Berichtet
Mehr als Fachwerkidylle

Maria Hufenreuter engagiert sich in der Initiative Jüdischer Friedhof Quedlinburg. | Foto: Uwe Kraus
  • Maria Hufenreuter engagiert sich in der Initiative Jüdischer Friedhof Quedlinburg.
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Nachdenklich weist Maria Hufenreuter auf die Namenstafeln an der Mauer des jüdischen Friedhofes in Quedlinburg. Die Gründerin der Initiative Jüdischer Friedhof Quedlinburg liest Namen von jüdischen Quedlinburgern vor, die hier wohl hätten begraben sein können, wenn sie nicht deportiert, geschunden und vergast worden wären oder selbst aus dem Leben schieden. Die Idee, den jüdischen Friedhof an der Zwergenkuhle der Welterbestadt zu einem Gedenkort zu wandeln, hatte die Kulturmanagerin, die heute in der Evangelischen Stiftung Neinstedt für die Fortbildung in Diakonie-Kolleg verantwortlich ist, 2018. „Ich habe den Friedhof auf dem Stadtplan entdeckt, als wir hierher zogen.“
Unermüdlich recherchierte die Mutter zweier Kinder, knüpfte den Kontakt zur jüdischen Gemeinde Magdeburg und las alte Dokumente im Halberstädter Stadtarchiv. Der unterdessen verstorbene Dr. Manfred Kummer hat sich sehr große Verdienste um die Bewahrung der jüdischen Geschichte Quedlinburgs erworben, betont Maria Hufenreuter. Sein in den 1990er-Jahren entstandenes Archiv sei „Gold wert“ und berichtet wesentliche Dinge zum Jüdischen Friedhof. Die Initiative Jüdischer Friedhof Quedlinburg, ein loser Verbund unterm Dach der „Reiche“ forscht auch daran, warum 1977 alle alten Grabsteine verschwanden.
Maria Hufenreuter weiß um die wilden Gerüchte darum und sprach mit einem Beteiligten. Es existieren damalige Beschwerden darüber, dass der Friedhof vernachlässigt wirkte, zunehmend Jugendliche dort zwischen den teilweise Jahrhunderte alten Grabsteinen mit deutschem und hebräischen Text gefeiert und diese beschädigt haben sollen. So ebnete man unter den Augen der Quedlinburger und ohne bisher nachweislichen größeren Protest dagegen den Friedhof ein. 2019 griffen dann Jugendliche zu Spaten und Schippe, wenn sich auf dem Display in 40 Zentimeter Tiefe Strukturen abzeichneten, die auf Steinreste hindeuten.
Hufenreuters Hoffnung, dass sich unter der Grasnarbe noch Steinreste der ehemaligen Grabanlagen befinden, habe sich zerschlagen. Nur im Gestrüpp fand sich ein Steinstück. Leider fehlt auch eine Liste, wer auf dem jüdischen Friedhof einst bestattet wurde. Doch wo vor einigen Jahren noch eine verkrautete Rasenfläche war, ist gemäht und haben die „Fußabdrücke“, ein Kunstprojekt der Ballenstedter Steinbildhauerin Esther Brockhaus, ihren Platz gefunden.
„Mir ist wichtig, den Menschen zu zeigen, dass Quedlinburg mehr bietet als schnöde Fachwerkidylle,“ redet Maria Hufenreuter, die vor wenigen Tagen mit dem „Ehrentaler der Welterbestadt Quedlinburg“ geehrt wurde, Klartext. Darum freut es sie, dass die städtische Tourismus-Info Führungen durch das jüdische Quedlinburg anbietet. Das Ziel ihrer Initiative, die auch durch die Forschungen des Bundestagsabgeordneten Eberhard Brecht, der zwei Broschüren zur jüdischen Geschichte der Stadt herausbrachte, unterstützt wird, ist es, den jüdischen Friedhof der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ein Flyer wird gerade vorbereitet. Hufenreuter hält jährlich nur eine Öffnung zum 9. November, dem Tag der Reichs-pogromnacht, einfach für zu wenig. Sie selbst hat viele jüdische Friedhöfe besucht; Prag, Berlin-Weißensee und in Halle, wo sie aufwuchs und natürlich in Halberstadt. „Ich suche dort, wo ich gerade bin, nach solchen Orten mit dem besonderen Flair.“
Dass sie den Ehrentaler in Empfang nehmen durfte, und der Oberbürgermeister Frank Ruch eine Laudatio auf sie hielt, hat sie sichtlich gefreut. Hob er doch neben ihrem „Hauptengagement“ auch hervor, wie sie sich für andere Aktionen, von Kulturstammtisch über das „Zeitenwende“-Projekt bis zur Harzmovienale, kulturell an ihrem Wohnort einbringt.  Uwe Kraus

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