Vorsicht! Falle

Michael Greßler, Pfarrer in Camburg-Leislau | Foto: privat

Jesus sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Die Zöllner und Huren kommen eher ins Reich Gottes als ihr.
Matthäus 21, Vers 31 b


Von Michael Greßler

Nee, ich hab keine Lust.« Das sag ich nicht oft. Aber ich denke es manchmal. Und dann tut es mir leid. Meistens nicht öffentlich. Eher so im eigenen Herzen. Und dann tu ich’s.
»Ja, klar!« Das sag ich oft. Oft mein ich es ehrlich, auch vor mir selbst. Aber dann kommen die Tage mit ihren Mühen und Plagen, ich sag: »Später« … und schieb es vor mir
her … und am Ende bleibt es. Das ist so. Weil wir Menschen sind.
Zwei Söhne. Einer sagt »Ja« und tut Nein, einer sagt »Nein« und tut Ja. Jesus sagt nicht, wer besser ist. Er fragt nur nach dem »Willen des Vaters«. Antworten müssen die anderen. Die, mit denen er redet. Fromme Leute, Hohepriester und Schriftgelehrte. Die meinen es auch ehrlich. Nichts ist ihnen wichtiger, als »den Willen des Vaters« zu tun.
Aber sie sind auch nur Menschen. Wie ich. Und sie tappen in die Menschenfalle: Entscheiden über die anderen. »Wir sind gut und die anderen sind falsch.« Klare Einteilung. Ich schau in mein Herz. Da ist so viel guter Wille. Und so viel »einfach-Mensch«. Manchmal reut’s mich. Manchmal nicht.
Die frommen Leute haben einfache Antworten: »Der Erste!« Aber so einfach ist die Welt nicht. Ich bin manchmal »Der Erste« – und manchmal »der Zweite«.
Den Einfach-Antworten antwortet Jesus. »Wahrlich, ich sage euch: Die Zöllner und Huren kommen eher ins Reich Gottes als ihr.« Die, die immer »die Zweiten« sind. Die in den Straßen wohnen, wo anständige Leute nicht hingehen. Das sind meistens die, die nicht so zu mir passen. Von denen ich denke: »Die da«. Weil sie nicht so leben wie ich. Oder sie denken politisch vielleicht anders. Sind ärmer als ich. Oder viel reicher. Glauben anders als ich oder glauben gar nicht; oder verachten sogar mich, weil ich in ihren Augen nicht fromm genug bin. Gottes Welt ist bunt. Sehr bunt. Ich bin ein Teil davon. Ein sehr schillernder oft. Und dann höre ich Jesu Stimme: »Wer hat den Willen des Vaters getan?«
Und ich denke: Langsam! Und vorsichtig. Mit einem behutsamen Herzen. Schaut sie euch genau an. Die anderen. Ihre Worte. Ihre Taten. Ihr Tun und Lassen. Und ihr Herz. Schaut auch auf euch selbst.
Und dann erst urteilt. Über die anderen. Und über euch selbst. Oder urteilt gar nicht. Lasst Jesus urteilen. Über euch alle.

Autor:

Kirchenzeitungsredaktion EKM Nord

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