Andacht Friedensdekade 2025
Friede auf Erden - Sehnsucht und Wirklichkeit

Foto: S. Kelm

Liebe Mitmenschen! 

„Friede auf Erden.“
So singen die Engel in der Weihnachtsgeschichte.
So singen wir es jedes Jahr.
So steht es auf Plakaten, Kerzen, Bannern – besonders zur Friedensdekade.
Doch wir wissen: Dieser Satz ist kein Bericht aus der Welt, wie sie ist,
sondern die Verheißung einer Welt, die Gott will.
Friede – das ist kein Zustand, den wir einfach vorfinden.
Friede ist eine Aufgabe, eine Zumutung, ein Ruf.

„Friede auf Erden“ ist nicht Bestandsaufnahme, sondern Anfang einer Bewegung.
Und mitten in diese Bewegung hinein spricht Jesus immer wieder Worte, die wie ein Grundton des Evangeliums erklingen:

„Fürchtet euch nicht.“
 In diesen Worten liegen für mich vier Dimensionen verborgen: Die Hirten hören die Stimme des Engels auf dem Feld – und aus dem Hören wird eine Berufung. Da ist Jesu Wort mitten im Sturm, in der Bedrohung. Da ist unsere Sendung zum Frieden. Und da ist Hoffnung – die Auferstehung als Grund für unseren Mut. Berufung, Bedrohung, Sendung und Auferstehung.

1. Sich rufen lassen. Unsere Berufung – „Fürchte dich nicht“

Am Anfang sind da die Hirten auf dem Feld.
Einfache Leute, unsichere Existenzen, Menschen ohne Macht und ohne Stimme.
Der Engel sagt: „Fürchtet euch nicht, denn euch ist heute der Heiland geboren.“ (Lk 2)
Friede beginnt nicht allein in Konferenzzentren, nicht nur an Verhandlungstischen,
sondern ganz klein bei den Menschen, die sich rufen lassen:
neugierig, mutig, zusammen, mit offenem Herzen und Mitgefühl.
Die Hirten gehen mutig los, um Jesus zu begegnen.
Berufung heißt: Sich rufen lassen. Zuhören. Entschlossen losgehen und die Geschichte selbst sehen und mitgestalten. Gott traut dir zu, Frieden zu leben –
mitten in deinem Alltag, mit deinen Möglichkeiten, trotz deiner Grenzen.

2. Angesichts von Bedrohung ruft Jesus: „Fürchtet euch nicht“

Die Jünger sitzen in einem Boot:
Da ist Dunkelheit, Wind, Wellen, die alles verschlingen wollen.
Jesus tritt in den Sturm hinein und sagt:
„Ich bin es; fürchtet euch nicht.“ (Mk 6,50)
Nicht: „Es passiert euch nichts.“
Nicht: „Der Sturm hört sofort auf.“
Sondern: „Ich bin da.“
Friede bedeutet nicht Abwesenheit von Gefahr,
sondern Gottes Gegenwart mitten im Sturm. Das ist eine Glaubenserfahrung, eine Verheißung – sie trägt und verbindet Menschen. Und zugleich wissen wir: Wir leben in dieser Welt, in ihren Strukturen, in Politik, Geschichte und Verantwortung.

Darum lohnt es sich, den Blick zu weiten. 

Auch jenseits der religiösen Perspektive gibt es wichtige Gedanken:
Immanuel Kant untersucht in seiner Schrift „Zum ewigen Frieden“ die Bedingungen des Friedens. Viele seiner Überlegungen prägen bis heute die Charta der Vereinten Nationen.
Seine Ausgangsthese lautet: Der irdische Friede ist ein zerbrechliches Gut.
Er schreibt: „Der ursprüngliche Zustand der Menschen ist nicht der Friede, sondern ein Zustand möglicher Feindseligkeit. Der Krieg selbst braucht keines besonderen Bewegungsgrundes, sondern scheint auf die menschliche Natur gepfropft zu sein.“ Friede fällt nicht vom Himmel – er entsteht durch Verhandlungen, Abmachungen und menschliche Mühe. Darum formuliert Kant: „Es soll kein Friedensvertrag gelten, der mit dem Vorbehalt eines künftigen Krieges geschlossen ist.“ Und weiter: „Es soll sich kein Staat im Kriege solche Feindseligkeiten erlauben, welche das wechselseitige Zutrauen im künftigen Frieden unmöglich machen müssen: Meuchelmord, Gift, Verrat, Wortbruch …“
Denn: Ohne Vertrauen kann kein Friede entstehen.
Kants Gedanken sind erschreckend aktuell.

