Haben Sie Reformationsbedarf?

Suppenkasper in Endlosschleife: Medienkünstler Klaus Nicolai projiziert das Gesicht und die Hände von US-Präsident Donald Trump auf drei Teller. | Foto: Städtische »galerie ada«
  • Suppenkasper in Endlosschleife: Medienkünstler Klaus Nicolai projiziert das Gesicht und die Hände von US-Präsident Donald Trump auf drei Teller.
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Die Städtische »galerie ada« in Meiningen nimmt in einer dreigeteilten Ausstellung das Wort Reformation ganz wörtlich und fragt, was es im Jahr 2017 bedeutet.

Von Susann Winkel

RE:FORMATION« lautet der Titel der aktuellen Ausstellung in der Meininger »galerie ada«. In ihr geht es etwas anders zu als bei den vielen ähnlich benannten, in denen es landauf, landab im Jubiläumsjahr »luthert«. Das liegt am Präsentationskonzept: Bis Ende September werden die Galerieräume dreimal komplett unterschiedlich bestückt. Galerist Ralf-Michael Seele und Co-Kurator Klaus Nicolai fanden hierfür einen neuen Ansatz.
Der Galerist wollte das Thema Reformation zunächst gar nicht aufgreifen. Nicht auch noch in der »ada«! Doch dann überlegte er: »Gibt es etwas, das andere nicht machen?« Und: »Was ist heute am Begriff Reformation noch aktuell?« Ja und ja. Wenn er das Wort nur ganz wörtlich nimmt und »Reformation« eben nicht auf jene religiöse Erneuerungsbewegung unter Führung Martin Luthers im 16. Jahrhundert reduziert. Auch nicht ihre sämtlichen Nebenwirkungen und Spätfolgen zum Thema macht. In seiner originären, weiter gefassten Bedeutung meint »Reformation« eine Erneuerung oder auch geistige Umgestaltung.
An dieser Stelle begann das kulturtouristisch etwas erschöpfte Thema »Reformation« für den Galeristen wieder spannend zu werden. Er überlegte: Wo besteht heute Reformationsbedarf? In der Gesellschaft, selbstredend. Aber auch bei jedem Einzelnen. Und so lautet die unausgesprochene Frage der Schau: »Wo ist Reformationsbedarf bei mir?« Das soll sich der Besucher fragen. Wäre es an der Zeit, die eigene Reset-Taste zu drücken? So wie Luther sie damals für seine Kirche drücken wollte – freilich ohne letztere gleich zu spalten.
Wer hier eine Art Lebensratgeber-Ausstellung erwartet, der irrt. Ralf-Michael Seele und Klaus Nicolai erklären nicht die Welt. Sie zeigen Kunst – Installationen, Objekte, Malerei, Video und Klangspiele –, über die sich nachdenken lässt. Länger, als ein Galerie-Besuch dauert. Das Heimgehen mit Fragezeichen im Kopf ist erwünscht. Das Eintreten und Schauen mit eigenen Assoziationen ebenso.
Die sind besonders gefragt beim Beitrag des Medienkünstlers Nicolai. Der serviert den US-Präsidenten Donald Trump auf Tellern. Nun ja, nicht direkt. Er projiziert die TV-Aufzeichnung einer seiner Reden auf einen quadratischen Plexiglastisch. Das Bild fällt hindurch, nur auf den Tellern verfängt es sich. Ein Teller für sein Gesicht, je einer für die Hände. Und Trump redet und redet. Ein Suppenkasper in Endlosschleife. Es hat etwas anrührend Albernes, wie er da aus dem Teller spricht.
Dieses Eingefangen-Werden funk­tioniert nicht bei jeder gezeigten Arbeit. Zumindest nicht bei allen Betrachtern. Es gilt, wie letztlich bei jeder Ausstellung, die Werke für sich zu erkunden, die den Besucher in ein stummes Gespräch verwickeln. Tatsächlich will die Schau vor allem dreierlei: erstaunen, amüsieren, verwirren. Das gelingt ihr unbedingt. Etwa mit dem Streubild von Eva Warmuth.
Sie hat verschiedenfarbige Getreide und Samen in arabesken Formen auf den Galerieboden gestreut. Ein höchst empfindliches Kunstwerk, dazwischen Brotlaibe, sicher steinhart, und Gesichter, geformt aus Erde aus dem angrenzenden Englischen Garten. Da schlagen die Assoziationen beim Betrachter Purzelbäume. Und das ist genau so gewollt. »Die Vollendung der Werke geschieht im Kopf der Betrachter«, erklärt Ralf-Michael Seele.
Auch die Ausstellung selbst ist nicht im klassischen Sinne fertig. Wer die »ada« bis zum 16. Juli besucht, wird die hier beschriebenen Installationen sehen und noch viel mehr. Wer zwischen dem 22. Juli und dem 27. August vorbeischaut, den erwarten interaktive Arbeiten. Im September geht es dann wieder etwas klassischer zu, mit Malerei, Grafik, Plastik und Objekten, einem bildkünstlerischen Blick auf die Reformation, an dem sich auch die evangelische Kirchengemeinde und der Kirchenkreis Meiningen beteiligen werden.

Bis 24. September, galerie ada, Bernhardstraße 3, Meiningen: Mi. bis So., 15 bis 20 Uhr

Autor:

Adrienne Uebbing

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