In Stotternheim schlug es ein

Ob zu Fuß oder per Tandem: Kirchentagsbesucher in Erfurt wollten Luthers Wege gehen und machten sich – wie einst der Reformator – vom Lutherstein in Stotternheim auf zum Augustinerkloster. | Foto: Matthias F. Schmidt
  • Ob zu Fuß oder per Tandem: Kirchentagsbesucher in Erfurt wollten Luthers Wege gehen und machten sich – wie einst der Reformator – vom Lutherstein in Stotternheim auf zum Augustinerkloster.
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Schöne Legende, triste Wirklichkeit: Der Kirchentag auf dem Weg macht Station
in Stotternheim. Wurde hier Weltgeschichte geschrieben? Es sieht zumindest nicht danach aus.

Von Dirk Löhr

Schon die Anfahrt gestaltet sich holprig. Der Luthersteinweg ist eine staubige Piste. Er führt vom Bahnhof des Fleckens Stotternheim zur Deponie leicht bergan. Rechts und links blinkt das Blau von Baggerseen. Mit großen rostigen Maschinen wird geschürft. Leise rieselt der Kies vom Förderband.
Dort, wo der Weg auf die alte, inzwischen abgedeckte Müllhalde der Thüringer Landeshauptstadt Erfurt trifft, biegt er scharf ab. An der Ecke steht der rote Stein. Dahinter ein Bratwurstrost, Tische für den Getränkeverkauf und für Broschüren, die vom Ort erzählen. Eine mobile Bühne, im Halbkreis ein Posaunenchor und Bierbänke, die mit über hundert Menschen besetzt sind. Einheimische sind gekommen und der Kirchenchor, dazu Leute aus der Stadt. Einige tragen den orangefarbenen Schal des Kirchentags.
Der Erfurter Kirchentag auf dem Weg macht Station in Stotternheim. »Geblitzt«, heißt hier einer von mehr als 200 Programmpunkten. Er erinnert daran, dass hier vor über 500 Jahren Weltgeschichte geschrieben wurde – zumindest wenn man denen glaubt, die später alles notierten. Die Legende geht so: Auf dem Weg von Mansfeld nach Erfurt gerät der Jurastudent Martin Luther in ein Unwetter. Neben ihm schlägt ein Blitz ein. Voller Angst fleht der junge Mann: »Hilf du, Sankt Anna.« Und er verspricht: »Ich will ein Mönch werden.« Genau so steht es seit 1917 in weißer Schrift auf dem großen roten Stein. »Geweihte Erde« auch und »Werdepunkt der Reformation«.
Ganz sicher ist die Sache mit dem Blitz nicht, wohl aber das Mönchsein. Zwei Wochen nach dem Gewitter, am 17. Juli 1505, klopft der 21-jährige Lu-ther an die Pforte des Erfurter Augustinerklosters. Er bleibt, mit Unterbrechungen, bis 1511, dem Jahr seines endgültigen Umzugs nach Wittenberg.
Blitz hin oder her, eine – wie auch immer – geartete Krise muss Luther gehabt haben. Da sind sich die Redner des kleinen Festaktes, der Erfurter Senior Matthias Rein, Stotternheims Pfarrer Jan Redeker und die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, gemeinsam sicher. Wichtig sei, dass er sich auf den Weg machte – zu seinem Glauben und zu sich selbst.
So sind denn auch die Gäste eingeladen, den Weg nach Erfurt zurück unter die Füße zu nehmen. Zwei Routen sind im Angebot: Die östliche, zwölf Kilometer lang, führt über freies Feld hinter dem Autobahnring der Landeshauptstadt bis zum Ringelberg und von dort geradeaus bis zum Augustinerkloster. Die westliche, sechs Kilometer länger, führt durch Stotternheim und Mittelhausen bis zur Gera. Immer am Flussufer entlang, ist auch hier das Kloster das Pilgerziel.
Der Schatten der Flussauen scheint anziehender zu sein. Zumindest an der ersten Zwischenstation, St. Peter und Paul in Stotternheim, lassen sich 60 Männer, Frauen und auch ein paar Kinder die 1704 erbaute Barockkirche zeigen. Mit den neuen Glasfenstern des Künstlers Gert Weber präsentiert sich das Gotteshaus schlicht und anspruchsvoll
zugleich.
Ginge das nicht auch am »Werdepunkt der Reformation«? Der Kirchen-
älteste Karl-Eckhard Hahn bittet um Geduld und Nachsicht. Es habe sich schon viel verändert. Bald würden die jungen Bäume zur grünen Kirche he­rangewachsen sein. Noch im Sommer will die Gemeinde am Lutherstein einen Steinaltar errichten. Und irgendwann muss ja auch mal der Kies im See komplett abgebaut sein.(epd)

Autor:

Kirchenzeitungsredaktion EKM Süd

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