Andacht 2. Advent
Advent ist unterwegs bleiben
- hochgeladen von Denise Scheel
Liebe Mitmenschen!
1. Neuer Anfang – im Fluss bleiben
Es gibt Dinge, die entdeckt man erst, wenn man stehen bleibt.
Manches zeigt sich, wenn man stolpert. Und anderes entfaltet sich nur, wenn man weitergeht – wenn die Dinge im Fluss bleiben.
Mein Beginn in der Kreispfarrstelle 2022 war ein Sprung ins kalte Wasser. Ich hatte Zweifel, ob man diesen Dienst mobil über weite Strecken gut tun kann, war aber neugierig und überzeugt, dass neue Arbeitsformen im Pfarrdienst gebraucht werden. Also bin ich losgefahren – viele Kilometer. Wie Gott zu Josua sprach: „Sei stark und mutig; fürchte dich nicht, denn der HERR, dein Gott, ist mit dir bei allem, was du tust.“ Dieses Wort hat mich begleitet, wenn Wege unbekannt waren, ich nicht wusste, was oder wer mich als Nächstes erwartet und mein Orientierungssinn gefordert war.
Ein markanter Punkt auf meiner Strecke ist der Kreisverkehr hinter Buttelstedt. Von dort führen die Wege nach Apolda, Bad Frankenhausen/Kölleda oder nach Sömmerda. Mitten im Nirgendwo: ein Hügel mit einem Kreuz – ein Ort, an dem sich Wege ordnen oder manchmal neu entstehen. Der Verkehr fließt hindurch. Täglich passieren ihn viele Menschen. Niemand bleibt stehen. Alles soll im Fluss bleiben. Es ist eine pulsierende Lebensader und ein Ort des Übergangs.
2. Zweiter Advent – unterwegs an einer Wegkreuzung
Dieser Kreisverkehr ist für mich deshalb mehr als nur eine clevere Verkehrsführung. Er ist ein Ort der Entscheidung. Man kommt hinein, ist in Bewegung – und irgendwann muss man wählen: weiterfahren, abbiegen oder noch eine Runde drehen. Ein Kreisverkehr erlaubt Bewegung, aber er zwingt auch zur Aufmerksamkeit. Wer hier einfach weiterrollt, ohne hinzusehen, bringt sich und andere in Gefahr.
Der zweite Advent führt uns genau an so einen Ort. Die Bibel stellt uns an diesem Sonntag eine besondere Gestalt an die Seite: Johannes den Täufer. Er steht nicht bequem am Ziel, sondern mitten im Übergang. In der Wüste. Zwischen dem Alten und dem Neuen. Zwischen dem, was war, und dem, was kommt.
Johannes ruft: „Bereitet dem Herrn den Weg!“
Das ist kein sanfter Vorschlag. Es ist eine Unterbrechung des gewohnten Flusses. Johannes fragt nicht, ob alles gut läuft. Er fragt: Läuft es eigentlich in die richtige Richtung? Wo sind wir aus Routine unterwegs – beschäftigt, engagiert, in Bewegung, aber innerlich stehen geblieben? Wo sehen wir wichtige Wegmarken nicht mehr? Wo müssten wir anders handeln und tun es nicht?
Der zweite Advent ist eine Einladung zum Innehalten mitten im Verkehr des Lebens. Ein Moment, in dem wir kurz vom Gas gehen dürfen.
3. Übergänge und Beziehungen
Solche Fragen und Übergangsmomente sind mir in meiner Zeit in der Kreispfarrstelle im Vertretungs- und Entlastungsdienst sehr vertraut geworden – mitten im Fluss und immer wieder die Fragen: Wo stehe ich gerade, und was braucht es jetzt von mir?
Da waren lebendige Gemeinden, die ihre Abläufe und Kirchen gut kennen. Engagierte und zugewandte Menschen. Viele Orte, in denen die Dinge gut laufen: ehrenamtliche Geschäftsführer, eine Kirchbaumeisterin, Sekretärinnen, Lektoren und Musiker, die ihre Arbeit mit Freude gestalten. Eingespielte Teams. Verlässliche Partner in den Regionalgemeinden. Klare Strukturen. Gut nutzbare Gebäude – alles zusammen eine sehr gute Basis.
Für mich hieß das: Schnell Beziehungen knüpfen, mich einordnen, die Riten einer Gemeinde erfassen – und zugleich wissen: Es ist auf Zeit. Sie haben mich freundlich aufgenommen. Gemeinsam haben wir gehört, gelebt, gelacht, gegessen, gebetet, gesungen und getanzt. Wir haben das Schwere getragen, getrauert und Abschied genommen. Diese Begegnungen haben mich berührt und mich im Fluss gehalten – ich hoffe, Ihnen ging es ähnlich?
