Musik öffnet Türen

Es muss nicht immer Orgel sein: Eingängige Lobpreislieder begeistern beim Abendgottesdienst »Aufwind« im Jenaer Lutherhaus 50 bis 100 Besucher. | Foto: Lutherhaus Jena
  • Es muss nicht immer Orgel sein: Eingängige Lobpreislieder begeistern beim Abendgottesdienst »Aufwind« im Jenaer Lutherhaus 50 bis 100 Besucher.
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Der »Aufwind« im Jenaer Lutherhaus steht für eine offene Gottesdienstform – ein Konzept, das sich seit 15 Jahren großer Beliebtheit erfreut.

Von Beatrix Heinrichs

Die Band spielt schon, der Gemeindesaal im Lutherhaus beginnt sich zu füllen. Vor allem junge Leute sind es, vom Konfirmanden bis zum Mittdreißiger, die an diesem Sonntagabend zum »Aufwind«-Gottesdienst in das Evangelische Gemeindezentrum in Jena-Ost kommen. Hanna Kauhaus, seit Jahren ehrenamtlich im Lutherhaus engagiert, kennt den Grund, der viele zum »Aufwind« trägt. »Das ist ganz klar die Musik«, sagt sie lächelnd.
Vor 15 Jahren hatte den Gottesdienst der damalige Pfarrer Andreas Möller ins Leben gerufen. Ursprünglich gedacht, um den Morgengottesdienst zu entlasten, hat sich der »Aufwind« inzwischen dank Pfarrer Jörg Gintrowski zu einem eigenen Format etabliert. Von konventionellen Gottesdiensten unterscheidet ihn die offene Gestaltung, bei der die Liturgie auf ihre wesentlichen Elemente beschränkt ist. Zudem wird der Gottesdienst moderiert, es gibt eine vermittelnde Instanz zwischen Pfarrer bzw. dem Gottesdienstgeschehen und der Gemeinde. »Viele Christen tun sich schwer mit der herkömmlichen Form unserer lutherischen Gottesdienste; sie finden keinen Raum, in dem sie persönlich vorkommen«, erklärt Hanna Kauhaus. Der »Aufwind« lässt nach der Predigt bei einem ruhigen Klavierstück Zeit für ein stilles Gebet oder um das Gehörte noch einmal nachklingen zu lassen. Auch gibt es die Möglichkeit, eigene Gebete auf kleine Kärtchen zu schreiben, damit diese für die Gemeinde im Anschluss verlesen werden können. Wer mag, kann nach vorne treten und von den eigenen, jüngsten Erfahrungen mit Gott erzählen, um sie mit den anderen zu teilen. Zwei junge Frauen berichten von einem stressigen Jahresende und schweren Entscheidungen und davon, wie sie sich in dieser Zeit von Gott bestärkt und ermutigt gefühlt haben. Und dann ist da natürlich die Musik. Nicht die Orgel, die Band spielt: Coole, rhythmische Lobpreislieder, mal deutsch, mal englisch, die Melodie eingängig, die Texte zeitgemäß. Der Lobpreis als besondere Form des Gebets findet sich schon in den Psaltern des Alten Testaments. Durch das Aufkommen der charismatischen Bewegung in den 1960er-Jahren erlebte der Lobpreis – übersetzt in zeitgenössische Lieder – vor allem in den Kirchen im englischsprachigen Raum eine Renaissance. Mitte der 1980er-Jahre hielt der Lobpreisgottesdienst auch in deutschen Gemeinden Einzug.
»Die Lobpreislieder sind für mich das Highlight des Gottesdienstes«, sagt Kira Wochow. Die Lehramtsstudentin stammt aus Niedersachsen und lebt seit zwei Jahren in Jena, zur Zeit unterstützt sie die Arbeit in der Konfirmandengruppe am Lutherhaus. Mit ihrer Empfindung ist sie nicht allein: In den Reihen wird mitgesungen, manche stehen auf, breiten die Arme aus, tanzen, klatschen oder schließen die Augen und lassen die Musik wirken – jeder ist ganz bei sich und vielleicht auch Gott ein bisschen näher.
»Der ›Aufwind‹, das ist gelebte Beteiligungskirche«, sagt Dr. Christoph Rymatzki. Seit Februar 2017 ist er Pfarrer im Gemeindebezirk und findet es schön zu sehen, dass Studierende hier eine geistige Heimat finden – wenn auch nur vorübergehend. »Die hohe Fluktuation gerade in dieser Altersgruppe ist eine besondere Herausforderung«, weiß Hanna Kauhaus. Denn nicht nur um Musik, Technik und die Häppchen für das Bistro im Anschluss an den Gottesdienst muss sich gekümmert werden. Auch inhaltlich und konzeptionell muss vor- und nachbereitet werden. Allein der »Aufwind« hat
70 Mitarbeiter. Was für die Gottesdienste gilt, trifft auch auf Seminare, Hauskreise, Glaubenskurse, Gebetsrunden oder seelsorgerische Dienste zu. Das Lutherhaus gleicht da fast einem kleinen Unternehmen, in dem zahlreiche Ehrenamtliche die Aufgaben in der Gemeindearbeit übernehmen. Realisierbar wird vieles aber erst durch die Unterstützung des Fördervereins, der u. a. die Pfarrstelle von Jörg Gintrowski finanziert.
»Manchmal nennen wir ihn scherzhaft den Aufwand-Gottesdienst«, sagt Hanna Kauhaus und lacht. Aber die Mühen seien es ihr allemal wert, sagt sie. »GOTT erfahren – LEBEN teilen«, das Motto, das sich die Lutherhaus-Gemeinde gegeben hat, sei für sie verbindlich.

Autor:

Kirchenzeitungsredaktion EKM Süd

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