Kloster Jerichow
Den Zehnten der Zeit

Thomas E. Fuchs blickt gern auf seinen Aufenthalt im Kloster Jerichow und die interessanten Begegnungen zurück. | Foto: Thomas E. Fuchs
  • Thomas E. Fuchs blickt gern auf seinen Aufenthalt im Kloster Jerichow und die interessanten Begegnungen zurück.
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Unruhestand: Unser Autor kommt aus Wuppertal und war zwei Wochen im Präsenzdienst der Evangelischen Zehnt-gemeinschaft Jerichow in Sachsen-Anhalt. Er wirbt für den Dienst von emeritierten Pfarrerinnen und Pfarrern.

Von Thomas E. Fuchs

Da staunte ich nicht schlecht zu Beginn des Mittagsgebetes: Das Paar in seinen Mittfünfzigern war abends zuvor beim Tagesschluss in der Kirche gewesen und hatte am Ende versprochen, tags darauf wiederzukommen. Nun aber standen sie vor mir in Hochzeitskleidung. "Wir haben soeben im Kloster standesamtlich geheiratet, nun möchten wir einen kirchlichen Segen." Ein persönlicher Liedwunsch war schnell gefunden: "Großer Gott, wir loben Dich". Und dann kam die Nachfrage an den evangelischen Pfarrer: "Kennen Sie das?" Der Hintergrund: Kirchlich getraute Katholiken bekommen nach einer Scheidung keine neuerliche römisch-katholische Trauung.
Aber von vorn: Wir sind in der riesigen Klosterkirche von Jerichow im Kirchenkreis Stendal nahe der Elbe. In der 1144 begonnenen Prämonstratenser-Gründung leben schon lange keine Mönche mehr, das große Backstein-ensemble gilt mit seinem Museum als Attraktion für jährlich Zehntausende von Durchreisenden. Für sie ist von Mitte Juni bis Mitte September ein sogenannter Präsenzdienst von wöchentlich je zwei Pfarrern gedacht, die still in der Kirche zum Gesprächsangebot anwesend sind und mittags und abends ein kurzes Gotteslob ohne Predigt anbieten.
Dies geschieht im Rahmen der Evangelischen Zehntgemeinschaft Jerichow (EZG), die im Jahre 1999 von dem inzwischen verstorbenen evangelischen Pfarrer René Leudesdorff gegründet wurde. Der Dienst am Sitz der kleinen Gemeinschaft ist aber nur ein Teil des Angebotes. Für viele Gemeinden in mehreren östlichen Landeskirchen (EKM, EKBO und Ostsprengel der Nordkirche) vermittelt die EZG Pfarrdienste von zum Teil mehreren Wochen durch mit ihr verbundene Pensionierte. Eine passende kostenfreie Unterkunft für ein bis zwei Personen ist natürlich Voraussetzung. Der "Rest" ist Ehrenamt. Die Vereinigung nennt sich "Zehntgemeinschaft", weil man im übertragenen Sinne den Zehnten seiner Zeit für andere einsetzt. (vgl. Maleachi 3, Vers 10) „Wir geben unseren Zehnten in Form von Zeit“ lautet folglich das Motto.
Die EZG besteht aus knapp 60 pensionierten Pfarrerinnen und Pfarrern, von denen pro Jahr etwa 40 in ostdeutschen Kirchengemeinden Vertretung machen oder den Präsenzdienst in Jerichow übernehmen, wo die Gemeinschaft ihren Sitz hat. Die ostdeutschen Geschwister müssen oft ein Dutzend Gemeinden versorgen. Sie sind so dünn besetzt, dass es kaum möglich ist, untereinander Vertretungen in der Urlaubszeit zu organisieren, und da hilft die EZG aus.
Mit großem Interesse nehme ich die Bemühungen und Mühen unserer Geschwister in den ländlichen Räumen Ostdeutschlands wahr, da gibt es viel Potenzial, aber auch frische Ideen. Ein Großevent war am Johannistag das Tauffest des Kirchenkreises Stendal in Arneburg an der Elbe: Rund 500 Menschen kamen da zusammen, etwa 40 von ihnen wurden an der Elbe oder auch in der Elbe getauft. Das hat nicht nur bei mir einen tiefen Eindruck hinterlassen.
Die Pfarrerin in Jerichow ist eine engagierte, junge Frau, die viel unterwegs ist, um ihre Gemeindeglieder zu erreichen. Ihre Besuchstage in den einzelnen Dörfern kündigt sie im Ge-meindebrief oder über andere Kanäle an. Gerade im Sommer gibt es aber auch immer wieder lokale Veranstaltungen: Kirchenkonzerte, Gemeindefeste, Filmabende und jeden Sonntag Gottesdienst in der Klosterkirche Jerichow.
Ich erlebe dort immer wieder viele liebenswerte und engagierte Menschen, die sich um einander kümmern und sehr offen und gastfreundlich sind. Viele dort geben ihren Zehnten an Zeit, nicht nur unsereiner.

Ehrenamt für Pfarrer

Emeritierte sind willkommen, Kontakt zur Evangelischen Zehntgemeinschaft Jerichow aufzunehmen. Der Einsatz ist grundsätzlich ehrenamtlich bei freiem Quartier, aber eigener Verpflegung. Die Evangelische Zehntgemeinschaft Jerichow wird derzeit geleitet von dem westfälischen Superintendenten i. R. Pfarrer Hermann de Boer, Masurenstraße 9b, 31832 Springe, Telefon (0 50 41) 8 02 74 17, E-Mail Hermann.de.Boer@t-online.de
8 ezgj.de

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