Unterwegs im Heiligen Land: Nur wer an Wunder glaubt, ist ein Realist

»Unmögliche« Allianz: Der Israeli Shaul Yudelman und der Palästinenser Nur von der Organisation »Friends of Roots«, hier im Gespräch mit dem Achava-Reiseteilnehmer Hubert Nekola aus Erfurt (rechts). | Foto: Ricklef Münnich
  • »Unmögliche« Allianz: Der Israeli Shaul Yudelman und der Palästinenser Nur von der Organisation »Friends of Roots«, hier im Gespräch mit dem Achava-Reiseteilnehmer Hubert Nekola aus Erfurt (rechts).
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Von Ricklef Münnich

Will man seinen Kopf nicht an den Stein stoßen, muss der Besucher sich tief bücken, um durch das nur 1,25 Meter »hohe« Eingangstor in die Geburtskirche von Betlehem einzutreten. Eines der ältesten Gotteshäuser der Welt hat ein »Demutstor«: Den 25 Teilnehmern der Israelreise der Achava Festspiele wurde diese Haltung während ihrer Reise ins Heilige Land jeden Tag mehr zur einzig angemessenen.
Zwar hat wechselseitiges Pochen auf frühere Anwesenheiten und ältere Rechte zwischen den drei großen Religionen im Nahen Osten sowie zwischen Palästinensern und Israel gerade wieder Hochkonjunktur, doch hilft es gemeinsamer Zukunftsgestaltung in keiner Weise. Kern der Achava Festspiele ist der interreligiöse und interkulturelle Dialog, wie er auf die jüdische Bibel zurückzuführen ist. Der Respekt gegenüber dem Anderen war darum auch Beweggrund und Ziel, mit »Achava unterwegs« nun jährlich auf die Reise in das Land zu gehen, in dem Juden, Christen wie Muslime ihre Wurzel sehen.
Bewegender Höhepunkt gleich nach dem Eintritt in die Bethlehemer Geburtskirche war das gemeinsame Zeugnis eines israelischen Siedlers in den umstrittenen Gebieten und eines Palästinensers von den christlichen »Hirtenfeldern«, die die ermüdende Schuldzuweisung satt haben und sich nicht mehr abfinden wollen, sich im Status quo einzurichten. »Friends of Roots« – Freunde (gemeinsamer) Wurzeln – heißt diese »unmögliche« Organisation, die sie gegründet haben und die den Widerständen auf allen Seiten zum Trotz wächst.
Demut lernte die Reisegruppe auch im Kibbuz und Wohnhaus des israelischen Staatsgründers David Ben Gurion in der Negev-Wüste kennen. Die Einfachheit und Bescheidenheit seines Lebensstils spricht die Besucher in den wenigen Zimmern des Hauses, das durchaus eher Hütte zu nennen wäre, unmittelbar an. Indirekt so auf biblische Wüstenwurzeln zurückgreifend, hatte dieser Ministerpräsident im Alter deutlich vor Augen, was aus diesen Wurzeln werden könnte, wenn er behauptete: »Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist.«
Hier zumeist wenig bekannter Realität des Staates Israel begegneten die Thüringer Reisenden in Tel Aviv im Gespräch mit einer Gruppe, die sich um die vor allem aus Eritrea und dem Sudan gekommenen illegalen Migranten kümmert. Drei Tage zuvor hatte Israels Kabinett verkündet, 40 000 ungesetzlich ins Land eingereiste Afrikaner abschieben zu wollen – zum Größenvergleich: In Deutschland wäre das etwa die zehnfache Zahl.
Anderen Einwanderern derselben dunklen Hautfarbe hat Israel dagegen sehr viel Hilfe geleistet: den äthiopischen Juden. Eine junge Frau berichtete emotional zutiefst anrührend von der tatsächlich mehrjährigen Wüstenwanderung ins »Gelobte Land«, wie sie anschließend nichts anderes mehr als Israelin sein wollte. Und schließlich – nicht zuletzt durch Vorurteile anderer – wieder auf ihre Wurzeln zurückgeworfen wurde, die sie nun neu zu entdecken versucht.
Die Reise führte die Gruppe vom alten zum neuen »Migrantenland« Israel: Denn begonnen hatte sie in Hebron mit Abraham, dem ersten Einwanderer – und führte sie gerade so auch immer wieder in Gedanken nach Deutschland, das darum ringt, wie es mit seinen Migranten umgehen soll. Die Rückkehr nach Hause erfolgte durch ein »Demutstor« in die beginnende Adventszeit. Es ist kein Zufall, dass auf die Geburt Jesu in Bethlehem in der Bibel als erstes von seiner Flucht und Wanderung durch die Wüste berichtet wird.

Die Achava Festspiele Thüringen – das hebräische Wort bedeutet Brüderlichkeit –
fanden 2015 erstmalig als Zeichen für Toleranz und Dialog statt. Infos zur nächsten Israelreise mit »Achava unterwegs«: Telefon (01 77) 91 40 45, E-Mail reisen@ahavta.com

Autor:

Kirchenzeitungsredaktion EKM Nord

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