Berichtet
Corona-Spätfolgen: Mit Mut zur Gründung einer Selbsthilfegruppe

Bis vor vier Monaten war sein Leben völlig normal: Arbeit, Haus, Garten, die Familie mit den Kindern – es lief richtig gut. Dann kamen auf einmal Atemnot und geistige Aussetzer – Corona. Obwohl bei dem Mann nur ein leichter Krankheitsverlauf diagnostiziert wurde, er nach wenigen Tagen aus dem Krankenhaus entlassen werden konnte, ist er bis heute kaum belastbar, die Luft wird einfach zu schnell knapp.
Anhaltende Atemlosigkeit, Konzentrationsstörungen, geistige Aussetzer bis hin zur Arbeitsunfähigkeit – immer mehr ehemalige Corona-Patienten berichten über diese Langzeitfolgen nach ihrer Erkrankung, und das, obwohl sie als genesen gelten. Für diese Menschen gibt es in Deutschland aber bislang kaum Anlaufstellen.
Viele sind nach einem Krankenhausaufenthalt oder einer Reha auf sich allein gestellt – und das auch im Burgenlandkreis. Dort gibt es zwar 90 Selbsthilfegruppen, die sich mit Krankheiten wie Sucht, Ängsten, Depressionen, Diabetes, Osteoporose, Schlaganfällen und Demenz befassen. Für Corona-Betroffene fehlt dieses Angebot aber noch.
„Ich bin mir aber sicher, dass sich das bald ändern wird“, sagt Jan Skrzypkowski, der die paritätische Selbsthilfekontaktstelle im Burgenlandkreis leitet. Eine solche Gruppe gründe sich aber nicht von selbst. „Die Menschen müssen es selbst in die Hand nehmen“, macht er klar.
Aushänge an schwarzen Brettern in Arztpraxen, Apotheken, Einkaufszentren oder auch ein Aufruf in der Zeitung, dass Mitstreiter gesucht würden, seien ein Anfang, um Kontakte und Adressen zu sammeln. Zwei bis drei Personen, die vorzugsweise aus der gleichen Region kommen, reichen für den Start, für den es keinen Eintrag in ein Register benötige, nur ein Gruppensprecher wäre gut.
Die Ehrenamtskoordinatorin des Burgenlandkreises, Nicolle Hausmann, bestätigt dies. „Selbsthilfegruppen sind Formen des bürgerschaftlichen Ehrenengagements“, sagt sie. Sie könnten Förderungen bei den Krankenkassen beantragen, vorausgesetzt, es handele sich um eine gesundheitsbezogene Gruppe, sie müsse ausschließlich von Betroffenen geleitet werden, die Zusammenarbeit mit Krankenkassen müsse gewährleistet sein und die Gruppe verpflichte sich zu Transparenz. Das bedeute, dass sie publik und für alle Interessierten zugänglich gemacht und die fördernde Krankenkasse regelmäßig über die wirtschaftliche Situa-tion der Gruppe informiert werde. Finanzieren könnte sie sich beispielsweise über Mitgliedsbeiträge. Diese könnten auch für Mieten verwendet werden.
Bei der Suche nach den geeigneten Räumen hilft die paritätische Selbsthilfekontaktstelle des Burgenlandkreises, sagt Jan Skrzypkowski. Gemeinden würden beispielsweise ihre Bürgerhäuser oder Räume in ihren Stadtverwaltungen zur Verfügung stellen. Mehrgenerationenhäuser halten ebenfalls oft Räumlichkeiten vor.
Der Bedarf nach den Selbsthilfegruppen sei da. Schon nach der ersten Corona-Welle habe es bei ihm ab Anfang Mai Anfragen von Menschen gegeben, die auf der Suche nach so einer Anlaufstelle waren, sagt Jan Skrzypkowski. Ein solches Angebot ersetze zwar keine von Fachleuten angeleitete Therapie, macht er klar, es gehe vielmehr um den Austausch. Über die Spätfolgen von Corona gebe es aktuell nämlich kaum Erkenntnisse, und Mediziner seien sich noch nicht einig, in welcher Art und Weise die Menschen vielleicht sogar lebenslang mit den Begleiterscheinungen zu leben haben werden.
Den Menschen in Selbsthilfegruppen hilft es, sich auf Augenhöhe zu begegnen, sich gegenseitig Hinweise zu geben, ihre eigenen Erfahrungen weiterzugeben und auch mitzuteilen, was aus ihrer Sicht in ärztlicher Sache empfehlenswert ist. Daher macht er Mut, solche Selbsthilfegruppen zu gründen.
Andrea Hamann

Autor:

Online-Redaktion

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