Die Stimme(n) des Gewissens

Reichstag zu Worms: Luther verteidigt seine Thesen 1521 vor Kaiser Karl V. und den Kurfürsten. | Foto: epd-bild
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500 Jahre nach Luthers Wormser Rede trafen sich in Mühlhausen ein Arzt, ein Unternehmer, ein Architekt und ein Bürgermeister zu einem Disput.

Von Claudia Götze

Es ist unmöglich und gefährlich, etwas gegen das Gewissen zu tun!«, hatte Martin Luther vor dem Reichstag in Worms 1521 gesagt. Der damals 37-Jährige, Mitglied eines Bettelordens und bis 1517 nahezu unbekannt, sollte seine 95 Thesen gegen den Ablass widerrufen und damit aus Sicht der Herrschenden etwas geraderücken. Doch Luther folgte seinem Gewissen, wenngleich er damit den Rausschmiss aus der Katholischen Kirche riskierte.
Fast 500 Jahre später treffen sich Mitglieder der befreundeten Rotary Clubs Mühlhausen und Eschwege in Mühlhausen zu einer Diskussionsrunde in der Jugendkirche »St. Martini«. »Die Stimme des Gewissens« sollte die Brücke zwischen »Luther ins Worms« und »ich in meinem Beruf« schlagen.
»Gewissen will jeder haben«, eröffnete der Mühlhäuser Superintendent Andreas Piontek die Diskussion. Denn gewissenlos wolle niemand sein, und wie schon Luther wollen viele Menschen nicht auf ihr Gewissen verzichten. »Die Stimme des Gewissens – haben Sie die schon gehört?«, eröffnete Piontek die Runde. Mit ihm auf dem Podium saßen der Architekt Thomas Ortmann aus Mühlhausen, Anrodes Bürgermeister Jonas Urbach, Uwe Ellringmann, Arzt aus Eschwege, und Gerd Hoßbach, Vorstand der Werratal-Werkstätten Eschwege.
Immanuel Kant nannte es das »Bewusstsein eines inneren Gerichtshofes, eine innere Stimme«, die Verbindung zur äußeren Welt Gerd Hoßbach von den Werraland-Werkstätten: »Mich hat das Gewissen schon oft eingeholt. Es ist immer eine Grenzsituation, in der entschieden werden muss, was die Leute tun sollen.« Auch als Architekt müsse man seinem Gewissen folgen, sagt der Mühlhäuser Thomas Ortmannn. Er müsse ein gutes Gewissen haben, wenn er zwischen Bauherr und Behörden vermittele. Nein sagen müsse man lernen, so Ortmann. Hoßbach: »Es sind meist mehrere innere Stimmen, die Gewissen einfordern.«
Die Frage sei auch, wie man sich von einem schlechten Gewissen frei machen könne. Es sei natürlich anstrengend, sich von den inneren Stimmen, die ein Gewissen fordern, frei zu machen. »Ich kann natürlich nicht alle bedienen.« Mediziner Ellringmann hob die positive Funktion des schlechten Gewissens hervor. Ärzte haben diese Situation oft, es helfe, für Veränderungen in der Zukunft, für die Neuordnung der Gedanken.
Auch Bürgermeister Jonas Urbach kämpft oft mit dem Gewissen, weil er von Bürgern angesprochen wird und ihnen erklären muss, dass vielleicht ihr Stück Straße noch nicht gemacht werden kann. Ein gutes Gewissen sei ein »gutes Ruhekissen«.
Wie weit ein schlechtes Gewissen reichen kann, zeige das Schicksal des Baumeisters von St. Marien in Mühlhausen, der sich sogar das Leben genommen habe. Andreas Piontek nannte dieses Beispiel und sagte aber auch, dass man wegen der inneren Stimmen mitei-
nander ins Gespräch kommen kann.
Für den Unternehmer Hoßbach gibt es eine Vielfalt an Gewissenskonflikten: Da sei einerseits die Rendite und andererseits der Arbeitnehmer. Gewissenskonflikte seien vielfältig. Auch eine Scheidung sei so einer, weil man ja versprochen habe, ein Leben lang zusammenzubleiben. »Auch die bevorstehende Wahl ist eine Gewissensentscheidung«, machte Jugendpfarrer Frederik Seeger klar.
»Ein gutes Gewissen ist eine robuste Gesundheit plus ein schlechtes Erinnerungsvermögen«, sagte ein Zuschauer zum Schluss.

Reichstag zu Worms: Luther verteidigt seine Thesen 1521 vor Kaiser Karl V. und den Kurfürsten. | Foto: epd-bild
Auf dem Podium: Neben Superintendent Andreas Piontek (Mitte) diskutierten (v. l.) Jonas Urbach, Thomas Ortmann, Uwe Ellringmann und Gerd Hoßbach. | Foto: Claudia Götze
Autor:

Kirchenzeitungsredaktion EKM Süd

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