Seltsame Logik

Diese arme Witwe hat mehr in den Gotteskasten gelegt als alle, die etwas eingelegt haben.
Markus 12, Vers 43 b

Von Reinhard Simon

Die Verkündigung am 3. Passionssonntag bringt unsereinen in Bedrängnis. Die Begebenheiten im Tempel, als eine arme Frau zwei Kupfermünzen in den Gotteskasten einwarf, gehen an etwas Äußerstes. Sie reimen sich nicht auf ein »normales« Leben. »Wenn man sich in die Gestalt und das Schicksal Jesu von Nazareth versenkt, dann steigt einem wohl irgendeinmal ein beunruhigendes Gefühl auf: Wie geht denn dieses Leben? Kann denn etwas Derartiges sein?«, schrieb Romano Guardini in seinem wunderbaren Jesus-Buch.
Man hat gefragt, wie man sich die Begebenheiten im Tempel denn konkret vorstellen solle. Was hatte Jesus auf dem Hof der Frauen »zu suchen«? Was konnte er real sehen oder gehört haben? Wurde hier gar eine Legende mit Jesus in Verbindung gebracht? Findet sich doch sonst im Jüdischen und im Indischen Ähnliches. All das aber trifft nicht das Besondere des Evangeliums.
»Diese Frau hat aus ihrem Mangel alles von sich gegeben!« Das zu zeigen, hatte Jesus eigens seine Jünger zusammengerufen. Warum? Er muss in dieser Witwe seine eigenen letzten Stunden vor sich gesehen haben. Es war das Letzte, das er gemäß dem Evangelium im Tempel erlebte. Und wieder war es eine Frau, die seinen eigenen Weg vorzeichnete. Er gab ihr Würde. Wie sie hatte er selbst nur noch sein bloßes Leben zu geben. »Der Menschensohn hat nichts mehr, wo er seinen Kopf hinlegen kann …« Auf diesen Augenblick hatte er sich und die Seinen vorbereitet: »Wer seine Hand an den Pflug legt, sehe nicht zurück!«
Fragen wir noch einmal nach: Was war ihm sein Leben wert? Oder anders: Welchen Wert hat es, auf Gott zu vertrauen? Oder noch einmal anders: Welchen Wert hat die Kirche, rechnete man alle ihre Schätze und Zukunftsperspektiven zusammen? Mit dem, was Jesus zeigte, könnte man antworten: ganze zwei Cent, plus-minus! Da mag man erschrecken. Aber Jesus würde wohl zurückfragen: Ist das etwa wenig? Oder ist ein Weizenkorn, in die Erde gesät, wenig?
Seltsame, beunruhigende, aufs Äußerste gehende Logik des Evangeliums! Von der Bedrängnis kann man nichts wegnehmen. Aber in diesen zwei Cent liegt eine Würde, das Geheimnis einer Liebe, eine Spur auf Ostern hin.

Autor:

Kirchenzeitungsredaktion EKM Süd

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