Nicht mehr viel zu sehen

Zukunft der Kirche: Warum eine Fusion gut überlegt sein will

Von Benjamin Lassiwe

Es war die erste große Kirchenfusion in Ostdeutschland. Und es war jene mit den am wenigsten gleichen Partnern: Zum 1. Januar 2004 fusionierte die 70 000 Gemeindeglieder zählende Evangelische Kirche der schlesischen Oberlausitz (EKsOL) mit der rund eine Million Gemeindeglieder zählenden Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg (EKiBB).
Heute ist von der alten EKsOL nicht mehr sehr viel zu spüren. Zwar gibt es in Görlitz einen evangelischen Generalsuperintendenten. Doch während es in den ersten Jahren noch einen Sprengel Görlitz gab, in dem die Kirchenkreise der alten Landeskirche zusammengefasst waren, wurde dieser 2014 mit dem benachbarten Sprengel Cottbus der alten EKiBB fusioniert. Auch der Titel »Regionalbischof«, den der Generalsuperintendent von Görlitz in Erinnerung an die alte schlesische Kirche noch trug, wird heute nicht mehr verwendet. Positiv gesprochen, könnte man sagen: Die ehemalige EKsOL hat sich assimiliert. Sie ist voll und ganz in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) aufgegangen und ein gleichberechtigter, aktiver Teil der neuen Kirche. Was freilich auch bedeutet: Görlitz, Hoyerswerda oder Weißwasser sind in der Landeskirche nun genau so wichtig oder unwichtig wie Angermünde, Potsdam oder Frankfurt (Oder). Vielleicht noch etwas wichtiger, denn der Görlitzer Generalsuperintendent Martin Herche macht seine Sache gut und vertritt die Interessen seines Sprengels mit Bravour. Doch er kann es eben nur in dem Maße tun, in dem es für einen einzelnen kirchlichen Mitarbeiter möglich ist.
Die Zeiten, in denen es in Görlitz ein Konsistorium mit Bischof gab, der als wichtiger Gesprächspartner von Politik und Gesellschaft eingeladen wurde, und den Blick auf die schlesische Oberlausitz lenkte, sind vorbei. Und die wenigen Male, bei denen sich Landessynode, Kirchenleitung und Bischof der EKBO öffentlich wahrnehmbar zu sächsischen Themen äußerten, muss man mit der Lupe suchen. Außer einem gemeinsamen Aufruf der für Sachsen zuständigen Bischöfe, zur Landtagswahl zu gehen, ist nicht sehr viel gewesen. Zudem gab es einen personellen Aderlass: Viele engagierte Görlitzer, die für die Selbstständigkeit ihrer Landeskirche kämpften, haben sich frustriert zurückgezogen. Als 2013 Zahlen vorgelegt wurden, hatte der damals noch selbstständige Sprengel Görlitz, verglichen mit 2003, rund ein Drittel seiner Gemeindeglieder verloren.
Was heißt das für Anhalt? Die kleine, engagierte Landeskirche sollte sich jede Überlegung in Richtung einer Fusion oder Konföderation sehr genau überlegen. Fusionen können sinnvoll sein, das zeigt die Neubildung der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland oder der Nordkirche. Sie können aber auch dazu führen, dass von einem Partner nicht mehr viel zu sehen ist, wie sich am Beispiel der EKBO zeigt. Föderationen oder Kooperationen könnten in solch einem Fall der sinnvollere Weg sein. Doch wenn die Landeskirche Anhalts gewillt ist, den Gürtel enger zu schnallen, das überkommene Kirchenbeamtentum abzuschaffen und sich stärker an freikirchlichen Modellen des Kircheseins zu orientieren, hätte sie wohl auch als selbstständige Einheit eine gute Zukunft.

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Online-Redaktion

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