Da ist Krieg, wohin man schaut:
• im Osten der Ukraine, wo erbittert um jeden Kilometer Land gekämpft wird. Manchmal von Gebietsabtretungen die Rede ist. Erst dieses Jahr haben wir mit unserer Wandergruppe in Tschechien die ehemalige Verteidigungsanlage "Stachelberg" besucht und ich komme nicht umhin mich vor dieser Geschichtserfahrung zu fragen: Was, wenn es im Fall der Ukraine nicht bei diesen Gebietsabtretungen bleibt? Was, wenn das ein fauler Frieden ist?
• im Gazastreifen, wo der Konflikt zwischen Israel und der Hamas nach dem Friedensschluss im Oktober 2025 eine vorsichtige Wendung nimmt. Vereinbarungen wie die Freilassung von Geiseln und schrittweise Rückzüge der Truppen geben Anlass zur Hoffnung. 
• im Sudan, wo seit 2023 zwei Generäle und ihre Unterstützer um die Macht ringen und eine humanitäre Katastrophe offenbar in Kauf genommen wird. Schwere Menschenrechtsverletzungen stehen im Raum. Es droht ein Völkermord. Wie kann hier ein künftiger Friede aussehen?

Elf Millionen Menschen sind auf der Flucht.
Fünfundzwanzig Millionen hungern.
Krieg wächst aus Angst, aus Konkurrenz oder Machtstreben.
Und so erklingt Jesu Wort wie aus einer anderen Welt:
„Fürchtet euch nicht.“

3. Sendung – „Fürchtet euch nicht“

Jesus ruft Menschen in seine Nachfolge.
Zu Petrus sagt Jesus:
„Fürchte dich nicht; von nun an wirst du Menschen fischen.“ (Lk 5,10)
Friede braucht Menschen, die furchtlos beginnen:
in Gesprächen, Familien, Gemeinden, politischen Räumen,
im Umgang mit Fremden, im Umgang mit eigenen Verletzungen.
Du bist gesandt, ein Friedenszeichen zu sein.
Du bist von etwas, von jemand Größerem gerufen und gehalten.
Weil das so ist ...kannst du realistisch sein ... 
Du kannst das dir als Mensch Mögliche tun. 

Menschen sind zu Gutem und Bösem gleichermaßen fähig.
Im Jahr 2025 gab es zahlreiche Gedenkveranstaltungen zum 80-jährigen Ende des Zweiten Weltkrieges. Der Historiker Sönke Neitzel schreibt in seinem Buch „Deutsche Krieger. Vom Kaiserreich zur Berliner Republik ...“ als Erkenntnis aus den Schrecken der Vergangenheit: „Die meisten Menschen sind in der Lage, zu quälen oder gar zu töten, wenn bestimmte Parameter gegeben sind.“ (S. 221) Das ist eine ernüchternde Einschätzung der menschlichen Natur. Umso mehr ist es unsere Verantwortung, Frieden immer wieder neu zu suchen, auszuhandeln und zu leben, wo immer es uns möglich ist. Als Christen und Christinnen beten wir für die Menschen, die Leid erfahren. Wir beten für Menschen, die sich für andere einsetzen. Für Menschen, die sich für die Freiheit anderer und  für die Unversehrtheit des Lebens stark machen. Menschen, die jeden Tag ihr Bestes dafür geben, das Böse zu zügeln. In sich selbst, in Strukturen und in meinem Nächsten. In Politik, Kirche und Gesellschaft. 

4. Auferstehung – „Fürchtet euch nicht“

Am Grab, am tiefsten Punkt jeder Angst, hören die Frauen:
„Fürchtet euch nicht. Er ist nicht hier. Er ist auferstanden.“ (Mt 28,5–6)
Das ist der tiefste Grund christlicher Friedenshoffnung:
Der Tod, der Hass, die Gewalt, die Angst – sie haben nicht das letzte Wort.
Das letzte Wort gehört Gott.
Und dieses Wort heißt Leben.


„Friede auf Erden“ – so beginnt Gottes Geschichte mit uns.
„Fürchtet euch nicht“ – so begleitet Christus uns in ihr.

Wenn wir diesen Ruf hören und ihm folgen, dann kann Friede wachsen:
in unseren Herzen, in unseren Beziehungen, in unserer Kirche, in unserer Welt.
Fürchtet euch nicht.
Christus ist mitten im Sturm.
Sein Friede ist möglich.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

Autor:

Denise Scheel

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