»Unsere ureigene Sache«

Beerdigung: Die Zahl der weltlichen Bestattungen hat in den letzten Jahren zugenommen. Pfarrer Matthias Taatz ist auch zu diesen Trauerfeiern in der Kirche
bereit.

Von Katja Schmidtke

Es war kalt, es regnete in Strömen. »Saumäßiges Wetter«, erinnert sich Pfarrer Matthias Taatz bis heute, obwohl die Begebenheit bereits zwei Jahrzehnte zurückliegt. Aber diese Beerdigung, eine weltliche Trauerfeier in der schmalen Patronatsloge an der Schenkenberger Kirche, wurde zu einem Schlüsselmoment. Die große Trauergemeinde passte nicht in die Loge und stand im Wortsinne im Regen. »Das dürfen wir nicht zulassen. Das ist doch unser Gebot der Nächstenliebe«, dachte sich Taatz.
Seitdem muss in seinem Pfarrbereich im Kirchenkreis Torgau-Delitzsch keiner mehr im Regen stehend Abschied nehmen. Egal, ob getauft oder nicht, ausgetreten oder der Kirche entfremdet – Pfarrer Taatz beerdigt sie und begleitet die Hinterbliebenen. Der Geistliche hat nicht nur den Weg geebnet für weltliche Bestattungen in Gottes Haus, er leitet sie auch. 75 Trauerfeiern gibt es in den Kirchen des Pfarrbereichs jährlich, »normal wären rund 15 christliche Beerdigungen«, schätzt Taatz. »Es ist unsere ureigene Sache, Menschen in der Not zu begleiten«, sagt er mit Nachdruck. Weder in der Hospizarbeit noch in der Notfallseelsorge wird nach Taufe, Konfession oder Kirchensteuer als Voraussetzung gefragt. Warum dann also bei Beerdigungen?
Freilich war es für seine Gemeinden anfangs ungewohnt und nicht unumstritten. Es erforderte Aussprache und Information über christliche Bräuche und die Art und Weise, Tote zu bestatten und Angehörige zu begleiten. Vor allem bei der älteren Generation rissen Wunden aus der DDR-Zeit wieder auf. Rote in der Kirche? Ja, auch sie.
Selbst ein ehemaliges Staatsratsmitglied hat Taatz beerdigt. Die Frau war fromm erzogen worden, aber nach den Wirren des Zweiten Weltkriegs, der Vertreibung aus der Heimat und dem Neubeginn in Schenkenberg gaben ihr wohl die Kommunisten Halt. Vier ihrer fünf Kinder waren getauft; sie wollten nach ihrem Tod, dass die Mutter kirchlich bestattet wird.
Ursprünglich hatten die Gemeinden von Pfarrer Taatz ihre Kirchen zunächst für weltliche Trauerfeiern mit freien Rednern geöffnet. Glockengeläut, Orgelspiel und die Altarkerzen zu entzünden, ist dann nicht gestattet. Auch darf nichts verhüllt oder verstellt werden. Diese Art der Bestattung mit freien Rednern wird jedoch seltener in Anspruch genommen. Weil die Kirchengemeinde gut im Dorf verwurzelt ist, weil es viele Kontakt in die Gesellschaft gibt, sprachen nach und nach immer mehr nicht-konfessionelle Menschen Matthias Taatz an: »Könntest du nicht den Opa beerdigen?« Er kann.
Aber er ist bei weltlichen Feiern als Geistlicher erkennbar: Er trägt Talar, er betet und segnet, er liest nicht immer aus dem Evangelium, aber stets aus christlicher Poesie. Und er spürt, wie dies den Menschen Halt gibt, dass die Hoffnung auf die Auferstehung der Toten und das ewige Leben auch sie tröstet, dass sie sich nach Spiritualität sehnen, dass auch sie in ihrer Art und Weise religiös sind. »Das ist Vorfeld-Arbeit für den Heiligen Geist«, ist der Pfarrer überzeugt. Wenngleich er vor Hoffnungen warnt, dass sich nach den Beerdigungen Angehörige taufen lassen.
Der Anteil der Christen an der Bevölkerung in der Region liegt zwischen 15 und 18 Prozent. Ein Großteil der Menschen ist also nicht Mitglied der Kirche. »Wir überlegen doch immer wieder, wie wir an diese Menschen herankommen, wie wir ihnen den Glauben näherbringen.« Mit Trauerfeiern zum Beispiel, lautet die Antwort von Taatz.

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Online-Redaktion

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