Kunst
Maler der Seele

Edvard Munch, Melancholie (Abend), 1891 | Foto: epd-bild / Jürgen Blume
  • Edvard Munch, Melancholie (Abend), 1891
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Edvard Munch gilt als ein Wegbereiter der Moderne, der mit seinen melancholischen, farbintensiven Bildern das Publikum gleichermaßen faszinierte und schockierte. Seine erste Ausstellung in Berlin 1892 wurde nach nur einer Woche wieder geschlossen.

Von Sigrid Hoff (epd)

Der norwegische Künstler Edvard Munch (1863-1944) war ein Maler menschlicher Seelenzustände. Sein wohl bekanntestes Gemälde ist „Der Schrei“, das er zwischen 1893 und 1910 in mehreren Fassungen malte. Es zeigt eine menschliche Figur mit aufgerissenem Mund und an die Ohren gepressten Händen vor der weiten Landschaft am Oslofjord, über die sich ein roter Abendhimmel wölbt. Munch setzt darin das persönliche Erlebnis eines Angstzustandes während eines Abendspaziergangs am Wasser in Szene. Die Natur ist für ihn ein Spiegel des inneren Erlebens. Vor 80 Jahren, am 23. Januar 1944, starb der Künstler in Oslo.

Die Faszination seiner Gemälde, die zu den Ikonen der Malerei im 20. Jahrhundert gehören, ist ungebrochen. Seinen künstlerischen Durchbruch erlebte er um 1900 in Berlin. Daran erinnern seit Herbst 2023 zwei große Ausstellungen in der Berlinischen Galerie/Museum für Moderne Kunst in Berlin („ Zauber des Nordens“, bis 22. Januar) und im Museum Barberini in Potsdam („Munch. Lebenslandschaften“, bis 1. April). Sie würdigen sowohl den Maler der Seele als auch den Schöpfer melancholischer Naturdarstellungen.

Das wechselvolle Leben des exzentrischen Künstlers, dessen Aufstieg begleitet war von Alkohol-Exzessen und nervösen Leiden, porträtiert zudem der Film „Munch“ von Henrik Martin Dahlsbakken, der ebenfalls Ende 2023 auf die Leinwand kam.

Geboren wird Edvard Munch 1863 als zweites Kind eines Arztes in Løten, nordöstlich von Christiania, dem heutigen Oslo. Der frühe Tod seiner Mutter und seiner älteren Schwester Sophie, die beide an Tuberkulose sterben, prägen den jungen Künstler. Er verarbeitet das Thema Tod in zahlreichen Gemälden und Grafiken, „Das kranke Kind“ thematisiert in mehreren Fassungen den Tod seiner Schwester. Aufgrund einer chronischen Bronchitis ist Munch selber während seiner Kindheit und Jugend wiederholt ans Bett gefesselt.

1879 beginnt er zunächst auf Wunsch des Vaters ein Architekturstudium, beschließt aber bereits nach einem Jahr, Maler zu werden und wechselt an die Königliche Zeichenschule in Oslo. Er verkehrt in den Kreisen norwegischer Naturalisten und malt erste Selbstbildnisse. 1884 erhält er Kontakt zur „Kristiania-Boheme“ um den anarchistischen Schriftsteller Hans Jaeger und den Maler Christian Krohg. Ihr Credo: Gefühle und Gedanken, auch über Sexualität, in der Kunst offen auszudrücken.

Munch beginnt eine Affäre mit der verheirateten Milly Thaulow, die für ihn traumatisch endet. Die unglückliche Liebe verarbeitet er in zahlreichen Bildern wie „Der Kuß“ (1897) oder auch „Auge in Auge“ (1894), die den Konflikt zwischen den Geschlechtern spiegeln.

Im Jahr 1892 kann er seine Werke erstmals auf einer Einzelausstellung in Berlin zeigen. Doch die Radikalität seiner Malerei, die viele als unfertig empfinden, spaltet Publikum und Kritiker. Nach nur einer Woche wird die Schau wieder geschlossen und geht als „Affaire Munch“ in die Geschichte ein.

„Für uns markiert Edvard Munch den Beginn der Moderne“, urteilt aus heutiger Perspektive Stefanie Heckmann, Sammlungsleiterin und Kuratorin der Munch-Ausstellung in der Berlinischen Galerie. Der norwegische Maler wird durch die „Affaire Munch“ schlagartig berühmt und zieht an die Spree, wo er bis 1907 immer wieder über längere Zeiträume lebt und arbeitet.

In der Hoffnung, mit seiner Kunst das Publikum zu erreichen, beginnt Munch Einzelbilder thematisch und motivisch zu einem „Lebensfries“ zusammenzustellen - als Erzählung aus einem modernen Seelenleben, wie Kunsthistorikerin Heckmann erklärt: „Munch hat zeit seines Lebens daran gearbeitet, er war nie abgeschlossen.“ 1902 zeigt er den „Lebensfries“ mit 22 Bildern erstmals bei der Berliner Secession. Zu den wichtigsten Arbeiten gehören neben dem „Schrei“ die Werke „Madonna“, „Vampir“, „Melancholie“.

An der Spree entdeckt Munch auch die Druckgrafik als eine neue Technik. Und schließlich bildet für ihn die Fotografie eine wichtige Ergänzung. Den Kauf einer Kamera im Jahr 1902 nutzt er, um Motivszenen und Ausstellungen zu dokumentieren, aber auch um sich selbst immer wieder zu inszenieren. Nach einem Nervenzusammenbruch und Klinikaufenthalt in Kopenhagen 1908/09 kehrt der Maler dann endgültig nach Norwegen zurück.

Eine zentrale Rolle in Munchs Werk spielen die Küste seiner norwegischen Heimat und das Meer. Die geschwungene Uferlinie am Wasser vergleicht er in seinen Notizen mit „Lebenslinien, die sich ständig verändern“. Die Natur, insbesondere die Sonne, wird zum zentralen Motiv einer Serie von Wandbildern, die er für die Aula der Universität in Oslo realisiert.

1916 erwirbt er ein Anwesen in Ekely bei Oslo, wo er, umgeben von seinen Bildern, bis zu seinem Tod am 23. Januar 1944 in selbst gewählter Isolation lebt und arbeitet. Der Stadt Oslo hinterlässt er mehr als 1.000 Gemälde, 15.400 Grafiken, 4.500 Zeichnungen und Aquarelle sowie Briefe und Manuskripte, die heute vom Munch-museet aufbewahrt werden.

Autor:

Katja Schmidtke

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