Andacht Weihnachten
Es flimmert und funkelt

Foto: pixabay

Liebe Mitmenschen!

„Alles muss klein beginnen, lass etwas Zeit verrinnen, es muss nur Kraft gewinnen und endlich ist es groß ...“ dichtet Gerhard Schöne 1988. Er weiß um die Kraft der kleinen Schritte und sieht genau hin … auf das, was im Dunkeln verborgen liegt und emporwachsen möchte. Weihnachten 2022! Da sind Vorfreude, leuchtende Kinderaugen, Musik, Gesang, hoffen und lieben … ob, sich die Eltern denn über die kleinen selbst gebastelten Geschenke aus Schule und Kindergarten freuen werden? Ein Stern, ein gemaltes Bild, ein Lied, vielleicht eine handgeschriebene Karte oder sogar ein Brief. Kleine Mitbringsel und Aufmerksamkeiten sind vielleicht schon in den letzten Tagen ausgetauscht worden. Sie zaubern Menschen ein Lächeln ins Gesicht. Großen und Kleinen. Weihnachten beginnt klein … Es wird ein Kind geboren, mitten in Armut, im Stall erblickt es das Licht der Welt. Maria und Josef halten es wärmend im Arm. Ein kleines Licht erleuchtet den Raum und es ist still. Gott kommt auf die Erde! Jesus ist geboren! Ein kleines Kind … eine zärtliche Umarmung, ein Besuch, ein Gebet, manchmal auch nur ein beieinandersitzen, zuhören, und mittragen, was nicht zu ändern ist. Gemeinsam das Leben tragen … auch davon erzählt die Weihnachtsgeschichte. Im Kleinen beginnt Gottes große Geschichte auf Erden. „Fürchtet euch nicht! Siehe ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.“ (Lk 2,10b.11)

Es ist eine große Familie, die sich im Jahr 1886 in Frankreich Weihnachten in der Wohnstube versammelt. Thérèse ist 13 Jahre alt und das jüngste von neun Kindern. Die Mutter starb, als sie erst vier Jahre alt ist. An diesem Weihnachtsfest begegnet die junge Thérèse, Jesus, wie sie später sagt. Sie fühlt sich von Jesus so innerlich berührt, dass sie zwei Jahre später – wie ihre zwei älteren Schwestern – in den Karmel – die Ordensgemeinschaft - von Lisieux eintritt. Sie nennt sich fortan: Thérèse de l‘enfant Jesus – Therese vom Kinde Jesus. Therese folgt den Glaubensmaximen: „Kleinheit“ und „Barmherzigkeit“, sie folgt dem „kleinen Weg“ und begibt sich wie ein Kind vertrauensvoll in die Arme Gottes.

In ihren Geschichten ist der Blick vom Kleinen her, auf das große Geheimnis Gottes stark. Mit ihr schauen wir durch ein Kaleidoskop. Therese entdeckt es bereits als Kind (vielleicht 1880) und untersucht es. Die bunten Lichtbilder faszinieren sie und sie erkennt später: „Ich sah darin das Abbild eines großen Geheimnisses. Solange unsere Taten, selbst die unscheinbarsten, nicht den Brennpunkt der Liebe verlassen, gibt ihnen der Dreifaltige Gott – versinnbildlicht durch die drei konvergierenden Spiegel – Glanz und bewundernswerte Schönheit. Ja, solange die Liebe in unserem Herzen ist, solange wir uns nicht von ihrem Zentrum entfernen, ist alles gut. “

Folgen wir an diesem Weihnachtsfest dem Blick von Therese durch das Kaleidoskop … dann sehen diese „Instrumente“ heute anders aus… aber gleich geblieben sind die Spiegel und der Blick vom Zentrum aus. Flimmernd und funkelnd bewegen sich die bunten Bilder mit dem Licht.  Die gelebte Liebe mit Christus im Herzen als Mittelpunkt. Ein schönes Bild! Weihnachten 2022. Gott wird als Mensch mit vielen bunten Facetten sichtbar. Je nachdem von welcher Seite wir hinschauen. Jesus Christus. Bejaht, empfangen, im Schoß der Mutter getragen, geboren, von Gott geliebt, mit Geist erfüllt, für die Wahrheit gestanden, berührt, mit Verbrechern das Brot geteilt, mit Kindern gelacht, über Glaubende gestaunt, den Selbstgerechten ein Unbequemer, beneidet, mit Leid vertraut, mit Zweifeln gerungen, der Angst ins Gesicht geschaut, trotz allem der Liebe nichts vorgezogen. Christus: ein Mensch für uns!

