Fallen lassen, gehalten werden

Der Taufbrunnen ist das Zentrum in der Eisleber Petri-Pauli-Kirche: Pfarrerin Simone Carstens-Kant berichtet, dass sich die meisten erwachsenen Täuflinge gegen das Taufbecken und für den Brunnen entscheiden und dann tatsächlich mit Hilfe zweier Begleiter in das Wasser, das übrigens Leitungswasser ist, eintauchen. | Foto: Maik Schumann
  • Der Taufbrunnen ist das Zentrum in der Eisleber Petri-Pauli-Kirche: Pfarrerin Simone Carstens-Kant berichtet, dass sich die meisten erwachsenen Täuflinge gegen das Taufbecken und für den Brunnen entscheiden und dann tatsächlich mit Hilfe zweier Begleiter in das Wasser, das übrigens Leitungswasser ist, eintauchen.
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Zentrum Taufe: Im Reformationsjahr kommen Tausende Gäste nach Eisleben, ein besonderer fehlt

Von Katja Schmidtke

Es ist ein ungewöhnlich stiller Moment in der Eisleber Petri-Pauli-Kirche. Nur wenige Besucher streifen durch den hellen Innenraum mit dem Wellenmuster im Fußboden und im Fensterglas, den Sitzbänken aus Obstbaumholz und dem im Boden eingelassenen Taufbrunnen. »Sonst ist hier viel mehr los«, sagt Pfarrerin Simone Carstens-Kant und lacht. Und schon steht eine Reisegruppe im Portal, Südkoreaner. Und eine Viertelstunde später Gäste aus dem sachsen-anhaltischen Finanzministerium. Sie wollten eigentlich nur in die Luther-Gedenkstätten – und bekamen dort den Tipp, Luthers Taufkirche zu besuchen. Während unter Christen vieler Konfessionen das »Zentrum Taufe« ein Begriff ist, müssen Touristen oft darauf aufmerksam gemacht werden.
Seit fünf Jahren gibt es das »Zentrum Taufe« in der völlig neu gestalteten Kirche. Mehr als eine Million Euro wurde investiert und eine Projektstelle für die besondere geistliche Arbeit geschaffen. Petri-Pauli ist weiterhin Gemeindekirche, Iris Hellmich ist Gemeindepfarrerin, während Simone Carstens-Kant vor allem für die thematische Arbeit rund um die Taufe zuständig ist.
So wichtig die Taufe als Eintritt in die christliche Gemeinschaft ist, so wenig wissen die Getauften oft über ihre eigene Taufe. In jüngster Zeit werden landauf, landab öfter Tauferinnerungsandachten gehalten. Auch das »Zen­trum Taufe« fügt sich in die Sehnsucht vieler Christen ein. Wenn bei Andachten den Gläubigen das Wasserkreuz auf die Stirn gezeichnet wird, fällt es selbst der Pfarrerin schwer, dieses besondere Gefühl zu beschreiben. Es gehe um Erinnerung, um Gemeinschaft und um Körperlichkeit – gerade in der wortbasierten evangelischen Kirche, gerade in der vernunftbetonten Zeit. »Das Wort ist wichtig, und das ist gut so. Aber wir sind arm an Zeichen«, sagt Carstens-Kant.
Im vergangenen Jahr kamen 42 000 Menschen ins »Zentrum Taufe«. In diesem Jahr sind es bereits 52 000 Besucher. »Und es werden bis Jahresende sicherlich mehr als 60 000 werden«, blickt Simone Carstens-Kant voraus. Auch über das Reformationsjubiläum hinaus würden die Menschen kommen, vor allem Christen aus Südkorea, den USA, aus Schweden, Norwegen, Polen oder Tschechien. Geschätzte drei Viertel aller Besucher sind Christen.
Um alle willkommen zu heißen, hält die Kirchengemeinde die Türen sonntags von 11.30 bis 16 Uhr und montags bis samstags 10 bis 18 Uhr offen, zwei Stunden länger als früher. Insgesamt 15 Ehrenamtliche kümmern sich darum.
Aber natürlich erinnern sich Menschen in Petri-Pauli nicht nur an ihre Taufe – regelmäßig lassen sie sich auch taufen. Säuglinge eher klassisch am Taufbecken, Erwachsene fast immer im Brunnen. Man gelangt über eine Treppe hinab, begleitet von Pfarrer und einem Assistenten, und taucht dann ein. Ein Zeichen: Man kann sich bei Gott fallen lassen, wird gehoben und ist geborgen.
Als Ministerpräsident Reiner Haseloff zum Sachsen-Anhalt-Tag das »Zentrum Taufe« besuchte, zeigte er sich tief beeindruckt und ermutigte die Gemeinde, für diese Taufen zu werben. »Wir finden es gut, wenn die Taufe heute ein besonderer Tag in einer Familie ist und so gefeiert wird. Aber gerade in unserer Diaspora-Lage ist es auch schön, wenn die Taufe in der Gemeinde stattfindet, zu der man gehört«, sagt Simone Carstens-Kant. Das konnte der Katholik Haseloff gut verstehen.
Über einen Gast würde sich Simone Carstens-Kant besonders freuen, bevor ihre Projektstelle zum 31. Juli 2018 ausläuft und in eine halbe Stelle umgewandelt wird. Gerade zum Reforma­tionsjubiläum vermisst die Pfarrerin die Aufmerksamkeit der EKD für die Taufe als Teil lutherischer Theologie. Zwei Mal hat sie dem Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm geschrieben und keine Antwort erhalten. Dabei, so erinnert Carstens-Kant, feiern wir 2017 nicht nur 500 Jahre Thesenanschlag, sondern auch zehn Jahre Taufanerkennung in elf christlichen Kirchen Deutschlands.

Autor:

Kirchenzeitungsredaktion EKM Nord

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