4. Flummis – bewegliche Momente
Hier vorn steht ein Glas mit Flummis. Kinder lieben sie. Eigentlich zaubern sie Menschen egal welchen Alters ein Lachen ins Gesicht. Ich würde sie Ihnen jetzt gern in die Menge werfen … aber das traue ich mich gerade doch nicht. So ein Flummi springt manchmal weit, und es ist unberechenbar, wo er aufkommt und wie es weitergeht. Genau das macht ihn spannend.
Wenn ich zurückblicke, leuchten einige gemeinsame Momente besonders hell:
– der Valentinstag in Sachsenburg,
– die neu gestalteten Weltgebetstagsabende in Gorsleben,
– der legendäre Tanz mit dir, Sylvia, bei den Adjuvantentagen,
– unsere Gemeindefahrten über wackelige Pfade,
– und ich bin dankbar, in Heldrungen Frau Laute noch kennengelernt zu haben und ihren tapferen Glauben bis zuletzt erleben zu dürfen – durch sie habe ich ein Stück Himmel sehen können.
Vielen Dank für die gemeinsamen Wege! Sie haben mir Freude bereitet und mich selbst wachsen lassen.
5. Bewegung nervt
Mir ist bewusst: Bewegung, Veränderung, Aufbruch – das ist ambivalent. Wir Menschen sehnen uns nach Stabilität und Sicherheit. In Bewegung zu sein kostet Kraft, reißt uns aus dem Vertrauten, und wir wissen oft nicht, was kommt.
Diese Erfahrung gehört zutiefst zum christlichen Glauben. Schon Abraham wird herausgerufen: „Geh aus deinem Vaterhaus in ein Land, das ich dir zeigen werde.“ Keine Karte, kein Plan – nur Gottes Wort. Und darüber steht der Zuspruch: „Sei stark und mutig; fürchte dich nicht und erschrick nicht. Denn der HERR, dein Gott, ist mit dir bei allem, was du tust.“
Dieses Muster zieht sich durch die Bibel: Israel zieht aus Ägypten, das Volk geht durch die Wüste. Jona wird aus seiner Bequemlichkeit gerissen. Die Jünger verlassen ihre Netze. Die junge Kirche breitet sich aus – trotz Unsicherheit und neuer Wege.
Das kann uns Mut machen. In unserem nächsten Lied heißt es:
„Ich singe für die Mutigen, die ihren Weg suchen … die auch ins Ungewisse gehen mit ihm.“
Gott bleibt nicht stehen – und seine Menschen sollen es auch nicht.
6. Der glitzernde Kern
Ich mag besonders die Flummis, die durchsichtig sind – mit einem kleinen glitzernden Kern in der Mitte. Eine Mitte, die alles zusammenhält.
Unser Glaube ist genau so ein Lebenskern. Ein Schatz, der manchmal leuchtet und manchmal kaum sichtbar ist – aber immer trägt, wo auch immer wir sind. Ein Glaube, der uns beweglich macht, weil Gott uns lebendig geschaffen hat. Nicht starr, nicht festgeklemmt, sondern neugierig, aufgeschlossen, hoffnungsvoll.
Dazu gehört, dass wir manchmal aufspringen, loslassen, gespannt sein dürfen – und darauf vertrauen, dass Gott uns auffängt, hält und wieder in Bewegung bringt.
In diesen drei Jahren bin ich geflogen, zwischengelandet, manchmal unerwartet angekommen. Ich habe offene Türen, offene Herzen und viel Mut zu Neuem erlebt. Dafür danke ich Ihnen allen!
Ich danke Herrn Berger und dem Kreiskirchenrat für die Möglichkeit, neue Erfahrungen zu machen. Sylvia, Haemi, Elisa, Felicitas und Claudia danke ich für die kollegiale Zusammenarbeit. Herzlich danken möchte ich allen GKR, besonders Familie Puchta, Familie Schädel, Frau Bach und Frau Stange.
Vielleicht bleibt der kleine Flummi in Ihrer Tasche oder Ihrem Herzen ein Zeichen dafür, wie Gott uns durch diese Zeit getragen hat: beweglich, lebendig und niemals allein.
Für mich geht es im Januar mit einem Kontaktsemester weiter – einer Zeit des Lernens und Atemholens – und ab April voraussichtlich in eine Stelle der Sonderseelsorge.
Der zweite Advent lebt davon, dass Gottes Zukunft größer ist als unser Abschied. Größer als unsere Unsicherheit. Größer als jede Veränderung. Wir gehen – und zugleich kommt Gott uns entgegen.
In diesem Vertrauen verabschiede ich mich – und zugleich heißen wir Pfarrer Oliver Gebhardt herzlich willkommen. Möge Gottes Geist ihn begleiten, leiten und stärken.
Der Friede Gottes, der höher ist als all unser Verstehen, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Autor:Denise Scheel |
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