Weniger. Kleiner. Konzentrierter. Auf den Mittelpunkt ausgerichtet. „Der Staat könne den uns bekannten Wohlstand künftig nicht mehr garantieren“ heißt es in einem Zeitungsartikel dieser Tage. Weniger haben, mehr sein. So erweitert sich im Moment die Ratgeberliteratur, die ein anderes Leben ins Auge fasst. Wir erleben als Gesellschaft einen großen Wandel, der uns durch den Krieg in der Ukraine, die Inflation im Land und die Energie- und Klimakrise Sorgen bereitet und manche Menschen schon jetzt an den Rand des Machbaren bringt. Da sind Zukunftsängste und Existenzen geraten in bedrohliche Lagen. Manche erwarten eine Zukunft, die nicht besser wird, sondern eine Zeit, in der die Probleme zunehmen.

Das Kind in der Krippe kommt zu den Menschen, die sich kaum noch konzentrieren können. Menschen, die sich niedergedrückt fühlen, deren Welt grau geworden zu sein scheint. Dieses kleine Kind kommt bis heute mit seiner Liebe in unsere von Angst und Sorgen beherrschte Welt. Es kommt in der größten Armut, im Stall, in einfachen Verhältnissen zur Welt. Seine Liebe leuchtet weit! Er wird überall dort mittragen, mithören, mitleiden, wo wir Menschen bedrängt sind. Er wird überall dort stark sein und mit seiner Macht wirken, wo wir unsere Hände und Herzen für seine Liebe offenhalten. Wo wir Menschen uns von Mensch zu Mensch begegnen, in einer Sprache des Herzens und der Güte. In der jeder Mensch in seinem Eigenwert gesehen und geachtet wird und nicht von seinen Leistungen, seinem Geldbeutel oder seiner gesellschaftlichen Rolle her beurteilt und oft gleich mit verurteilt wird. „Fürchtet euch nicht! Siehe ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.“

Hören wir zum Abschluss Worte von Madeleine Delbrèl (1904-1964), die sich einreiht in die Gruppe von Menschen, die alles daransetzen, dass Gottes Wille sie vollkommen erfasst, dass Christus der Mittelpunkt aller Liebe ist. Sie lieben, was er liebt und wie er die Menschen liebt. Es sind Menschen, die immer auf dem Sprung sind aufzubrechen, das Evangelium zu verkünden. Thérèse von Lisieux und Madeleine inspirieren durch ihr Vorbild, die Welt als einen Ort wahrzunehmen, in dem Gott im kleinen alltäglichen Tun und Lassen anwesend ist. Madeleine tut es als französische Poetin, Christin, Sozialarbeiterin und Mystikerin in der Arbeiterstadt Ivry, ein Vorort von Paris. So eilt sie an einem Abend von Straße zu Straße und sieht in der Metro die Menschen an.

„Meine Augen, meine Hände, mein Mund sind dein, Gott.
Diese so traurige Frau mir gegenüber: hier ist mein Mund, damit du ihr zulächelst. Dieses vor lauter Bleichsein fast graue Kind: hier meine Augen, damit du es anschaust. Dieser so müde, so müde Mann: hier ist mein Leib, damit du ihm meinen Platz gibst, meine Stimme, damit du ihm leise sagst: Komm, setz dich. Dieser so eingebildete, dumme, harte Bursche: hier ist mein Herz, dass du ihn damit liebst, stärker, als er je geliebt wurde. Missionen der Wüste, Missionen, die nicht fehlschlagen, Missionen, die gesichert sind, in denen man Gott mitten in der Welt sät, in der Gewissheit, dass er irgendwo keimen wird, denn:

Wo keine Liebe ist, pflanzt Liebe, und ihr werdet Liebe ernten.“

Ein gesegnetes Weihnachtsfest wünscht Ihnen!

Pfarrerin Denise Scheel

Literatur:

 Ulrike Voigt (Hg.), Die Kraft spiritueller Frauen, 2017, 72.
 Annette Schleinzer, Die Liebe ist unsere einzige Aufgabe. Das Lebenszeugnis von Madeleine Delbrèl, 2019, 176.

Autor:

Denise Scheel

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

3 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.