Benefizkonzert für Hochwasseropfer
Nicht nur Gottvertrauen

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„Erinnert Ihr Euch noch, als in Wegeleben und Harsleben, die Bode und der Goldbach ins Haus traten, ohne vorher anzuklopfen?“ Ralph Rainer-Wenske, Vorsitzender des Gemeindekirchenrats im Kirchspiel Wegeleben, weiß es noch und dankt allen Besuchern eines Benefizkonzertes in der Kirche St. Peter und Paul. „Es klingelt nicht im Klingelbeutel, es raschelt kräftig“, freut es ihn und Pastorin Ursula Meckel, dass 1178 Euro Spenden zusammen kamen, die über die Diakonie-Katastrophenhilfe in die betroffenen Regionen an der Ahr weitergeleitet werden.
Die Wegelebenerin Beate Fiedler, Trompeterin und Chefin des Posaunenchores der evangelischen Gemeinde, und der 21jährige Organist und Orgelbauer-Azubi Erik Deuerling aus der Groß Quenstedter „Kirche im Felde“ ergriffen die Initiative und organisierten das spätnachmittägliche Konzert. Dazu gewannen sie den Quedlinburger Kirchenmusikdirektor i. R. Gottfried Biller, der an der Orgel die Trompeterin Fiedler einfühlsam begleitet. Dazwischen liest Pastorin Ursula Meckel, die als „Springerin im Kirchenkreis Halberstadt“ die Gotteshäuser zwischen Bode und Selke bestens kennt, aus Erinnerungen von Betroffenen aus der Ahr-Region und der Gemeinde Schuld in Rheinland-Pfalz. Sie verstehe sich nicht als Ansagerin eines Konzertprogramms, sagt die Theologin aus Thale. Sie bewegt die Menschen, die in den Bänken der über 700jährigen Kirchen sitzen. Meckel zitiert Psalm 69: „Rette mich, Gott! Das Wasser steht mir bis zum Hals. Ich bin versunken in tiefem Schlamm und finde keinen festen Grund. In tiefes Wasser bin ich geraten. Eine Flutwelle spülte mich fort.“ Hochemotional die Zeilen, aus denen sie liest. Die Reporter hätten den Ort verlassen, das Scheinwerferlicht sei weitergezogen, die Menschen aber blieben, der Schutt müsse beseitigt, der Schlamm, der alles überdecke, weggebracht werden. Für die Einwohner zähle der alte Kalender nicht mehr, es habe eine neue Zeitrechnung begonnen, „die Epoche danach. Die Dorfhistorie teilt sich durch die Katastrophe.“ Flut und Chaos tragen sich in die Annalen ein, die Bewohner fragen sich immer wieder, wie es weitergehen soll. Eine Zehnjährige sei aus einem überfluteten Keller gerettet worden, eine Sechsjährige wird die Bilder zweier Wasserleichen nicht los, Kinder und Jugendliche leiden an der Traumatisierung.
Darum sei ihnen das Schicksal der Betroffenen in den Hochwassergebieten nicht egal, zeigen die Wegelebener, die das Benefizkonzert besuchen.
Die Organisatoren wählten dafür wohl bewusst nicht nur Orgel- und Trompeten-Hits aus. Pietro Baldassari, dessen für Orgel adaptierte Sonata erklingt, gehört zu den Komponisten, die für jene stehen, deren Spuren sich im Alltag verloren haben, wie die vieler einfacher Menschen an der überbordenden Ahr. Charles John Stanley (1712–1786), dessen präludienartige „Trumpet Voluntary“ als Zugabe und Dankeschön zu hören ist, traf das Schicksal so hart wie die Flutopfer. Er erblindete nach einem Unfall im Alter von zwei Jahren, studierte trotzdem Musik und wurde ein Freund Händels.
Im Konzert mit einigen auf die Besetzung abgestimmten Bearbeitungen fehlten weder Carl Emanuel und Johann Sebastian Bach noch Wolfgang Amadeus Mozart als Musikschöpfer. Das „Ave verum“ gilt als berühmteste Vertonung des mittelalterlichen Hymnus und ist trotz seiner Kürze von nur 46 Takten eines der bekanntesten Werke Mozarts. Fast symbolhaft hört das Publikum schließlich die Choralbearbeitung „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“. Auch wenn die Pastorin von keimender Hoffnung spricht, in der Musikauswahl hätte ein jüngeres Stück als ein Licht ins Dunkel durchaus musikalisch Optimismus verströmen dürfen. Das schmälert aber weder das Engagement der impulsgebenden Musiker noch die Spendenbereitschaft der über 40 erschienenen Zuhörer.

Autor:

Uwe Kraus

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