Evangelium vom zwölfjährigen Jesus im Tempel (Lk 2,41ff)

2. Sonntag nach dem Christfest 2021

36. Gesang - der Zwölfjährige Jesus (Lk 2,41ff)

Zur Reise nach Jerusalems Gefilden,
wo sich der Tempel Gottes auch befand,
wird Jesus mitgenommen, sich zu bilden:

Das Herz, den Geist, die Seele, den Verstand.
Zum Himmel ragen auf des Tempels Mauern -
nichts Größeres ward je erbaut im Land.

Hoch oben, auf den goldnen Zinnen lauern
und schreiten wache Wächter hin und her.
Wie lange auch Tyrannenreiche dauern,

Judäa fand im Tempel stets Gewähr.
Der Knabe Jesus steht und mit Erstaunen
riecht Feuer er, das Opfervieh und mehr.

Er hört der Pilgerchöre Liederraunen,
merkt Priester eilen und Prophetenschrei -
dann zieht’s ihn zu den Lehrern auf die Daunen,

hier ist es still, denn Gott ist mit dabei.
Es geht um heilger Zahlenzeichen Orte,
um Lüge, Wahrheitsschein und allerlei.

Dem Knaben öffnet sich des Himmels Pforte,
als er erkennt den Tiefensinn der Worte.

Vergessen ist die Mutter mit dem Vater,
samt Nazareth, dem Dorf in Raum und Zeit.
Uralten Männern ward ein Kind Berater,

sie fragen ihn, er antwortet bereit.
Der Sinn erklärt sich durch des Wortes Walten -
da wird die Enge manchem klar und weit.

Das Glück des Knaben - es erfreut die Alten,
er lehrt, sie lernen wie am ersten Tag.
Indessen suchen über Berges Spalten

die Eltern aufgeregt nach ihm im Hag.
Man wähnt ihn dort beim Trosse seiner Tanten -
doch größer wächst die Sorge, niemand mag

gesehen haben ihn bei den Verwandten.
Drum kehrt man um, zurück zur Tempelstadt
und findet ihn inmitten der gespannten

Zuhörerschaft und weiser Männer Rat.
Die saugen gierig ihm das Wort vom Munde;
Maria ihren Sohn getadelt hat:

„Was schlugst du unserm Herzen solche Wunde?"
Drauf er: „Meins fand ich erst in dieser Runde."

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