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Ende in der alten Telefonfabrik

Bauhaus in Dessau-Rosslau (Foto von 2019): Vor 90 Jahren schloss das Bauhaus unter dem Druck der Nationalsozialisten | Foto: epd-bild/Viktoria Kühne
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Das Bauhaus revolutionierte von 1919 bis 1933 die Grundlagen von Architektur und Design. Unter dem Druck der Nationalsozialisten wich es von Weimar nach Dessau und später nach Berlin aus. In Dessau überstanden die Bauten aus purer Not Abbruchplänen.

Von Bettina Gabbe (epd)

Die Kantine des Bauhausgebäudes in Dessau gehört heute zu den beliebtesten Lokalen der Stadt. Kulturinteressierte, die in ehemaligen Studentenzimmern im Atelierhaus übernachten können, genießen die studentische Atmosphäre. Der Bau ist als Unesco-Weltkulturerbe mit klaren Linien und großen Fensterflächen ein Touristen-Magnet. Der Leiter der Sammlung der Stiftung Bauhaus Dessau, Werner Möller, bezeichnet es als Glücksfall, dass das Gebäude nach der Schließung der gleichnamigen Hochschule nicht abgerissen wurde.
Das Dessauer Gebäude ist das heute wohl bekannteste der Architektur- und Designschmiede. Doch das Aus für das Bauhaus kam vor 90 Jahren aus Berlin: Am 10. August 1933 gab der Direktor des Bauhauses, Ludwig Mies van der Rohe (1886-1969), dort dessen Auflösung bekannt.

Nach dem Ende der Einrichtung per Gemeinderatsbeschluss in Dessau von 1932 hatte Mies van der Rohe versucht, die Schule in Berlin als Privatinstitut in einer alten Telefonfabrik weiterzuführen. Er hatte gehofft, die Hochschule durch Lizenzverträge etwa über die Herstellung von Bauhaus-Tapeten finanzieren und die von Dessau zugesagte Zahlung der Gehälter finanzieren zu können. Doch die Gestapo durchsuchte das Berliner Gebäude auf mutmaßlich kommunistisches Material. Um einer erneuten Schließung durch die Behörden zuvorzukommen, beschloss Mies van der Rohe gemeinsam mit dem Meisterrat das Ende der Hochschule. Die ehemalige Telefonfabrik, in der sie für einige Monate in Berlin ihren Sitz hatte, überstand den Krieg, wurde jedoch 1974 abgerissen.

Das Bauhausgebäude in Dessau wurde während der NS-Zeit zeitweilig als Landesfrauenarbeitsschule und vom Architekten Albert Speer (1905-1981) genutzt. Mitte der 70er Jahre wurde es in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt.

In den Anfangszeiten der DDR habe das Gebäude nicht in den sowjetischen Traditionalismus mit seinem Zuckerbäckerstil gepasst, sagt der Sammlungsleiter. Das Bauhaus sei damals als Ausdruck des Kosmopolitismus abgelehnt worden, der aus den USA bekannt war, erklärt Möller. In den 60er Jahren sei auch in der Sowjetunion zur Deckung des Bedarfs an Wohnungen die Bauwirtschaft industrialisiert worden. Im Zuge dieser Entwicklung sei das Bauhaus als Teil des sozialistischen Erbes anerkannt worden.

Seit 1994 ist die Stiftung Bauhaus Dessau für Erhalt und Erforschung des Bauhaus-Erbes der Stadt zuständig. Im 2019 eröffneten Bauhaus-Museum zeigt sie Teile der 50.000 Objekte umfassenden Sammlung der 1919 in Weimar von Walter Gropius (1883-1969) gegründeten Hochschule.

Diese wurde 1925 nach Dessau verlegt, nachdem der Schule in Weimar aus politischen Gründen die Mittel um 50 Prozent gekürzt worden waren. Keine fünf Jahre nach ihrer Gründung hätten mit Mannheim, Frankfurt am Main, Köln und Dessau gleich mehrere Städte um die Schule geworben. Dessau bot laut Möller ein sozialliberales Klima sowie eine günstige Lage in der Nähe von Berlin, Leipzig und Halle. Für eine Stadt mit 60.000 Einwohnern sei überdies das Angebot, das Bauhausgebäude in Dessau, die Meisterhäuser und die Meistergehälter zu finanzieren, eine erhebliche Leistung gewesen, betont Möller.

Hoffnungen auf handwerkliche und industrielle Betätigung der Hochschule hätten sich jedoch nicht erfüllt, sagt der Sammlungsleiter. Gropius Nachfolger als Leiter der Hochschule, Hannes Meyer (1889-1954), betonte ab 1928 den sozialen Anspruch der Hochschule. Dabei ging es vor allem darum, wie gut gestaltete Produkte und Bauten so geschaffen werden können, dass sie erschwinglich sind.

Auch der Versuch, 1930 mit Mies van der Rohe einen als staatstragend und als politisch unbeschriebenes Blatt geltenden Leiter zu ernennen, schlug fehl. Die zwei Jahre später vom Gemeinderat verfügte Schließung der Hochschule in Dessau war mit Wünschen nach einem Abbruch des Bauhausgebäudes verbunden, sagt der Sammlungsleiter: „Das hat nicht stattgefunden, weil sie den Raum brauchten.“

Autor:

Katja Schmidtke

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