht bestimmt war. Aus dem Engagement von Lehrern und Schülern des Martin-Luther-Gymnasiums erwuchs schließlich eine erste kenntnisreiche Ausstellung über das Entjudungsinstitut. Diese wurde unter anderem auch im Thüringer Landtag in Erfurt gezeigt. Eine ausführliche Dokumentation ist 2013 erschienen.
Zum Schluss sei noch einmal Ben-Chorin zitiert, vermittelt durch seine Frau Avital, die aus Eisenach stammt: „Kein Abgrund darf ewig klaffen. Ihn zu überbrücken, ist Forderung und Aufgabe unserer Lebensstunde!“
Gottfried Müller, von 1981 bis 1990 Chefredakteur "Glaube+Heimat"

Autor:

Online-Redaktion

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

29 folgen diesem Profil

1 Kommentar

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.