Autobahnkirchen
Geistliche Tankstellen für Reisende

Foto: epd-bild / Stefan Arend

Mit dem Slogan "Rast für Leib und Seele" werben die bundesweit 44 Autobahnkirchen um Besucher. Zum "Tag der Autobahnkirchen" präsentieren sie sich mit besonderen Aktionen, darunter auch in Hohenwarsleben in Sachsen-Anhalt.

Von Oliver Gierens (epd)

Auf der dicht befahrenen Autobahn 2 bei Magdeburg weist ein kleines Schild auf eine Oase der Ruhe mitten im geschäftigen Berufsverkehr hin. „Autobahnkirche“ heißt es kurz vor der Abfahrt Irxleben. Wer den Weg durch ein Gewerbegebiet mit Tankstellen und Fast-Food-Restaurants findet, landet plötzlich in dem kleinen, idyllischen Dorf Hohenwarsleben. Auf einem Hügel wartet dort die Kirche St. Benedikt aus dem 12. Jahrhundert auf Besucher.

Im September 2002 wurde sie die erste Autobahnkirche in Sachsen-Anhalt, drei weitere sind landesweit inzwischen hinzugekommen. Obwohl das kleine Dorf mit den engen Gassen nur gut einen Kilometer von der sechsspurigen Autobahn entfernt steht, bleibt der Verkehrslärm hier außen vor. „Die Besucher können hier etwas Ruhe tanken“, sagt Jürgen Puschke, der sich ehrenamtlich um die Autobahnkirche kümmert. Denn nicht nur Autos müssen gelegentlich an die Tankstelle, sondern auch Fahrerinnen und Fahrer.

Die Kirche hält dazu Anregungen bereit. Im Regal stehen Hefte mit Gebeten, Liedern und einem Reisesegen. Sie werden von der Akademie des Versicherers im Raum der Kirchen (VRK) bereitgestellt. Die Organisation mit Sitz in Kassel kümmert sich um die derzeit 44 Autobahnkirchen bundesweit. Die Infomaterialen sollen ein Wegbegleiter auf der Reise sein.

Laut VRK sollen die Autobahnkirchen „ein Gegenpol zum Leben auf der Überholspur“ sein und dazu einladen, Gott und sich selber zu finden. In Adelsried an der Autobahn Augsburg-München öffnete 1958 die erste Autobahnkirche Deutschlands ihre Tore. Seitdem würden jährlich bundesweit rund eine Million Menschen eines der Gotteshäuser aufsuchen, hieß es.

Doch obwohl die A2 zu den am stärksten befahrenen Autobahnen in Deutschland gehört, finden nicht viele Besucher den Weg nach Hohenwarsleben. „Im Schnitt sind es drei Gäste am Tag“, erzählt Puschke. Sie sind von der altehrwürdigen Kirche oft stark beeindruckt, wie das Gästebuch in der Kirche verrät. „Danke, dass es diesen Ort der Stille gibt. Schon oft habe ich auf den Schildern den Hinweis gesehen. Heute habe ich angehalten“, lautet ein Eintrag in dem dicken Buch. „Bitte um eine gute Reise von Usedom über Berlin nach Köln“, schreibt eine andere Person.

In der Hohenwarslebener Kirche ist am Sonntagnachmittag eine Andacht geplant. Bis das Gotteshaus vor 21 Jahren seine neue Bestimmung fand, war es ein langer Weg. Jahrzehntelang verfiel die Kirche. Zu Zeiten der Wende war sie eine Ruine. Puschke zeigt alte Fotos: Die Holzbalken an der Decke und das Dach waren eingestürzt, die Fenster zerborsten.

Um die Kirche zu retten, brauchte die Gemeinde Fördergelder - da kam die Anfrage nach einer Kirche in der Nähe der Autobahn gerade recht. Zwischen 1998 und 2002 flossen rund 500.000 Euro Fördermittel der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, des Landes Sachsen-Anhalt und aus Lottomitteln in den Wiederaufbau.
Seitdem finden zahlreiche Gäste auch aus anderen Ländern wie Polen und den Niederlanden den Weg nach Hohenwarsleben. Gelegentlich gibt es Gottesdienste und Konzerte, auch Führungen bietet die Gemeinde an. Das alles wird laut Puschke über Spenden finanziert, denn Gelder für den Betrieb der Autobahnkirchen gebe es nicht.

Autor:

Katja Schmidtke

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